Lieutenant Stroud riss seine Einsatzwaffe vom Gürtel der Hose und feuerte zweimal auf den monströsen Dämon. Aber Coyote schwang einen Arm in Strouds Richtung, der daraufhin durch den ganzen Raum geschleudert wurde und mit dem Rücken krachend an der Wand landete. Die Pistole schlitterte in die Masse aus zerbrochenem Glas.
Jim schrie: »John, halt ihn fest!« Aber ich wusste, dass es keine Möglichkeit gab, dieses Wesen zurückzuhalten, deshalb riss ich die Tür auf und schrie: »Sinnlos! Um Gottes willen, kommt hier heraus!«
George Thousand Names hielt die Hände schützend über seinen Kopf. Er stolperte so schnell er konnte aus dem Raum. Dr. Weston folgte ihm, dann Jim und ich. Der Polizist mit den blutenden Augen wollte Lieutenant Stroud helfen, aber der Dämon schlug wieder mit seinem Arm zu und der Polizist schrie auf und stolperte hilflos in Richtung Tür.
»Ich brenne!«, schrie er. »Holt mich heraus! Oh Gott! Ich brenne!«
Jim rannte auf ihn zu, aber der Polizist öffnete jetzt den Mund und – eine glühende Flamme leckte zwischen seinen Lippen hervor. Er brannte innerlich, sein Magen und seine Lungen brannten, und jedes Mal, wenn er um Hilfe schreien wollte, strömte die Glut der Flammen aus ihm heraus.
»John! Eine Decke! Hol mir eine Decke!«, rief Dr. Jarvis, aber es war zu spät. Der Polizist fiel gegen die Flurwand und rutschte auf die Knie, wobei er eine Spur brennenden Blutes an der Wand hinterließ. Dann fiel er in sich zusammen, blieb still vor unseren Augen liegen und zu unserem Entsetzen drangen die Flammen, die ihn innerlich verbrannten, jetzt langsam nach außen, züngelten, setzten seine Uniform in Brand und dann seinen gesamten Körper, bis er wie ein ritueller Selbstmörder lodernd vor uns auf dem Boden lag.
Aus dem Innern des Raumes drang ein weiterer heißer Luftzug. Wir hörten ein Brummen und Gestöhn, der Klang eines teuflischen Biestes, das entschlossen war, uns zu vernichten. Plötzlich, wie bei einem Wunder, tauchte Lieutenant Stroud im Türrahmen auf und rollte sich seitwärts auf uns zu. Er schnappte nach Luft wie ein überanstrengter Athlet. George Thousand Names und Dr. Jarvis knieten sich neben ihm nieder.
»Okay, ich bin okay«, sagte er und versuchte aufzustehen. »Mein Rücken ist völlig zerkratzt, aber ich glaube, ich bin okay. Um Himmels willen, lasst uns schnell hier verschwinden. Das Vieh dreht völlig durch.«
»Es dreht nicht durch. Das ist sein natürliches Benehmen«, sagte George Thousand Names. »Er wird uns vernichten und verschlingen, und wir können nichts dagegen tun.«
Lieutenant Stroud stand unter Schmerzen auf, seine Augen fest auf die dunkle Tür gerichtet, hinter der Coyote lauerte.
»Vielleicht können Sie nichts tun, Medizinmann, aber ich weiß, was ich tun werde. Das … das Ding darin hat uns den Krieg erklärt, und wenn es Krieg will, verdammt, dann soll es ihn bekommen!«
George Thousand Names griff nach dem Lieutenant und hielt ihn zurück. »Bitte, Lieutenant. Sie haben es hier nicht mit irgendeiner Kreatur aus dem Fernsehen zu tun. Bomben und Tränengas können Coyote nicht verletzen. Sie können nicht mehr als …«
Seine Worte gingen unter in einem Gebrüll, das das ganze Gebäude erzittern ließ. Türteile, Fetzen von Teppichen, Mörtelstücke und eine trockene, wilde Hitze, die nach Tieren und Tod stank, schlugen auf uns ein. Coyote drängte aus dem Zimmer, um sein Blut und sein Gesicht zu suchen, und er kam, um uns abzuschlachten. Es war Coyote, der Dämon des Zornes und der Angst!
5
Ich war fast bewusstlos. Ein Stück Holz des Türrahmens hatte mich an der linken Seite des Kopfes getroffen und anschließend hatten meine Beine unter mir nachgegeben. Ich lag an einer Seitenwand des Flures, eingehüllt in zerfetzten Teppichbelag, und mir kam es vor, als fiele die ganze Welt um mich herum auf mich herab. Der heiße Hurrikan brüllte und kreischte, Trümmerteile wurden emporgeschleudert und flogen durch den Korridor. Als Coyote auf uns zukam, hörte ich über allem ein Geräusch, als ob jemand in ein Rohr hineinschreien würde, das das Echo immer wieder zurückwarf; ein hoffnungsloses, verzweifeltes Schreien, das mich mehr erschreckte als alles andere.
Ich kniff zum Schutz gegen den glühenden Wind die Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen. George Thousand Names lag gegenüber an der Wand und Lieutenant Stroud hockte neben ihm. Jim stand etwas weiter entfernt; er hatte die Hände über seinem dünnen Haar verschränkt. Nur Dr. Weston sah ich nicht.
Dann schien sich die Luft selbst zu verdunkeln und aus dieser Dunkelheit heraus kam etwas, dass mit Bryan Corder und Dan Machin gar nichts mehr zu tun hatte. Es war eine gespenstische Erscheinung: ein Geist von unheimlicher Dichte, gebildet aus verrenktem Fleisch. Eine Art negatives Glühen umgab die Gestalt, ein Glühen aus düsteren Schatten oder glühender Leere. Sie glitt dunkel über den Korridor, der Knochenschädel lächelte grausig aus dem widerlichen Fleischumhang heraus.
Das Schreien wurde schriller und lauter, als Coyote vorüberschritt, aber da war noch ein anderes Geräusch, das seine Bewegungen begleitete. Es war das Klatschen von toter Haut, das mich an lose im Wind flatternde Teerpappe auf einem Dach erinnerte. Es war fast mehr, als ich ertragen konnte.
Das Geräusch und der Wind schienen für alle Ewigkeiten weiterzudröhnen, aber plötzlich, als ich den Kopf vorsichtig hob, wurde mir klar, dass Coyote an uns vorbeigegangen war, ohne uns zu verletzen. Ich hob den Kopf noch etwas mehr und schaute mich um. Der Dämon war verschwunden.
George Thousand Names flüsterte heiser: »Ich glaube, es ist vorbei, zumindest für eine Weile. Er sucht jetzt nach seinem Blut.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Lieutenant Stroud.
»Sonst hätte er uns getötet und mit viel Freude Dr. Weston vergewaltigt. Er braucht jetzt sein Blut, um leben zu können. Falls er es nicht innerhalb des Mondverlaufes in dieser Nacht bekommt, wird er wieder in die Unterwelt verbannt werden.«
Lieutenant Stroud stand an die Wand gestützt da und tastete über seinen Rücken. »Das ist die erste annähernd gute Nachricht, die ich heute höre. Wir müssen Coyote nur für 24 Stunden von unwissenden Zuschauern fernhalten und das ist dann das Ende.«
George Thousand Names wischte über seine Windjacke. »Ich fürchte, nein, Lieutenant. Was Sie auch tun werden, Coyote wird dafür sorgen, dass er sein Blut bekommt.«
»Was ist mit seinem Gesicht?«, fragte ich. »Sein Gesicht war auf dem Türklopfer.«
»Danach wird er auch suchen.«
»Aber ich habe Jane fortgeschickt, damit sie ihn holt.«
George Thousand Names starrte mich an, sein Gesicht wirkte sehr ernst. »Sie haben Jane fortgeschickt, um den Türklopfer zu holen? Sie haben das wirklich getan?«
Panik stieg in mir auf. »Ja, sicher, ich dachte nur, falls er sein Gesicht nicht findet …«
George Thousand Names sagte: »Großer Geist, behüte uns. Wenn Coyote sie mit dem Ding erwischt, dann wird sie keine Chance haben.«
Lieutenant Stroud trat näher und sah sehr ungeduldig aus. »Tut mir leid, die unheilvollen Warnungen zu unterbrechen, aber was meinten Sie mit dem Blut? Das Blut müsste doch jetzt in Redwood City unter Verschluss sein, richtig, Doktor? Wie soll Coyote es finden, wie soll er an es herankommen?«
»Oh, nun hören Sie schon auf, Lieutenant«, sagte ich ebenso gereizt. »Coyote hat gerade hier faustdickes Glas durchbrochen.«
»Sie habe ich nicht gefragt«, entgegnete Lieutenant Stroud scharf. »Ich fragte hier unseren Experten.«
»Die Antwort auf Ihre Frage ist, dass Coyote so etwas wie ein Hundemonster ist«, sagte George Thousand Names. »Er hat ein übernatürliches Gehör und einen übernatürlichen Geruchssinn. Die alten Legenden erzählen, dass Coyote in der Lage war, das Bärenmädchen durch zehn Speerlängen festen Felsen zu riechen, und er zerstörte dann die Höhle und den halben Berg, um sie zu finden. Das soll am Nacimiento Peak passiert sein, vor so vielen Jahren, dass selbst die Navahos sich nicht erinnern.«