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Für Wiescka, Roland und Daniel,

mit Liebe,

und für die Ford-Werke in Dearborn, Michigan,

mit Dank.

Die aufgehende Sonne findet mich, Die Morgendämmerung im Osten sieht mich. Das kann nur bedeuten, Coyote wird mich finden, Mit seinem blutverschmierten Mund! Dort naht der verrückte Coyote, um seinen Hals eine Kette aus Augäpfeln, Sein Mund ist rot, seine Hände sind rot. Verrückter Coyote Singt ein wahnsinniges Lied Und plötzlich faucht der Wind aus dem Westen!

– Lied der Navaho-Indianer

Anmerkung des Autors

Der Dämon, dem Sie in diesem Buch begegnen werden, war (und ist) ein echter indianischer Dämon. Die Legenden, von denen Sie hören werden, sind in den Zelten der großen Medizinmänner schon vor langer Zeit erzählt worden.

Es ist selbstverständlich möglich, die übernatürlichen Kräfte des indianischen Volkes einfach als Aberglaube abzutun. Doch während ich über diese besonders bösartige Erscheinung schrieb, erlebte ich eine Pechsträhne voller eigenartiger Zufälle. Unvorhersehbare Ereignisse brachen über mich herein: der Tod meines Stiefvaters, ein Verkehrsunfall bei 70 Meilen pro Stunde, bei dem mein neuer Mustang gegen eine Mauer krachte, meine Frau wurde ebenfalls in einen Verkehrsunfall verwickelt, außerdem verlor ich zahllose persönliche Dinge, etwa Scheckbücher und Andenken. Seltsam war auch, dass ich beim Schreiben immer wieder ins völlig Nebensächliche abirrte. Es war, als ob das Buch sich dagegen sträubte, geschrieben zu werden.

Aber jetzt ist es fertig, endlich, und ich hoffe, dass Sie die unheimliche Vergangenheit Amerikas nun etwas besser verstehen werden und dass dieses Buch Ihnen auch für zukünftige Überlegungen hilfreich sein wird.

Falls Sie es überhaupt wagen – denn dieser Dämon verzeiht nicht, und er kann niemals sterben.

Graham Masterton

Los Angeles, 1978

1

Der alte Mann betrat mein Büro und schloss die Tür. Er trug eine zerknitterte Leinenjacke und eine grüne Fliege. In seinen mit Leberflecken gesprenkelten Händen hielt er einen Panamahut, den die kalifornische Sonne mit den Jahren gegrillt zu haben schien. Auf einer Hälfte seines Gesichtes zeigten sich noch ziemlich viele weiße Bartstoppeln, daraus schloss ich, dass er sich nicht gründlich rasiert hatte.

Er sagte: »Es geht um mein Haus. Es atmet.« Es klang wie eine Entschuldigung.

Ich lächelte und erwiderte: »Nehmen Sie Platz.«

Er setzte sich auf die Kante des Bürostuhls und leckte sich über die Lippen. Sein altes Gesicht wirkte freundlich und neugierig; so jemanden wünscht man sich als netten Großvater. Er war einer von dieser Sorte älterer Herren, mit denen ich gerne an einem Herbstnachmittag auf dem Balkon gesessen hätte, um eine ruhige Partie Schach zu spielen.

»Sie müssen mir nicht glauben, falls Sie es nicht wollen, junger Mann. Aber ich habe schon einmal angerufen und dasselbe berichtet«, betonte er.

Ich überflog die Liste auf meinem Schreibtisch. »Stimmt. Sie haben vergangene Woche angerufen, richtig?«

»Und die Woche davor.«

»Und Sie sagten der Kollegin, Ihr Haus würde …«

Ich hielt inne und sah ihn an und er erwiderte den Blick. Er beendete den Satz nicht und ich nahm an, dass er hören wollte, dass ich es aussprach. Ich lächelte bürokratisch knapp.

Mit seiner freundlichen, spröden Stimme sagte er: »Ich bin aus der alten Wohnung meiner Schwester in dieses Haus gezogen. Ich habe einige Sachen verkauft und konnte daher bar bezahlen. Es war ziemlich günstig. In der Mission Street habe ich schon immer leben wollen. Aber nun, also …«

Er senkte den Blick und fummelte an seinem Hutrand.

Ich griff nach meinem Kugelschreiber. »Können Sie mir bitte Ihren Namen nennen.«

»Seymour Wallis. Ich bin ein pensionierter Ingenieur. Hauptsächlich Brückenbau.«

»Und Ihre Adresse?«

»1551 Pilarcitos.«

»Okay. Und Ihr Problem ist Lärm?«

Er schaute wieder auf. Seine Augen zeigten die Farbe blasser Kornblumen, nachdem sie zwischen den Seiten eines Buches getrocknet worden sind.

»Nicht Lärm«, sagte er sanft. »Atmen.«

Ich lehnte mich in dem schwarzen Kunstledersessel zurück und klopfte mit dem Kugelschreiber gegen meine Zähne. Ich war hier im Gesundheitsamt wirklich an absurde Beschwerden gewöhnt. Es gab eine Frau, die kam regelmäßig vorbei, und sie behauptete, dass Dutzende Krokodile, die von Kindern in den 60er-Jahren die Toilette hinabgespült worden waren, wieder zurück in die Kanäle unter ihrem Apartment in Howard and Fourth geschwommen seien und jetzt versuchen würden, durch das S-Rohr raufzuklettern, um sie zu fressen. Dann gab es da noch den jungen Schwachkopf, der glaubte, dass sein Wasserboiler gefährliche Strahlen abgebe.

Aber, absurd oder nicht, ich wurde dafür bezahlt, dass ich freundlich zu diesen Leuten war, ihnen geduldig zuhörte und sie beruhigte, dass San Francisco weder Schwärme von Krokodilen beherberge, noch dass hier irgendwo grüne Kryptonit-Klumpen versteckt sind.

»Ist es vielleicht möglich, dass Sie sich irren?«, fragte ich. »Es könnte doch Ihr eigenes Atmen sein, das Sie hören.«

Der alte Mann zuckte kurz die Achseln, als wollte er sagen, dass dies wohl möglich sei, jedoch ziemlich unwahrscheinlich.

»Vielleicht strömt ja ein Luftzug durch Ihren Kamin? Manchmal bläst die Luft durch einen alten Schornstein herab und findet ihren Weg durch Risse in den Ziegelsteinen der Feuerstelle.«

Er schüttelte den Kopf.

»Gut.« Ich fragte weiter. »Wenn es nicht Ihr eigenes Atmen ist und auch kein Luftzug im Kamin, können Sie mir dann verraten, was Sie als Ursache vermuten?«

Er hustete und nahm ein sauberes, aber verknülltes Taschentuch heraus, um sich den Mund abzutupfen.

»Ich glaube, dass es Atmen ist«, sagte er. »Ich glaube, dass irgendein Tier in der Wand gefangen ist.«

»Hören Sie Kratzen? Füßegetrampel? Irgend so etwas?«

Er schüttelte wieder den Kopf.

»Nur Atmen?«

Er nickte.

Ich wartete, um zu erfahren, ob er noch irgendetwas erwidern wollte, aber das war offensichtlich nicht der Fall. Ich stand auf und ging zum Fenster, von dem aus ich auf das Apartmenthaus nebenan sehen konnte. An warmen Tagen sah man manchmal Stewardessen, die dienstfrei hatten und sich in knappen Bikinis auf dem Dachgarten sonnten. Heute war dort aber nur ein älterer mexikanischer Gärtner mit dem Umtopfen von Geranien beschäftigt.

»Falls in Ihrer Wand wirklich ein Tier eingeschlossen ist, dann kann es ohne Wasser und Nahrung nicht sehr lange überleben. Falls es aber nicht eingeschlossen ist, dann könnten Sie hören, wie es herumläuft«, sagte ich.

Ingenieur Seymour Wallis starrte seinen Hut an. Er war gar kein Spinner, sondern ein ziemlich redlicher, praktischer Mann, wurde mir bewusst. Sich auf den Weg hierher zum Gesundheitsamt zu machen, um seine Geschichte über das körperlose Atmen zu erzählen, musste ihn echte Überwindung gekostet haben. Er wollte bestimmt nicht als verrückt angesehen werden. Aber wer will das schon?

Ruhig, aber bestimmt sagte er: »Es hört sich an wie das Atmen eines Tieres. Ich weiß, so etwas ist nur schwer zu glauben, aber seit drei Monaten höre ich es jetzt, fast die gesamte Zeit, seitdem ich dort wohne, und es ist absolut eindeutig.«