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Ich hob eine Augenbraue.

»Was schlagen Sie denn vor, was ich sagen soll?«, fragte Wallis vorsichtig.

»Seien Sie einfach geradeheraus. Fragen Sie, was er will.«

»Oh, jetzt hör aber auf, Dan«, fuhr ich dazwischen. »Das ist lächerlich.«

»Nein, das ist es nicht. Wenn Mr. Wallis das Atmen hören kann, dann kann das, was immer da atmet, ihn vielleicht auch hören.«

»Wir wissen überhaupt noch nicht, ob das Atmen wirklich existiert.«

»Aber angenommen, es atmet etwas.«

Wallis erhob sich. »Ich vermute, dass ich Sie nur überzeugen kann, wenn Sie es selber hören. Warum trinken wir nicht ein Glas Scotch? Dann setzen wir uns eine halbe Stunde hierhin, falls Sie die Zeit haben, und lauschen.«

»Ja, das würde ich gern«, sagte Dan.

Wallis schlurfte aus dem Zimmer und kam nach einem kurzen Augenblick mit zwei Holzstühlen zurück. Wir setzten uns, steif und unbequem, während er wieder davonschlurfte, um die Flasche zu holen.

Ich beschnüffelte die stickige Luft. Es war heiß und muffig in dieser kleinen Bibliothek und ich wünschte mich jetzt zurück in mein Büro, ein kaltes Bier trinkend.

Dan rieb sich kribbelig die Hände. »Das wird noch ganz aufregend.«

»Glaubst du, dass wir es hören werden?«

»Sicher werden wir es hören. Ich sagte dir doch: Ich glaube an solche Sachen. Einmal schon hätte ich fast einen Geist gesehen.«

»Du hast ihn fast gesehen? Was soll denn das heißen?«

»Ich wohnte mal in einem alten Hotel in Denver und ging eines Nachts gerade in mein Zimmer zurück, als ich sah, wie das Zimmermädchen dort herauskam. Ich steckte meinen Schlüssel ins Schloss und es fragte mich: »Sind Sie sicher, dass Sie ins richtige Zimmer wollen, Sir? Da drinnen nimmt ein Gentleman gerade ein Bad.« Nun, ich überprüfte meine Schlüsselnummer und es war das richtige Zimmer, also ging ich hinein. Das Mädchen kam mit, um nachzusehen, und als ich ins Badezimmer kam, war da niemand, der ein Bad nahm, kein Wasser in der Wanne, nichts. Hotels werden gerne von Geistern heimgesucht.«

»Bestimmt, und das Gesundheitsamt gerne von Märchenerzählern.«

In diesem Moment betrat Wallis den Raum mit einem angelaufenen Silbertablett, auf dem eine Whiskykaraffe und drei Gläser standen. Er setzte es auf den Tisch und schenkte uns die Gläser großzügig voll. Danach nahm er auf seinem Stuhl Platz und nippte an dem Scotch, als prüfe er ihn, ob er vergiftet sei. Draußen in der Halle schlug eine Uhr, die ich vorher nicht gesehen hatte, zehnmal an: Bommm …

Bommm … Bommm … Bommm …

»Haben Sie etwas Eis, Mr. Wallis?«, fragte Dan.

Wallis schaute ihn verwirrt an, schüttelte dann den Kopf, »Tut mir leid. Der Eisschrank ist kaputt. Ich wollte ihn schon längst reparieren lassen, aber meistens esse ich auswärts, deshalb war es eigentlich noch nicht nötig.«

Dan hob sein Glas. »Also, dann auf das Atmen, wer immer es verursacht.«

Ich trank den warmen puren Scotch und verzog das Gesicht.

Wir warteten schweigend fast zehn Minuten. Es ist erstaunlich, wie viele Geräusche man macht, wenn man Whisky in völliger Stille trinkt. Nach einer Weile konnte ich das Ticken der Uhr draußen in der Vorhalle hören, sogar noch das entfernte Murmeln des Verkehrs auf der Mission Street. Und da war noch das Rauschen meines eigenen Blutes, das durch meine Gehörgänge zirkulierte.

Wallis unterdrückte ein Husten: »Noch etwas Whisky?«

Dan hielt sein Glas hin, aber ich sagte: »Falls ich noch mehr trinke, dann höre ich Glocken, aber kein Atmen.«

Wir lehnten uns wieder zurück und das Holz der Stuhllehnen knackte unangenehm.

Dan fragte: »Wissen Sie etwas über die Geschichte des Hauses, Mr. Wallis? Irgendetwas, was helfen könnte, diesem geheimnisvollen Atmer auf die Spur zu kommen?«

Seymour Wallis rückte nervös einige Sachen auf seinem Schreibtisch zurecht – Stifte, Brieföffner, Terminkalender – und schaute Dan mit demselben mutlosen Gesicht an, das er auch gemacht hatte, als er in mein Büro getreten war.

»Ich habe die Grundbucheinträge durchgesehen – sie reichen zurück bis ins Jahr 1885, als man das Haus gebaut hat. Der erste Besitzer war ein Samenhändler, danach hat es ein Schiffskapitän gekauft. Aber hier geschah nichts Ungewöhnliches. Kein Mord oder so etwas.«

Dan trank noch etwas Whisky. »Vielleicht hält sich der Atmer hier auf, weil er in diesem Haus glücklich war. Das passiert manchmal. Ein Geist spukt in einem Haus und versucht, sein altes Glück zu wiederholen.«

»Ein glücklicher Atmer?«, fragte ich skeptisch.

»Genau«, verteidigte sich Dan. »So etwas hat es schon gegeben.«

Wir schwiegen wieder. Dan und ich saßen ganz ruhig da, aber Seymour Wallis zappelte ein wenig und kratzte sich voller Unruhe. Die Uhr schlug die halbe Stunde und wir warteten weiter und hörten immer noch nichts. Das Schweigen des Hauses umgab uns und wurde durch keinen Laut gestört – in diesem Gebäude lebten seit mehr als hundert Jahren Menschen, doch nun stand es bewegungslos und still, kein Fensterladen rührte sich.

Ich stellte mein Whiskyglas auf eine Ecke von Seymour Wallis’ Schreibtisch. Er sah kurz auf und ich lächelte, aber er schaute zur Seite und biss sich auf die Lippen. Wahrscheinlich machte er sich Sorgen, dass es heute Abend nicht atmete und wir glauben würden, dass er entweder ein Lügner oder völlig verrückt sei.

Jetzt machte Dan: »Psssscht.«

Ich erstarrte und lauschte. »Ich höre nichts.«

Wallis hob seine Hand. »Es ist zuerst immer sehr leise, doch es wird dann lauter. Hören Sie.«

Ich spitzte meine Ohren. Man vernahm immer noch das Ticken der Uhr in der Halle, immer noch das Geräusch des Verkehrs. Aber da war noch etwas anderes, ja, so leise, dass wir angestrengt die Stirn krausten, als wir versuchten, es zu hören.

Zuerst klang es wie ein leises Flüstern, als wehe der Wind ein Stück Seide durch den Raum. Aber nach und nach wurde es lauter. Ich konnte nur noch Dan anschauen, um festzustellen, ob er auch hörte, was ich hörte, um sicher zu sein, dass es keine Selbsttäuschung war oder durch einen Luftzug verursachte Geräusche.

Es atmete. Langsames, tiefes Atmen, wie das Atmen eines Schlafenden. Es atmete ein und aus, ein und aus, als würden die Lungen endlos gefüllt und geleert – das Atmen von jemandem, der schlief und schlief und niemals den Morgen erleben sollte.

Jetzt verstand ich, warum Seymour Wallis Angst hatte. Dieses Geräusch, dieses Atmen, konnte einem eine eisige Gänsehaut verursachen. Es war das Atmen von jemandem, der niemals wieder aufwacht. Es hatte mehr mit dem Tod als mit dem Leben zu tun, und es ging immer weiter, lauter und lauter, bis wir unsere Ohren nicht mehr spitzen mussten, sondern einfach nur dasaßen und uns gegenseitig in Schrecken und Angst ansahen.

Es ließ sich unmöglich bestimmen, woher das Atmen kam. Es kam von überall. Ich sah mir sogar die Wände an, um ganz sicher zu sein, dass sie sich nicht bei jedem Atemzug bewegten. Wallis hatte recht. Das Haus atmete und es war nicht tot, wie wir zuerst geglaubt hatten, nein, es schlief.

Ich flüsterte: »Dan, Dan!«

»Was ist los?«

»Sprich zu ihm, Dan, wie du es vorhin gesagt hast. Frage, was es will!«

Dan leckte über seine Lippen. Überall um uns herum atmete es weiter, langsam und schwer. Einige Male glaubte ich, dass es aufhört, dann jedoch kam wieder ein tiefer Atemzug und noch einer, als ob es so schon mehr als hundert Jahre geatmet hätte und vermutlich immer so weiteratmen wird.