Lieutenant Stroud schaute grimmig drein: »Danke für die optimistische Vorhersage.«
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte ich.
»Als Erstes werde ich die SWAT-Einsatztruppe alarmieren. Wir werden diese Kreatur finden, egal, was es ist. Dann verpassen wir ihm eine Dosis von dem, was es gerade an uns ausgeteilt hat.«
»Lieutenant«, unterbrach ihn George Thousand Names. »Ich dachte, Sie seien ein kultivierter Mann. Zumindest kultivierter als die meisten Polizisten.«
»Was wollen Sie damit unterstellen?«
Der alte Indianer schaute den Polizisten kalt und ruhig an. »Ihr kraftvolles Feuerpulver ist nutzlos. Würden Sie einen Fuchs mit einem Panzer jagen oder versuchen, einen Moskito mit einem Maschinengewehr zu töten? Coyote ist zu listig für Sie, Lieutenant, zu mächtig, zu gerissen. Sie müssen ihm eine Falle stellen, auf dieselbe Weise, wie die alten Götter es getan haben, indem Sie seine Lust und seine Eitelkeit reizen und ihn dazu beschwatzen, dass er Selbstzerstörung begeht.«
»Sie scherzen? In meinem Bericht über diesen Vorfall muss ich erklären, welche Maßnamen ich anordnete und weshalb ich es tat. Und ich kann mir vorstellen, was meine Vorgesetzten sagen werden, wenn sie lesen, dass ich die Lust und Eitelkeit des Mistkerls reizte und ihn beschwatzte, bis er Selbstzerstörung beging. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.«
Der Lieutenant ging in eines der nahe gelegenen Büros und griff nach dem Telefon. Er haute einige Male auf die Tasten und bekam endlich eine Verbindung. Während er Verstärkung anforderte, sah George Thousand Names Jim und mich an und zuckte die Achseln: »Einem Weißen können Sie nie etwas erklären.«
»Was ist mit Jane? Können wir etwas tun, um ihr zu helfen?«, fragte ich.
»Natürlich«, antwortete der Indianer. »Für uns beide ist es jetzt das Beste, wenn wir zu diesem Haus in der Pilarcitos Street fahren und es mit dem stärksten magischen Bann versiegeln, den wir kennen. Wenn er noch nicht dort ist, denn er wird auf jeden Fall versuchen, den Türklopfer zu stehlen und in den Besitz dieser Bilder vom Mount Taylor und Cabezon Peak zu gelangen.«
»Warum das?«, fragte Jim.
»Ganz einfach, er will das Haar haben, das er Big Monster abgeschnitten hat. Sobald er es findet, ist seine Unsterblichkeit gesichert. Dann werden wir nie mehr in der Lage sein, ihn zu zerstören oder zu verbannen.«
»In Ordnung«, sagte ich. »Worauf warten wir noch?«
Als wir das Krankenhaus durch die Vordertür verließen, fuhren gerade die ersten Lkw und Wagen der SWAT vor und Blaulicht heulte und zuckte durch die Nacht. Wir gingen schnell hinüber zum Parkplatz und stiegen in Dr. Jarvis’ Monte Carlo. Während Jim den Sitz zurückklappte, damit ich auf den Rücksitz kletterm konnte, schaute er zum Krankenhausdach hinauf: »Die Vögel, sie sind verschwunden.«
George Thousand Names schien das alles mit großer Ruhe hinzunehmen. Während er sich auf den Beifahrersitz begab, meinte er: »Natürlich. Sie sind Coyote gefolgt. Sie hängen wie eine Trauerwolke über seinem Kopf. Manchmal scheinen sie die Luft mit dickem Rauch zu erfüllen, manchmal sind sie nahezu unsichtbar. Vögel sind sehr seltsame und magische Geschöpfe, Dr. Jarvis. Sie haben eine übernatürliche Gabe, die die Menschen kaum verstehen.«
Jim startete den Wagen und wir fuhren aus der Krankenhausausfahrt auf die Straßen des mitternächtlichen San Francisco. Es war eine warme, neblige Nacht und die Lichter der Stadt glitzerten durch den Dunst, der kaum zu atmen war. Obwohl es schon spät war, fuhren heute am Samstagabend noch viele Autos herum, und Pärchen spazierten über die abschüssigen Straßen.
Während wir die 17th Street in der Nähe der Delores Street entlangfuhren, sah ich in einer Seitenstraße ein Mädchen in roter Bluse und weißen Jeans. »Jim, das ist Jane! Ich bin sicher, es ist Jane! Fahr zurück!«
Jim hielt am Bordstein und fuhr rückwärts. Ich schaute angestrengt durch das kleine Rückfenster, bis Jane in Sicht kam. Sie ging zielstrebig in Richtung Mission Street. Jim hupte und erst da blieb sie stehen, krauste verwundert die Stirn und kam auf uns zu.
Jim kletterte aus dem Wagen und ich quetschte mich hinter ihm ebenfalls hinaus. Ich ging um den Wagen herum, fasste Jane am Arm und hielt sie fest. Sie war blass, ihre Augen hatten einen feuchten, kurzsichtigen Blick, aber ansonsten schien sie okay zu sein.
»Jane, Jane, was ist los?«
Sie lächelte, aber irgendwie schien sie unkonzentriert.
»Nichts ist los«, flüsterte sie. »Überhaupt nichts ist los.«
»Aber warum hast du denn kein Taxi genommen? Was tust du hier?«
»Hier?«, fragte sie, wobei sie den Kopf hob und mich irritiert anschaute.
»Dies ist die 17th Street. Du solltest doch mit einem Taxi zur Pilarcitos Street fahren.«
Jane fasste sich an die Stirn, als ob sie sich zu erinnern versuchte. »Ach ja, Pilarcitos Street.«
Jim drückte mich freundlich zur Seite und untersuchte Jane kurz. Er hob mit seinem Daumen eines ihrer Augenlider und prüfte ihren Puls. Während er das tat, stand sie still und passiv da. Sie runzelte nur schwach die Stirn, ihre Augen starrten in irgendeine persönliche Ferne, von der ich keine Ahnung hatte.
»Ist sie in Ordnung?«, fragte ich. »Sie kommt mir vor, als ob sie unter einem Schock leidet.«
»Es könnte ein Schock sein«, antwortete Jim. »Andererseits könnte es aber auch eine Art Hypnose oder Trance sein.«
»Meinst du, Coyote …?«
»John, ich weiß nicht, was ich annehmen soll. Aber wichtig ist nur, dass sie in Sicherheit ist. Setzen wir sie in den Wagen und fahren in die Pilarcitos Street. Dann kann unser indianischer Freund hier das tun, was er tun muss, um Coyote aus dem Haus zu halten, und danach können wir Jane mit zurück ins Krankenhaus nehmen.«
George Thousand Names steckte den Kopf aus dem Wagenfenster. »Dauert es noch lange?«, fragte er mich. »Je schneller wir bei dem Haus sind, desto besser. Wenn Coyote es schon erreicht hat, dann haben wir keine Chance mehr.«
Jim und ich halfen Jane auf den Rücksitz des Wagens und fuhren weiter.
Als wir die kurvenreiche Straße hochfuhren, sah das Haus 1551 ebenso dunkel und düster wie bisher aus. Die Fenster ähnelten müden Augen und der schlechte Anstrich schien noch mehr abgeblättert zu sein. Jim fuhr langsam näher. Als wir vor dem Haus ankamen, stellte er den Motor ab und eine Minute lang blieben wir schweigend sitzen.
»Glauben Sie, dass Coyote drin ist?«, fragte ich mit unsicherer Stimme.
»Das kann man unmöglich sagen«, antwortete George Thousand Names. »Falls er da drin ist, dann werden wir es bald merken.«
»Wie?«
»Er wird uns töten.«
Jim wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Aber möglicherweise kann er auch nicht da sein, stimmt’s? Er kann noch immer auf der Suche nach Seymour Wallis’ Blut sein!«
»Natürlich.«
Ich sah Jim an und Jim sah mich an; »Tja«, meinte ich kleinlaut. »Wenn wir hier sitzen bleiben, passiert nichts.«
Wir stiegen aus dem Wagen und gingen herum, um George Thousand Names zu helfen. Jane blieb, wo sie war, still und wahrscheinlich unter einem Schock stehend. Wir drei überquerten den Bürgersteig und blieben vor dem Durchgang zu Haus 1551 stehen, schauten zu den dämmrigen Fenstern, unter denen die Farbe abblätterte.
»Ist der Türklopfer noch da?«, fragte George Thousand Names. »Ich kann es ohne meine Brille von hier aus nicht erkennen.«