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«Das haben Sie eben schriftlich gegeben, Herr Hauptmann. «Von Korttes Stimme war abweisend.»Ich habe es zur Kenntnis genommen.«

«Rittmeister, Herr General…«

«Wie bitte?«Der General hob die Augenbrauen, der Ton war wie vereist.

«Ich bin Rittmeister, Herr General.«

«Ist das nicht das gleiche wie Hauptmann?«Die Stimme wurde schroff und die Worte zerhackend.»Ihre Belehrungen habe ich nicht nötig. Ich war selbst Rittmeister, da ochsten Sie noch auf der Penne.«

«Ich bitte um Verzeihung, Herr General.«

«Schon gut. «Von Kortte winkte ab.»Eine Ordonnanz wird Sie durchs Schloß führen. Wo fangen Sie an?«

«Ich habe die Grundrißpläne bei mir. «Dr. Wollters klopfte gegen die lederne Aktentasche, die er unter dem Arm trug.»Beim Bernsteinzimmer.«»Das habe ich erwartet. «Von Kortte ging zum Telefon auf seinem Schreibtisch, drehte eine Nummer und sagte kurz:»Viebig, kommen Sie zu mir.«

Als hätte er vor der Tür darauf gewartet, trat sofort ein junger Leutnant ein.»Herr General?«fragte er in strammer Haltung.»Der Herr Rittmeister vom AA — «von Kortte betonte das Rittmeister besonders deutlich und genüßlich —»möchte zum Bernsteinzimmer und dann durch das ganze Schloß geführt werden. Begleiten Sie ihn.«

Dr. Wollters verabschiedete sich zackig mit einem Nicken, dem er den Hitlergruß hinzufügte. Es war für von Kortte das erste Mal, daß er einen Offizier damit grüßen sah und nicht mit der Hand am Mützenschirm. Er verkniff sich eine neuerliche Bemerkung, drehte sich um und wandte Dr. Wollters den Rücken zu. Es war ein stummer, aber deutlicher Hinauswurf. Michael Wachter saß auf einem Schemel im Bernsteinzimmer, als wollte er seinen Namen in die Tat umsetzen: er bewachte es. Notdürftig hatte er die Holz- und Pappverschalungen wieder geflickt, hatte den herrlichen Fußboden vom Sand befreit und gesäubert und hatte versucht, die Schmutzflecken von den Seiden- und Damastbezügen der Möbel zu entfernen. Jana Petrowna half ihm dabei. Sie war noch immer im Katharinen-Palast und wohnte bei ihrem zukünftigen Schwiegervater — falls Nikolaj die Belagerung Leningrads und den Krieg überlebte.

Vor kurzem hatte sie Wachter den Verband abgenommen. Er trug jetzt ein breites Pflaster auf dem Kopf, nachdem man ihm die Haare kreisrund wie eine Tonsur abrasiert hatte. Einige Witzbolde nannten ihn seitdem» Pater Michaelus «und baten um einen Beichttermin. Wachter machte das Spiel mit; die Hauptsache war, man fragte nicht mehr und sah ihn als Faktotum, als ein Teil der Einrichtung des Schlosses an.

Dr. Wollters blieb mitten im Saal stehen und sah sich um. Den Intarsienfußboden kann man ausbauen, dachte er. Die großen Bernsteintafeln, die Plastiken der Krieger und Göttinnen, vor allem die Masken der» Sterbenden Krieger «am oberen Vries, die, wie man vermutete, sogar von dem berühmtesten Bildhauer der damaligen Zeit, Andreas Schlüter, stammen sollten, waren ebenfalls ohne Schwierigkeiten abzutransportieren, nur die Deckengemälde bereiteten ihm einige Sorgen. Es würde äußerst schwierig sein, die bemalte Deckenschicht herauszuschälen.

Dr. Wollters kannte dieses Zimmer bis ins Detail, und das nicht nur von Fotos. Noch 1937 war er als Gast des Leiters des Städtischen Museums in Leningrad gewesen, hatte die Schätze in den Ausstellungssälen bewundert und war dann mit ihm hinaus nach Puschkin gefahren, zum Katharinen-Palast. Voll stummer Bewunderung, ja mit echter Ergriffenheit hatte er im Bernsteinzimmer gestanden und das goldene Farbenspiel auf sich wirken lassen.

«Guten Tag!«sagte Wachter laut.

Dr. Wollters, der grußlos ins Zimmer gekommen war, als hätte er den Mann auf dem Schemel nicht gesehen, warf einen Blick zur Seite, wie wenn er angespuckt worden wäre. Er erwiderte den Gruß nicht, sondern fragte hochmütig:

«Wer sind denn Sie?«

«Sie müßten mich kennen, mein Herr«, sagte Wachter und blieb auf seinem Schemel sitzen.

«Ich — Sie? Nicht daß ich wüßte. Woher denn?«

«Sie waren schon einmal hier. Mit dem Direktor der Leningrader Städtischen Sammlungen. War's 1937… ich weiß es nicht mehr genau. Aber ich habe Ihr Gesicht nicht vergessen.«»Behalten Sie all die Gesichter der Tausenden, die das Bernsteinzimmer besucht haben?«fragte Dr. Wollters und lächelte mokant.

«Nein. Nur wenige, aber Ihres ist dabei: Damals haben Sie gesagt: >Das ist das wundervollste aus Bernstein, das es auf der Welt gibt!< Fast genau an der gleichen Stelle wie jetzt standen Sie damals. Das habe ich nicht vergessen.«

«Sie sind hier einer der Museumsdiener?«

«Ich bin der Verwalter des Bernsteinzimmers. Mein Vorfahr Friedrich Theodor Wachter hatte diesen Auftrag von König Friedrich Wilhelm I. erhalten und ist mit dem Bernsteinzimmer zu Zar Peter I. nach Sankt Petersburg gekommen.«»Der letzte einer Dienerdynastie. Sieh an!«Dr. Wollters Hochmut schien ohne Grenzen.»Die Nachwelt wird Ihnen dankbar sein, daß Sie das Bernsteinzimmer so gut gepflegt haben.«

«Was geschieht jetzt mit dem Zimmer?«fragte Wachter. Die Arroganz von Dr. Wollters tropfte an ihm ab wie von einer Wachstuchhaut. Vielleicht hätte sein Vater Igor Ger-manowitsch an seiner Stelle zugeschlagen und diesen Herrn mit Faustschlägen aus dem Saal getrieben. Aber was brachte das? Nur Ärger, nur eine Verhaftung, lange Verhöre, eine Entfernung von Puschkin, eine Strafversetzung nach Deutschland, sogar an die Front konnte man ihn noch schicken mit seinen 55 Jahren, er war ja ein Deutscher… also war es klüger, den Demütigen zu spielen.

«Was geht Sie das an?«Dr. Wollters betrachtete wieder die Deckengemälde. Ohne Beschädigungen gelingt der Ausbau nie, dachte er. Man wird sie nachher vorsichtig restaurieren müssen. Im Notfall malt man sie nach den vorhandenen Detailbildern nach. Es gibt nun mal Grenzen, jeder Experte muß mir da recht geben.

«Ich habe die Verpflichtung, beim Bernsteinzimmer zu bleiben.«

«Kaum zu glauben, daß der Führer sich auch verpflichtet fühlt! Aber Sie können sich ja bewerben. Das ist nicht meine Sache. Nur mache ich Ihnen wenig Hoffnungen, daß man Sie nach Linz holt.«

«Das Zimmer kommt nach Linz?«fragte Wachter. Seine Stimme hatte jeden Klang verloren.

«Nach dem Endsieg. Es wird also nicht mehr lange dauern — «»Und wo liegt Linz?«

Dr. Wollters sah Wachter an, als habe ein Affe einen Grunzlaut von sich gegeben. Ja, war das denn die Möglichkeit? Der Kerl kannte Linz nicht? Gab's denn so was? Eine Art Analphabet bewachte einen der größten Kunstschätze der Welt?! So etwas war auch nur bei den Bolschewiken möglich.

«Linz liegt an der Donau«, sagte Dr. Wollters widerwillig.»Im früheren Österreich. Jetzt gehört es zum Großdeutschen

Reich. Haben Sie nicht mitgekriegt, daß der Führer seine Heimat eingegliedert hat? Haben Sie 1938 verschlafen? Linz wird einmal die Kunstmetropole dieser Welt sein. Der Führer plant Gigantisches. Aber warum erzähle ich Ihnen das… Sie begreifen es ja doch nicht.«

«Nein, ich begreife es nicht. «Wachter faltete die Hände im Schoß. Wie ein Stein legte sich die Sorge auf sein Herz.»Ich begreife vieles nicht.«

«Es scheint so. «Dr. Wollters drehte sich zu dem jungen Ordonnanzoffizier um, der an der offenen Tür wartete. In seinem Blick war zu lesen, daß er diesen Kunstexperten widerlich fand. Das Bernsteinzimmer interessierte Leutnant Viebig überhaupt nicht — es war die Art und Weise, wie Wollters sprach, die ihn abstieß. Eine durch und durch arrogante Sau, dachte er. Denkt, er sei etwas Besonderes, weil er vom AA kommt. Nicht zu hoch die Nase, Herr Rittmeister, es könnte hineinregnen.

«Gehen wir!«sagte Wollters zackig.»Die anderen Säle und die Keller. Meine Leute müssen eine Bestandsaufnahme machen. Erstaunlich, was die Russen hier zurückgelassen haben. «Er lachte abgehackt.»Wir waren ihnen zu schnell. Gott sei Dank, muß man da sagen — «