Dan hustete. »Ich kann nicht.« Seine Stimme klang rau. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Wallis selbst saß nur da, verkrampft und ruhig, zum ersten Mal an diesem Abend, seinen Whisky noch unberührt in der Hand.
Langsam, vorsichtig stand ich auf. Das Atmen veränderte sich nicht. Es war jetzt so laut, als läge ich dicht neben jemandem im Bett, der mir in der Dunkelheit sein Gesicht zugewandt hatte.
»Wer ist da?«, fragte ich.
Es kam keine Antwort. Das Atmen ging weiter.
»Wer ist da?«, fragte ich, jetzt viel lauter. »Was willst du? Sage uns, was du willst, und wir werden dir helfen!«
Das Atmen ging weiter, obwohl ich irgendwie meinte, dass es schroffer wurde. Es war jetzt auch schneller.
»Mach es nicht, um Himmels willen!«, bat Dan.
Ich ignorierte ihn und ging in die Mitte des Raumes. Laut rief ich: »Wer immer hier auch atmet, höre mir zu! Wir möchten dir helfen! Sage uns, was wir für dich tun können, und wir werden dir helfen! Gib uns ein Zeichen! Zeige uns, dass du uns bemerkst!«
Seymour Wallis sagte: »Bitte, ich glaube, das ist gefährlich. Lassen Sie uns einfach nur zuhören … Lassen wir es in Frieden.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wie können wir das? Dan glaubt an Geister und Sie sagen, dass es Ihnen Angst macht. Also, auch ich höre es, und wenn ich es hören kann, dann muss da irgendetwas sein, denn ich glaube nicht an Geister und bin auch nicht sonderlich verängstigt.«
Das Atmen wurde immer schneller. Es war immer noch das Atmen eines Schlafenden, aber eines Schlafenden, der träumt, oder eines Schlafenden, den Albträume quälen.
Wallis stand auf, sein Gesicht war verzerrt und blass. »Mein Gott, so laut ist es noch nie gewesen. Bitte, sagen Sie nichts mehr. Lassen Sie es in Ruhe, dann geht es wieder fort.«
»Wer auch immer hier atmet!«, rief ich heiser. »Wer immer auch da ist! Hör zu! Wir können dir helfen! Wir können dir helfen, dieses Haus zu verlassen!«
Das Atmen raste jetzt nahezu, keuchte, winselte. Seymour Wallis hielt sich vor Grausen die Ohren zu und Dan saß erstarrt auf seinem Stuhl, das Gesicht völlig blutleer. Bisher hatte ich keine Angst gehabt – aber das hier war Wahnsinn. Das war einfach eine Schauerfantasie.
Das Atmen steigerte sich mehr und mehr, als arbeite es sich auf einen Höhepunkt zu, den Gipfel einer grotesken Anstrengung. Jetzt war es das keuchende Atmen eines Läufers, der zu weit und zu schnell läuft, das Atmen eines Tieres in Panik. Und dann krachte es plötzlich, dass ich die Augen zukniff, und Dan Machin wurde runter von seinem Stuhl gerissen und durch den halben Raum geschleudert. Seymour Wallis kreischte wie eine Frau und fiel auf die Knie. Ich hörte irgendwo im Haus Glas klirren und Gegenstände prasselten und krachten zu Boden. Dann war es still.
Ich öffnete die Augen. Wallis hockte auf dem Boden, erschüttert, aber unverletzt. Doch um Dan machte ich mir Sorgen; er lag auf dem Rücken und bewegte sich nicht, sein Gesicht war unheimlich bleich.
Ich hob den Stuhl auf, kniete neben ihm nieder und tätschelte seine Wange. »Dan? Bist du in Ordnung? Dan!«
»Vielleicht rufe ich besser einen Krankenwagen«, bot Wallis an.
Mit einem Daumen schob ich eines von Dans Augenlidern in die Höhe. Der Augapfel zuckte, also lebte er noch, aber er musste eine sehr starke Gehirnerschütterung oder einen Schock erlitten haben – solche Sachen hatte ich in der Army aufgeschnappt.
Während Wallis im Krankenhaus anrief, deckte ich Dan mit meiner Jacke zu und schaltete das alte Heizöfchen ein, um ihn warm zu halten. Dan bewegte sich nicht, er zitterte nicht einmal. Er lag einfach flach auf dem Rücken, bleich und still, doch als ich dicht an seinem Mund horchte, konnte ich schwach sein Atmen hören. Ich schlug mehrmals auf seine Wangen, doch er rührte sich nicht.
»Sie werden gleich hier sein.« Wallis legte den Hörer wieder auf.
Ich hob den Kopf. Einen Augenblick lang glaubte ich, ich hörte das Atmen wieder, dieses leise, rasselnde Atmen. Aber es war Dan, er kämpfte ums Überleben. Das Haus selbst schien wieder in seinen alten, mysteriösen Schlaf zurückgekehrt zu sein.
Wallis kniete sich langsam und mühsam neben mich. »Haben Sie irgendeine Vermutung, was das war? Dieses Geräusch? Diese starke Kraft? Ich konnte es nicht glauben. So was ist bisher noch nie passiert.«
»Ich weiß nicht. Vielleicht wurde irgendein Druck freigesetzt – vielleicht gibt es hier so etwas wie einen Luftdruck, der ab und zu abgelassen werden muss. Verdammt, ich weiß nicht, was es gewesen ist.«
»Glauben Sie immer noch, dass es ein Geist ist?«
Ich sah ihn an. »Sie?«
Wallis überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. »Wenn es ein Geist ist, dann muss es ein verdammt mächtiger sein. Ich habe noch nie gehört, dass ein Geist Leute flachlegen kann.«
Er sah auf Dans bleiches Gesicht und biss sich auf die Lippen: »Glauben Sie, dass er wieder gesund wird?«
Was sollte ich antworten? Ich konnte nur in der staubigen Bibliothek knien, hilflos die Achseln heben und auf den Krankenwagen warten.
Als ich Dan am folgenden Morgen besuchte, saß er aufrecht in seinem Bett. Er hatte ein grün angestrichenes Privatzimmer erhalten, mit Aussicht auf die Bucht, und die Schwestern hatten Blumen ins Zimmer gestellt. Er war wohl immer noch blass und die Ärzte hielten ihn unter Beobachtung, aber er war wieder ganz fröhlich. Ich gab ihm die neue Ausgabe des Playboy und die Morgenausgabe des Examiner und zog mir einen der Besucherstühle ans Bett.
Er klappte den Playboy in der Mitte auf und warf einen schnellen, kritischen Blick auf eine Brünette mit riesigen Brüsten. »Genau das kann ich jetzt brauchen«, sagte er trocken. »Einen kurzen Adrenalin-Schock.«
»Ich dachte mir, das wirkt besser als Benzedrin. Und, wie geht es dir?«
Er ließ das Magazin sinken. »Ich bin mir nicht sicher. So allgemein fühle ich mich eigentlich okay. Nicht schlimmer, als hätte mir jemand mit einem Baseball-Schläger eins auf den Kopf gegeben …«
Er verstummte und sah mich an. Sogar hinter seiner Clark-Kent-Brille wirkten seine Augen ungewöhnlich winzig. Vielleicht lag das an den Medikamenten, die sie ihm verabreicht hatten. Vielleicht hatte er auch eine leichte Gehirnerschütterung. Jedenfalls sah er nicht mehr wie der Dan Machin aus, den ich gestern Abend zu einem Drink getroffen hatte. Er wirkte irgendwie leblos, als ob sein Mund zwar etwas sagen würde, doch er selbst an etwas völlig anderes dachte.
»Du wirkst verändert«, sagte ich. »Meinst du das vielleicht?«
»Ich fühle mich nicht wie ich selbst … Ich weiß nicht, was es ist, aber mir geht es irgendwie merkwürdig.«
»Hast du irgendetwas Seltsames während dieser Explosion bemerkt?«
Er zuckte die Achseln. »Ich erinnere mich gar nicht daran. Ich erinnere mich nur an das Atmen und wie es immer stärker wurde, aber was danach passiert ist, weiß ich nicht mehr. Ich habe das Gefühl, dass ich angegriffen wurde.«
»Angegriffen? Wovon?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Dan. »Es ist wirklich schwer zu erklären. Wenn ich es dir beschreiben könnte, würde ich es tun. Aber ich kann nicht.«
»Glaubst du immer noch, dass es ein Geist oder Gespenst war?«
Er strich sich mit der Hand durch die kurzen Haare. »Ich bin nicht so sicher. Es könnte so etwas wie ein Poltergeist gewesen sein, weißt du, diese Geister, die Gegenstände verrücken. Es kann aber auch ein Erdbeben gewesen sein. Vielleicht verläuft genau unter dem Haus eine Spalte.«
»Plötzlich suchst du wieder nach einer normalen Erklärung. Ich habe auch schon daran gedacht, aber die Zeitungen berichten nichts über ein Beben. Im Büro habe ich heute auch herumgefragt, aber niemand hat etwas bemerkt.«