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«Ich möchte Busch sprechen!«Braunfeld fühlte sich wie gegen den Bauch getreten. Und er sagte einfach» Busch«, respektlos, flegelhaft, rüde, wie von Kortte es nannte.

«Der Generaloberst ist beschäftigt«, antwortete er kühl.»Bitte fahren Sie weiter zum Alexander-Palais.«

«Sie werfen einen SS-Stab hinaus?!«Braunfeld holte tief Atem.»Herr von Kortte, das wird Folgen für Sie haben. Es wird dem Reichsführer-SS gemeldet werden! Ihre Behandlung e-ner kämpfenden Truppe ist unerhört! Sie hören noch von vorgesetzter Stelle.«

SS-Gruppenführer Braunfeld drehte sich um und stieg grußlos die Treppe hinunter. Was er an seinem Wagen zu seinem Stabschef sagte, konnte von Kortte nicht verstehen. Er sah nur, wie der SS-Offizier, ein Standartenführer, den Kopf in den Nacken warf, einen musternden Blick hinauf zu von Kortte warf und dann wieder in den Wagen stieg. Braunfeld folgte ihm. Zehn Minuten später war der Platz vor dem Säuleneingang wieder leer. Zurück blieb nur ein großer Ölfleck… einer der Wagen mußte ein Leck in der Ölleitung haben.

Michael Wachter stand noch immer neben der Eingangstür, als von Kortte den Palast wieder betreten wollte.

«Ich danke Ihnen, Herr General«, sagte er in seinem harten Deutsch, stockend und sichtlich bewegt. General von Kortte blieb erstaunt stehen.

«Wofür?«fragte er abgehackt und sah Wachter an.

«Sie haben die SS vom Schloß ferngehalten.«

«Das geht Sie nichts an!«Von Korttes Stimme wurde scharf. Er kniff die Augen zusammen, es sah aus, als ziele er auf Wachter.

«Es wären noch genug Räume frei, Herr General.«

«Das geht Sie überhaupt nichts an!«

«Bestimmt nicht.«

«Also, was wollen Sie?«

«Ihnen nochmals danken, daß Sie das Bernsteinzimmer gerettet haben.«

General von Kortte, der sich schon abgewandt hatte, um das Schloß zu betreten, drehte sich wieder um.»Das Bernsteinzimmer! Ist das der mit Holz verschalte Saal, in dem Sie immer herumsitzen?«

«Ja, Herr General.«

«Und die ganzen Wände sind aus Bernstein?«

«Alles, Herr General. Die Wände, die Figuren, die Girlanden, die Türumrahmungen, die Gemälderahmen, die Blumen und Zweige… alles aus Bernstein.«

«Donnerwetter!«Von Kortte war beeindruckt.»Das müssen Sie mir mal zeigen. Wie heißen Sie?«

«Michael Wachter.«

«Das ist ja ein deutscher Name.«

«Ich bin Deutscher, Herr General.«

«Und arbeiten bei den Bolschewiken?«

«Seit 225 Jahren, Herr General.«

«Donnerwetter!«Von Korttes Stimme gluckste vor Vergnügen.»Sieht man Ihnen gar nicht an, dieses Alter. «Er lachte über seinen eigenen Witz, nur drei Sekunden lang, dann wurde er wieder ernst.»In Kunstdingen bin ich ein Banause«, sagte er offen.»Bernsteinzimmer… habe ich noch nie gehört. Ist es in Kunstkreisen bekannt?«

«Es gehört zu den größten und wertvollsten Kunstwerken überhaupt. Es ist unersetzlich. So etwas wird es nie wieder geben.«

«Und da glauben Sie, daß man an maßgeblicher Stelle das nicht weiß? Daß Ihre Bretter noch einen Sinn haben… jetzt, wo Puschkin in unserer Hand ist und es auch für immer bleiben wird? Es wird nicht lange dauern, und eine Kommission von Kunstsachverständigen wird kommen, die Bretter wegreißen und Aha! und Oho! rufen. Man wird herumtelefonieren zum Führer, zu Reichsleiter Bormann, zu Außenminister von Rib-bentrop, zu Reichsmarschall Göring, zu Reichsleiter Rosenberg — kennen Sie überhaupt die Namen?«

«Nur Hitler und Göring, Herr General. Hier auf Puschkin lebten wir sehr für uns allein. Uns interessierte Deutschland kaum.

Wir hatten unsere Arbeiten im Schloß, die Pflege der vielen Räume, Möbel, Böden und Teppiche, die Ausbesserungen außen und innen, die Gärten… was ging uns an, was außerhalb des Katharinen-Palastes geschah?«

«Das ist ein weitverbreiteter Fehler, mit Scheuklappen herumzulaufen und nur in eine Richtung zu sehen. «General von Kortte ging zurück in die prunkvolle Eingangshalle mit ihren marmornen Figuren, der wunderschönen Treppe, den bemalten Stuckdecken und dem einzigartigen eingelegten Boden. Wachter folgte ihm dichtauf. Von Korttes Reden hatten ihn nicht beruhigt, im Gegenteil, seine Sorge hatte neue Nahrung bekommen und wuchs um sein Herz herum.

«Sie meinen, Herr General«, sagte er stockend,»daß Hitler oder Göring oder die anderen…«

«Ich meine gar nichts. «Von Kortte blieb wieder stehen und ließ Wachter um sich herumkommen.»Außerdem ist meine Meinung völlig gleichgültig. Es gilt allein die Meinung des Führers.«

«Was will Hitler mit dem Bernsteinzimmer?«

«Wenn es so einzigartig ist, wie Sie sagen, Wachter, stellt es eine wertvolle Kriegsbeute dar. Wir haben im Reich Museen genug, um es dort aufzubauen. Mann, Sie haben mein Interesse geweckt. Wann kann ich das Zimmer ohne die Verschalung sehen?«

«Ich werde morgen eine Vertäfelung freilegen lassen.«

«Sehr gut. «General von Kortte nickte, als zwei junge Offiziere durch die Halle rannten und dabei stramm grüßten.»Was ich noch fragen wollte: Wo ist das Personal des Schlosses geblieben? Sie waren doch nicht allein hier.«

«Geflohen, Herr General.«

«Vor uns geflohen?«Von Kortte zog die Stirn kraus.»Vor uns braucht doch keiner zu fliehen!«

«Die Frauen hatten Angst, daß sie vergewaltigt werden.«

«Von uns? Von unseren Soldaten?!«Die Stimme des Generals wurde laut und wirkte wieder wie zerhackt.»Ein deutscher Soldat ist ein ehrenhafter Mann! Wir sind doch keine Mongolen Dschingis-Khans! Ich wünsche, daß die Frauen zurückkommen und das Schloß weiter in Ordnung halten.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich von Kortte wieder um und stieg die Marmortreppe hinauf zu den Sälen„in denen sein Stab arbeitete. Für sich selbst hatte er den Chinesischen Saal ausgewählt, ein Prunkstück mit bemalten Wänden und Türen und geschnitzten asiatischen Möbeln. Der Fernmeldetrupp schien dafür keine Augen gehabt zu haben. In die Wände hatte man Klammern für die Telefonleitungen geschlagen und Löcher zu den Nebenräumen gebohrt. Hier waren die Dienststellen des Oberquartiermeisters, des Ia und des Ib und die Schlafzimmer der Stabsoffiziere.

Michael Wachter sah von Kortte nach und wischte sich mit der rechten Hand über sein Gesicht. Er wurde nicht klug aus dem General. Man konnte mit ihm reden, und plötzlich war er wieder zugeknöpft und eisig wie eine Marmorstatue. Wie's auch sei… er hatte nicht zugelassen, daß die SS das Schloß besetzte. Allein schon das war eine mutige und gute Tat, für die man ihm dankbar sein sollte.

Am nächsten Morgen war alles anders.

In der Nacht waren zwei Kompanien Infanterie von der Front zurückgekommen. Sie waren verdreckt, übermüdet, vom schnellen Vormarsch zermürbt. Neue, frische Kompanien hatten sie abgelöst. Nun nahmen sie im Schloß Quartier und belegten die noch freien Räume.

Wachter hatte sie nicht kommen hören, er schlief in seiner Wohnung im Nebentrakt, an deren Tür man ein Pappschild mit der Aufschrift Verwaltung genagelt hatte. Dadurch blieb er ungestört, konnte seine Wohnung behalten und wurde nicht belästigt. Erstaunt stellte er fest, welch ein kleines Wunder solch ein Schild hervorbringen konnte. Niemand kümmerte sich darum, was hinter der Tür geschah… das Schild allein genügte. Es war etwas Amtliches. Ein guter Deutscher hatte davor Respekt und keine Fragen mehr.

Als Michael Wachter zu seinem Bernsteinzimmer kam, blieb er zunächst betroffen stehen und starrte auf die herrliche Tür. Auch hier hatte man ein Pappschild aufgenagelt, bemalt mit einer groben Schrift. Belegt von 2. Kp. stand darauf, und man hatte einen derben zweizeiligen Nagel benutzt, um den Fetzen anzuheften. Der große Nagel saß mitten in den Schnitzereien und vergoldeten Girlanden.