Выбрать главу

»Ich bin George Thousand Names. Wer sind Sie?«

»John Hyatt. Und das ist Jane Torresino. Miss Torresino hat einen Termin mit Ihnen vereinbart.«

»Ich bin kein Zahnarzt«, sagte George Thousand Names. »Sie brauchen bei mir keinen Termin. Aber ich erinnere mich. Kommen Sie hoch.«

Wir kletterten die Stufen zur Terrasse hoch. George Thousand Names kam uns entgegen und schüttelte uns die Hand. Hier direkt vor uns stehend sah er noch kleiner aus, ein schmaler und zierlicher alter Mann, dessen Gesicht so zerfurcht und zerklüftet war wie das Blatt eines Kohlkopfes. Er stand jedoch kerzengerade da und strahlte eine innere Würde aus, die mich sofort spüren ließ, dass er ein besonderer Mann war. Um seinen Hals hingen Amulette und Halsketten, die uralt, mächtig und rätselhaft aussahen, aber er trug sie so natürlich, als seien sie nichts weiter als einfacher Schmuck. Um sein Handgelenk trug er eine Armbanduhr von Cartier, echtes Gold, das Ziffernblatt sah aus wie ein Tigerauge.

»Ihre Freunde in Sausalito haben kurz erwähnt, Sie wären besorgt über einige unserer Legenden.« George Thousand Names führte uns ins Haus. Wir traten in einen gemütlichen, eleganten Raum mit polierten Kiefernholzwänden, überall lagen indianische Teppiche und Kissen. Durch eine halb offene Schiebetür sah ich in eine moderne Küche mit Keramikspüle und Mikrowellenherd.

Jane schenkte George Thousand Names einen Tabakkrug, den sie an diesem Morgen in Healdsburg gekauft hatte. »Ich habe gehört, dass das so eine Art Tradition ist«, sagte sie. »Ich hoffe, Sie mögen Klompen Kloggen.«

George Thousand Names lächelte. »Ich weiß nicht, warum sich Weiße immer so rechtfertigen müssen, wenn es um Tradition geht«, erwiderte er. »Aber das ist wirklich eine gute Marke. Wollen Sie sich nicht setzen? Wie wäre es mit Kaffee?«

Wir setzten uns auf bequeme Kissen, die auf dem Boden lagen, während eine junge Indianerin, wahrscheinlich George Thousand Names’ Haushaltsgehilfin, Kaffee für uns zubereitete. Genau hinter George Thousand Names’ Schulter glitt die Sonne wie ein Speer durch das breite Fenster und umspielte sein bejahrtes Haupt mit einem strahlenden Heiligenschein.

»Sie beide haben etwas auf dem Herzen, was Sie sehr verwirrt«, begann er. »Sie fürchten, dass Sie nicht verstehen, um was es sich handelt, und dass es Sie beide vernichten könnte.«

»Woher wissen Sie das?«, fragte ich ihn.

»Ganz einfach, Mr. Hyatt. Es steht Ihnen in den Gesichtern geschrieben. Im Übrigen ist es sehr ungewöhnlich, dass Weiße sich an indianische Medizinmänner wenden und um Rat bitten, es sei denn, dass sie spüren, jede mögliche Erklärung, die ihnen ihre eigene Kultur bietet, erschöpft zu haben.«

»Wir sind nicht wirklich sicher, ob es etwas mit Indianer-Legenden zu tun hat, Mr. Thousand Names«, sagte Jane. »Es ist nur eine Vermutung. Aber je mehr wir darüber erfahren, je mehr Dinge passieren, desto mehr scheint es der Fall zu sein.«

»Erzählen Sie mir davon. Von Anfang an.«

Ich erklärte ihm, welchen Job ich bei der Gesundheitsbehörde habe und wie Seymour Wallis mich aufgesucht hatte, um mir über das Atmen in seinem Haus zu berichten. Dann schilderte ich, was Dan Machin zugestoßen war und anschließend Bryan Corder und dann Seymour Wallis selbst. Ich sprach über die Bilder des Mount Taylor und Cabezon Peak. Ich erwähnte auch die Bärenfrau, die inzwischen fehlte, und den Türklopfer mit dem grässlichen Gesicht.

George Thousand Names hörte sich das alles still und unbeweglich an. Als ich fertig war, hob er den Kopf. »Haben Sie eine Vorstellung, was Sie mir da beschreiben?«

Ich schüttelte den Kopf.

Jane sagte: »Aus diesem Grunde sind wir ja zu Ihnen gekommen – wir verstehen das alles einfach nicht. Ich arbeite in einem Buchladen, dort habe ich unter Mount Taylor nachgeschlagen und fand heraus, dass Big Monster irgendwie mit all diesen Geschichten verbunden ist, und der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte. Ich hätte nicht weiter darüber nachgedacht, aber es wurde dort erwähnt, dass der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, auf dem Pfad der vielen Teile zurückkommen wird. Irgendwie hat es da bei mir Klick gemacht. Ich kann nicht einmal erklären, weshalb.«

Das Indianermädchen brachte uns Kaffee in Keramikschalen und frische Pekannuss-Plätzchen. Sie schien ein psychisches Einfühlungsvermögen in meine innersten Gedanken zu haben, so wie George Thousand Names – wie sonst konnte sie meine Schwäche für Nussplätzchen kennen?

George Thousand Names sagte leise: »Jeder indianische Dämon hat einen geläufigen Namen und einen rituellen, genau wie die europäischen Dämonen. Zum Beispiel gab es die Eye Killers, über die man sagte, dass sie von der Tochter eines Häuptlings gezeugt worden wären, die sich selbst mit der Spitze eines bitteren Kaktus missbraucht hatte. Dann gab es, wie Sie schon erwähnten, Big Monster, dessen wahrer Name ganz anders lautete, und dann den Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte.«

Der Medizinmann schien seine Worte sorgfältig zu bedenken. Er biss mit seinen makellosen Zähnen in das Nussplätzchen und kaute eine Weile, bevor er weitersprach.

»Der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, war der schrecklichste und grausamste aller indianischen Dämonen. Er war schlau, listig und tückisch. Sein größtes Vergnügen war es, Hass und Verwirrung zu stiften und seine Lust an Frauen zu befriedigen. Der Grund, warum wir ihn den Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte, nennen, liegt darin, dass seine Spielchen und Gräueltaten in den Herzen der Menschen die ersten Gefühle von Wut und Rache auslösten.

Sie wissen vielleicht, dass es wohlwollende indianische Götter und böse indianische Götter gibt. Im Großen Rat der Götter saßen die bösen Götter mit dem Gesicht nach Norden und die guten mit dem Gesicht nach Süden. Der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, jedoch war so heimtückisch und bösartig, dass er von keiner Seite akzeptiert wurde und allein neben dem Ausgang saß. Er war der Dämon des Chaos und der Unordnung, und die Indianer erzählen manchmal, dass er, als man ihn in den frühen Tagen darum bat, bei der Anbringung der Sterne zu helfen, er seine eigene Handvoll Sterne nahm und sie an den Rand des Nachthimmels warf, und so hat er die Milchstraße geschaffen.«

George Thousand Names nippte an seinem Kaffee.

»Haben wir es damit zu tun? Mit diesem Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte?«, fragte ich.

Das Gesicht des Indianers verriet nichts. Er setzte seine Schale zurück auf die Untertasse und tupfte sich die Lippen sorgfältig mit einem sauberen Taschentuch ab.

»Nach allem, was Sie mir erzählt haben, Mr. Hyatt, ist das mehr als wahrscheinlich.«

Ich wusste nicht, ob er sich über mich lustig machen wollte. Da mir der trockene Humor der Indianer bekannt war, hätte es schon sein können. Ich sah ihn vor mir, wie er im ganzen Round Valley die Geschichte über die dummen Bleichgesichter erzählte, die den weiten Weg hierher unternommen hatten, um seinen Rat zu hören, und dass er ihnen feierlich etwas über einen Dämon erzählt habe, der die Sterne durchs Weltall warf, und wie die Weißen wieder abgebraust seien, im Glauben, gegen ein uraltes Phantom der Rothäute zu kämpfen. Ich sah sie vor mir, wie sie lachten und dabei all ihre verdammten Halsketten rasselten.

»Wahrscheinlich?«,fragte ich vorsichtig zurück. »Was ist bei einem Dämon denn wahrscheinlich?«

Er lächelte: »Ich spüre Ihren Verdacht. Aber ich versichere Ihnen, dass ich in keiner Weise hier ein Spielchen mit Ihnen treibe.«

Ich konnte nicht verhindern, dass ich errötete. Vor diesem Medizinmann hatte ich das Gefühl, einen Bildschirm auf der Stirn zu tragen, der jeden Gedanken von mir eins zu eins übertrug. Egal, wie sein Humor beschaffen sein mochte, er war ein wirklich kluger Kerl.

»Der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, war der einzige indianische Dämon, der den Tod besiegt hat. Er ist viele Male gestorben, manchmal aus verlogenem Liebesbeweis für eine Frau, manchmal infolge einer Strafe, die von den anderen Göttern verhängt worden war. Aber jedes Mal, bevor er in die Unterwelt musste, sorgte er dafür, dass die wesentlichen Dinge, die er brauchte, um zurück ins Leben zu kommen, in der Oberwelt versteckt waren. Sein Atem, sein Herz, sein Blut – und das Haar, das er Big Monster vom Kopf geschnitten hatte.«