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Er nickte.

Ich seufzte tief und frustriert, legte meine Hand auf die Schulter von George Thousand Names und sagte ruhig: »Warum überlegen wir nicht, George, wohin sie wohl gegangen ist? Vielleicht weiß Lieutenant Stroud etwas?«

»Sie haben doch die Nachrichten gehört. Die Polizei sucht ein medizinisches Monstrum, keinen indianischen Dämon. Jetzt hat sich Coyote bestimmt irgendwo verkrochen, wartet auf den Einbruch der Nacht und lacht uns alle aus. Besonders Lieutenant Stroud.«

»Meinen Sie, dass Coyote in Nummer 1551 ist?«

»Möglich. Wenn es ihm wirklich gelungen ist, herauszufinden, wo Big Monsters Haar versteckt ist, dann schätze ich, dass das sogar so gut wie sicher ist.«

Einen Augenblick saßen wir da und blickten uns an. Beide fühlten wir mit Schrecken die enorme Last, die wir uns auferlegt hatten. Wir mussten uns ja nicht einmischen. Wir konnten alles Lieutenant Stroud und der SWAT-Mannschaft überlassen und das nächste Flugzeug nach Honolulu nehmen. Aber irgendwie fühlten wir beide, dass Coyote seine Boshaftigkeit in unser Leben gebracht hatte und dass es deshalb nur einen Ausweg gab. Der führte allerdings nicht nach Hawaii.

»George«, sagte ich ruhig. »Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, Coyote auszutricksen? Hat er denn irgendwo eine schwache Stelle, wo wir angreifen können?«

George Thousand Names starrte auf den Teppich. »Ich dachte, das Halsband würde wirken, doch offensichtlich war das nicht der Fall. Vielleicht hat Coyote während seines langen Schlafes neue Kräfte hinzuerlangt. Sein einziger schwacher Punkt, so heißt es in der Legende, war das Bärenmädchen … Doch das ist keine echte Schwäche, denn die Bärenfrau war ihm immer treu ergeben.«

»Was ist mit Big Monsters Haar?«

»Das ist die größte Bedrohung überhaupt. Sobald er es findet, besitzt er die Stärke, die er braucht, und außerdem Unsterblichkeit. Wenn das passiert, dann können wir nur noch davonlaufen.«

»Angenommen, wir finden es vorher?«

Der Indianer zuckte die Achseln. »Selbst wenn uns das gelingen würde, könnten wir doch nicht viel damit anfangen.«

»Könnten wir es nicht selbst tragen? Würde es uns Kraft geben?«

George Thousand Names sah mich an, als sei ich völlig irregeworden. »Wenn ein Sterblicher versucht, den Skalp eines Riesen oder Dämonen zu tragen, dann wird er von dem zerstört werden, was er sieht. Mit anderen Worten: Solange er es überlebt, und das wäre nicht lange, würde er selbst zu einem Dämon werden. Das könnte sein Verstand aber nicht ertragen. So sagten es die Hualapai-Indianer.«

Ich griff nach einer weiteren Zigarette. »Okay. Wir machen uns wohl am besten auf den Weg nach Pilarcitos. Etwas zu tun, ist besser, als gar nichts zu tun.«

6

Wolken waren vom Ozean her aufgezogen und als wir die Mission Street erreichten, war der Tag, der so herrlich begonnen hatte, feucht und trüb geworden. Das Taxi setzte uns vor 1551 ab und mit einem Gefühl der Furcht standen wir auf dem abschüssigen Bürgersteig und blickten wieder auf das tote, marode Haus, das uns einfach nicht loslassen wollte.

George Thousand Names sagte: »Was gleich auch passieren wird, ich möchte, dass Sie meinem Wissen und meiner Erfahrung einfach vertrauen und tun, was ich Ihnen sage. Es könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.«

Ich lachte nervös. »Sie haben ja eine Art, die Dinge auszusprechen, dass selbst die ängstlichen Herzen ermuntert werden.«

Er sah mich prüfend an: »Sie tun einfach, was ich sage, ja?«

»Sie sind der Boss!«

Wir öffneten das quietschende Tor und gingen die Stufen zur Eingangstür hoch. Die Bruchstücke des Türklopfers waren verschwunden, obwohl man auf der alten grauen Lackierung noch erkennen konnte, wo er befestigt gewesen war, bis George Thousand Names ihn zerstört hatte. Irgendwie spürte man ihn noch. Das Wort »Rückkehr« war verschwunden.

Ich drückte gegen die Tür, aber sie schien verschlossen zu sein.

»Vielleicht hat die Polizei abgeschlossen«, sagte ich. »Die SWAT-Leute könnten irgendwann hier gewesen sein.«

Ich trat einen Schritt zurück und starrte nach oben. Das Haus wirkte grimmig und unter den dichten Wolken wie eine starre Fotografie. Es lag ein Gefühl in der Luft, dass etwas Dunkles und Unangenehmes passieren würde, und ohne es verhindern zu können, erschauerte ich.

Eine Sekunde lang schien in einem der oberen Fenster etwas zu flackern. Es war bleich und zeigte sich nur einen kurzen Moment. Aber ich krallte mich in George Thousand Names’ Schulter: »Ich habe etwas gesehen. Sie sind da drin. Ich schwöre es.«

Der alte Indianer schaute hoch in den Himmel und man hörte das Dröhnen eines Flugzeuges aus der Richtung des SF-International-Flughafens. »Es war nur eine Spiegelung von dem Flugzeug. Sie müssen sich nicht selbst verrückt machen.«

»George, da ist etwas im Haus.«

Er starrte mich an. Uns trennten 40 Jahre und zwei unterschiedliche Kulturen, und ich vermutete, dass diese Lücke sich niemals wirklich überbrücken lässt. Aber irgendetwas arbeitete zwischen uns, eine Art Vertrauen, und dafür war ich dankbar.

Wir näherten uns wieder der Tür. George Thousand Names streckte die Hand nach dem Griff aus. Er murmelte schnell einige Worte beim Ausatmen und vollführte mit der linken Hand drei Bewegungen; die Tür klickte und sprang auf. Drinnen herrschte die bekannte staubige, abstoßende Dunkelheit und ich roch wieder diesen faden Geruch, der mich bis zu dem Moment meines Todes an 1551 Pilarcitos Street erinnern wird. Der Indianer sagte: »Los«, und wir traten ein.

Zuerst überprüften wir die unteren Räume. Seymour Wallis’ Büro, das Esszimmer, die verlassene Küche. Im Wohnzimmer, durch die vorgezogenen Vorhänge in Düsternis getaucht, sahen wir die gespenstisch wirkenden Tücher, die zum Staubfangen über die Möbel geworfen worden waren, eine kupferfarbene Uhr still unter ihrer Glasglocke und einige Ölgemälde mit seltsamen Hetzjagden durch albtraumartige Landschaften, die jedoch so dunkel waren, dass es nahezu unmöglich war, Einzelheiten zu erkennen. Das Haus um uns herum war dermaßen still, dass wir den Atem anhielten und uns so leise wie möglich bewegten.

Wieder zurück in der Diele, blieb George Thousand Names stehen und lauschte angestrengt. Er runzelte die Stirn: »Hören Sie was? Irgendetwas?«

Ich stand still und horchte angespannt. »Nein, ich glaube nicht.«

»Ich spüre, dass wir beobachtet werden«, sagte er. »Wer immer es ist, was immer es ist, es weiß, dass wir hier sind.«

Wir blieben noch einige Augenblicke still stehen, schauten auf die alte Tapete mit all den hellen Flecken, wo die Bilder vom Mount Taylor und Cabezon Peak bis vor Kurzem noch gehangen hatten, aber das Haus blieb so still, dass ich zu glauben begann, wir hätten uns geirrt. Vielleicht war es leer und was ich am Fenster gesehen hatte, war wirklich nur die Reflexion eines Flugzeuges gewesen. Ich musste ein paarmal wegen des Staubes niesen und putzte mir schließlich die Nase.

Als ich mein Taschentuch in die Hose stecken wollte, schaute ich die Treppenstufen hinauf und erstarrte förmlich. Ein schmales Gesicht beobachtete mich von der obersten Stufe aus. Ein böses, haariges Gesicht mit rot leuchtenden Augen und einem Grinsen, so wölfisch und unheilvoll, dass ich mich nicht bewegen, nicht sprechen, nicht nach Georges Arm greifen konnte, um ihn zu warnen.

Es war der Türklopfer. Der lebendige Türklopfer. Er bestand wieder aus einem Stück und er war noch widerlicher und schrecklicher als zuvor.

George Thousand Names bemerkte plötzlich, dass ich die Treppe hochstarrte, und er schaute auch hin. Bevor er irgendetwas tun konnte, knallte es laut und der Türklopfer zersprang in matte Bronzestücke, die die Stufen herunterrollten, hopsten und klapperten.