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«Was machen Sie hier?«fragte er schnarrend.»Sie sind Ihrer Aufgabe, auf das Zimmer aufzupassen, enthoben!«

Michael Wachter verzichtete darauf, mit Müller-Gießen über dieses Thema einen Streit anzufangen. Höflich erhob er sich von seinem Sitz und sagte:

«Ich soll Ihnen mitteilen, Herr Major, daß Schwester Jana nicht kommen kann.«

«Ach!«Müller-Gießen schnaufte durch die Nase.»Das kann sie mir nicht selbst sagen?«

«Dann wäre sie ja hier.«

«Und wo ist sie?«

«Das weiß ich nicht. Sie muß dringend in ein Lazarett, sagte sie.«

«In welches?«

«Das hat sie nicht gesagt. Ich habe auch nicht gefragt, sie war sehr in Eile.«

«Scheiße!«Müller-Gießen stampfte im Bernsteinzimmer hin und her, versuchte, seine Enttäuschung zu dämpfen, gab sich dann einen sichtbaren Ruck und verließ grußlos den Saal. Er fragte sich im Schloß durch, bis er den Oberstarzt im Stabe der Division gefunden hatte und bat um Auskunft.

«Wieviel Lazarette haben wir in Puschkin?«sagte er.

«In Puschkin selbst oder auch in der Umgebung?«

«Im näheren Gebiet, Herr Oberstarzt.«

«Oje! So aus dem Ärmel schütteln kann ich das nicht. Mit den zurückliegenden Hauptverbandsplätzen, Krankensammelstellen und Feldlazaretten könnten es im Gebiet um Puschkin mindestens neunzehn sein. «Der Oberstarzt sah MüllerGießen verwundert an.»Wozu wollen Sie das wissen?«

«Es geht mir darum, ob Lazarette in Schlössern eingerichtet sind, in denen sich noch wertvolle Kunstschätze befinden«, sagte Müller-Gießen glaubwürdig. Seine Enttäuschung wuchs. Neunzehn mindestens… unmöglich, sie alle abzuklappern und das Schwesterchen zu suchen. Jana hieß sie. Ein Name, so schön wie sie selbst. Jana, das paßte genau zu ihr. Jana…»Unsere Ärzte und Sanitäter interessieren sich für die Verwundeten, nicht für Gemälde oder Antiquitäten. «Der Oberstarzt wurde verschlossener. Müller-Gießen sah ein, daß es keinen Sinn hatte, noch mehr zu fragen. Vorbei, dachte er bitter. Vorbei, ohne daß es angefangen hat. Übermorgen mußte man weiter nach Petrodworez, wo der Sonderführer Dr. Hans-Heinz Runnefeldt den Neptunbrunnen ausbaute. Er hatte von der 18. Armee die nötigen Lastwagen bekommen… kein Kunststück, wenn es der Führer selbst befahl.

Müller-Gießen grüßte, sagte artig:»Danke, Herr Oberstarzt «und wandte sich aus dem Zimmer. Auf dem Flur sagte er wieder laut sein Lieblingswort:»Scheiße!«und verließ den Katharinen-Palast. Vor der Treppe parkte sein Wagen. Der Fahrer, ein Unteroffizier, las in der Soldaten-Illustrierten Die Wehrmacht, was Kriegsberichterstatter von allen Kriegsschauplätzen schrieben, fotografierten oder zeichneten. Er warf sie sofort auf den Nebensitz, als Müller-Gießen aus dem Schloß stürmte.

«Zurück zum Alexander-Palais!«schnarrte Müller-Gießen. Er ließ sich auf den Rücksitz fallen und lehnte sich zurück.»Nein… fahren Sie in die Stadt. Halten Sie auf der Bolschaja, dem Großen Platz. Aber flott, flott, ehe es ganz dunkel wird. «Die Nacht verbrachte er dann mit einem drallen Bauernmädchen, das er an der Straße nach Puschkin auflas. Sie regte ihn nicht sonderlich auf; sie lag da wie ein Brett, hatte die Augen geschlossen und erduldete den schwitzenden deutschen Offizier. Ein unbefriedigender Ersatzfick, so sah es auch Müller-Gießen. Er schenkte dem Mädchen drei Tafeln Schokolade, zwei Pakete mit Dauerkeks und eine kleine runde Blechkonserve mit Leberwurst. Das Mädchen war glücklich, küßte ihm die Hand und rannte dann davon. Nur deshalb hat sie's getan, sagte sich Müller-Gießen und wusch sich ihren Geruch vom Körper. Wie anders wäre das mit Jana gewesen. Wie himmelhoch jauchzend. Aber 19 Lazarette abklappern — ein Wahnsinn!

«Und morgen — «, sagte er laut ins Zimmer hinein,»organisiere ich zwanzig Lkws! Ich werde mit Küchler selbst sprechen!«

Es blieb ein frommer Wunsch. Generaloberst von Küchler

«Er ist weg«, sagte Wachter und rieb sich die Hände.»Mit Dampf vor der Nase wie ein wütender Stier. Der kommt nicht wieder.«

Jana Petrowna saß vor dem kleinen Radio, als Wachter zurück in seine Wohnung kam. Sie hatte den Ton ganz leise gestellt und sich zum Lautsprecher vorgebeugt. Sie hörte Radio Leningrad, die Aufrufe an die Bevölkerung, die Berichte von den Verteidigungsmaßnahmen und den Kämpfen an der Ringfront. Nichts wurde beschönigt oder verschwiegen. Die Einwohner von Leningrad wußten, was sie bei der Blockade erwartete: Hunger, Tod, Bomben und Granaten und im kommenden Winter das Erfrieren. Aber nie, nie würde man die Hände hochheben und sich ergeben. Leningrad blieb russisch. Sie schaltete das Radio aus, richtete sich auf und fuhr sich, wie immer, wenn sie innerlich erregt war, mit gespreizten Händen durch die Haare.

«Danke, Herr Wachter«, sagte sie gehorsam. Ihr war eher zumute, aufzuspringen, zu ihm hinzulaufen und ihm um den Hals zu fallen.

Drei Tage lang blieb Jana in Wachters Wohnung und traute sich nicht hinaus. Erst als es sicher schien, daß Müller-Gießen mit seinem» Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg«, ERR, nicht mehr in Puschkin herumschnüffelte, wagte es Jana, wieder als Rote-Kreuz-Schwester im Katharinen-Palast herumzulaufen. Wie erwartet: Sie fiel wieder niemandem auf. Keiner fragte, woher sie kam und was sie hier wollte. Man fragte nur, ob sie Zeit habe… Eine Menge Offiziere bemühte sich darum, ihr die langweiligen Abende zu vertreiben. Sie blieb standhaft bei aller Freundlichkeit und allem aufreizenden Lächeln, und so wurde sie zum Wettobjekt im Offizierskasino.

Wem gelingt es, das süße Schwesterchen ins Bett zu tragen? Wer wird der Sieger sein beim Sturm auf ihren Unterleib? Sie war doch nicht etwa noch unschuldig? Du lieber Himmel, was sind denn das für Ärzte, die solch einen Engel noch als Jungfrau herumlaufen lassen?! Kameraden, die Degen

heraus -

Am 28. September wechselte die Besetzung des Schlosses. General von Kortte verabschiedete sich von Wachter, als ließe er einen guten Freund zurück. Sein Armeekorps wurde in den östlichen Teil des Einschließungsringes verlegt. Dafür bezog der Stab des 50. Armeekorps den Katharinen-Palast.

«Ich wünsche Ihnen alles Gute«, sagte von Kortte zum Abschied.»Vielleicht sehen wir uns einmal wieder… irgendwo… Sie sind ja leicht zu finden. Wo das Bernsteinzimmer ist, sind auch Sie.«

«Wenn wir den Krieg überleben, Herr General. «Wachter schluckte, seine Stimme wurde unsicher.»Ich danke Ihnen für alles. Wenn Beten hilft, dann werde ich für Sie beten. Vielleicht wacht Gott auf… jetzt schläft er…«

«Sagen Sie das nicht so laut, Wachter, das ist Defätismus. Wehrkraftzersetzung. Das wird mit dem Tode bestraft. Denken und reden Sie nur vom Endsieg, dann überleben Sie. Das Bernsteinzimmer braucht Sie doch. «Von Kortte klopfte Wachter auf die Schulter.»Sie haben keine Kinder, keine Erben?«»Nichts, Herr General. «Wachter versuchte ein kumpelhaftes Grinsen.»Aber es ist noch nicht zu spät… bin ja erst fünfundfünfzig Jahre alt.«

«Beeilung, mein Lieber, Beeilung!«Von Kortte lachte und gab Wachter noch einmal die Hand.

«Und wer kommt jetzt hierher, Herr General?«

«Das 50. Korps. Kommandeur General Jobs von Haldenberge.«

«Kennen Sie ihn?«

«Mehr oder weniger. Mit ihm kann man reden. Ich werde ihn auf Sie hinweisen. Ein ernster, aber angenehmer Mann. Sie werden ihn von dem Bernsteinzimmer überzeugen können, bei mir haben Sie's ja auch geschafft…«

Am Abend traf die lange Kolonne des Stabes des 50. Armeekorps beim Katharinen-Palast ein. General Jobs von Haldenberge bezog wie von Kortte das Chinesische Zimmer. Sein Schlafzimmer schlug er im Schlafraum von Katharina II. auf. Ein Zimmer, das ein kleines Heer von Liebhabern der Zarin gesehen hatte und dessen Wände, könnten sie sprechen, von ungeheuren Liebesräuschen erzählen würden.