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«Sehr schön«, sagte Dr. Findling. Sein Kopf brummte, der Magen wehrte sich massiv gegen den Kognak. Gauleiter, dachte er würgend, wenn ich Ihnen gleich auf den Teppich kotze, sind Sie allein schuld. Was Kochs Mitteilung bedeutete, begriff er noch nicht.

Koch blinzelte seinem Intimus Wellenschlag zu, der sich in einem der tiefen Sessel räkelte.

«Nummer zwei«, rief Koch und rieb sich die Hände.»Ich war in der >Wolfsschanze< und habe mit Bormann gesprochen. Ich habe ihm erzählt, wo der beste und sicherste Aufbewahrungsort für das Bernsteinzimmer ist, bis es der Führer nach dem Endsieg in Linz ausstellt. Es gehört dorthin, wo es geschaffen worden ist, und Bormann hat das eingesehen: nach Königsberg. Hier in das Schloß! In Ihre Hände, Dr. Findling!«

Findling starrte Gauleiter Koch entgeistert an. Seine Magenschmerzen waren wie weggezaubert, sein Hirn war frei, der Alkohol verflüchtigte sich wie leichtes Gas.

«Mein Gott…«stammelte er.»Zu mir… mein Gott…«

«Was soll Gott dabei?«Koch wedelte mit beiden Händen durch die Luft, als verscheuche er einen Schwarm Wespen.»Der hat uns nicht geholfen. Ich habe es geschafft! Wie erwartet. Ich!«

«Es ist großartig, Gauleiter«, sagte Wellenschlag. Er kannte Kochs Eitelkeit nur allzu gut. Sie nicht zu pflegen, kam einer Art von Selbstmord gleich.»Einfach großartig! Da werden die anderen von Berlin bis Berchtesgaden aber spucken!«Er applaudierte sogar, der treue Bruno Wellenschlag, als habe Koch gerade eine Wagner-Arie beendet.

«Wann?«fragte Dr. Findling. Er mußte sich setzen. Diese Nachricht ging ihm in die Knie.»Wann, Herr Gauleiter?«

«Sie sind schon unterwegs. 18 Lkws, mit meinen besten Fahrern. Von Pleskau sind die Kunstexperten des Einsatzkommandos >Hamburg< des AA unterwegs, dem der Führerauftrag zugeteilt wurde. Rittmeister Dr. Wollters und Sonderführer Dr. Runnefeldt werden die Aktion leiten. Der Kommandeur des 50. Armeekorps, General von Haldenberge, wird uns so viel Hilfskräfte zur Verfügung stellen, wie wir brauchen. In spätestens 14 Tagen werden wir das Bernsteinzimmer hier im Schloß empfangen…«Koch goß sich auf diesen Triumph noch einmal den Kognakschwenker voll und leerte ihn in einem Zug, ohne Luft zu holen oder zu spucken.»Was sagen Sie nun, Dr. Findling?«

«Nichts — «

«Nichts?!«

«Ich kann nichts mehr sagen, Herr Gauleiter. Ich bin zu überwältigt. «Findling meinte es ehrlich. Der Gedanke, in 14 Tagen den größten Bernsteinschatz in seinem Schloßmuseum zu beherbergen, drückte ihm fast die Luft ab.»Ist es nicht möglich, daß ich auch nach Puschkin fahre?«

«Unzweckmäßig wäre das. Ausbau und Tränsport sind militärische Aktionen, so ist es mit Generaloberst von Küchler abgesprochen. Schon wegen Rosenberg. Der liegt auf der Lauer wie der Teufel auf eine Kardinalsseele. Erst wenn das Bernsteinzimmer in Königsberg ist und bei Ihnen abgeladen wird, legen wir die Hände drauf. «Erich Koch begann im Zimmer hin und her zu wandern, die Hände auf dem Rücken verschränkt.»Sie sollten sich bis dahin überlegen, wo Sie das Zimmer wieder aufbauen können.«

«Es kommt dafür nur ein Raum im dritten Geschoß des Südflügels in Frage. «Dr. Findlings Stimme schwamm noch immer. Sein klopfendes Herz war kaum zu beruhigen.»Wenn man eine Wand herausnimmt, könnte er die ungefähren Maße von Puschkin haben.«

«Und was ist jetzt darin?«

«Der Raum gehörte zur Gemäldegalerie. Wir stellen dort Werke von Liebermann, Modersohn-Becker und Corinth aus.«»Entartete und jüdische Kunst!«fügte Wellenschlag eilfertig hinzu.»Sogenannte Kunst, Gauleiter, eine Schreckenskammer.«

«Raus damit!«Koch stieß den rechten Zeigefinger wie einen Dolch auf Dr. Findling.»Wieso gibt es diese Schmierereien überhaupt noch? Warum sind sie nicht verbrannt worden?«»Auch im >Haus der Deutschen Kunst< in München gibt es einen Saal mit entarteter Malerei und Plastik. Auf Wunsch des Führers. Zur Abschreckung und zur Bildung einer gesunden völkischen Kunst. Man kann gute Kunst nur erkennen im Vergleich mit solchen Auswüchsen.«

«Dr. Findling, das ist wahr. «Koch nickte mehrmals.»Der Führer sieht das richtig. Er war ja selbst ein Künstler. Hat auch gemalt. Also, was machen Sie mit den jüdischen Schmierern?«

«Sie kommen in den Keller, Herr Gauleiter. «Dr. Findling atmete auf. Das ging knapp an einer Katastrophe vorbei, dachte er. Koch hätte alles verbrennen lassen können. Ein Glück, daß mir die Sache mit Hitler einfiel. Man sollte sich in kritischen Situationen immer auf ihn beziehen. Eine bessere Rückendeckung gibt es gar nicht.

Koch blieb abrupt vor Dr. Findling stehen und zog das Kinn an. Dadurch bekam er ein Doppelkinn, was dem Gesicht eine trügerische Gutmütigkeit verlieh.

«Sie werden einen Zeitungsartikel schreiben, Doktor«, sagte er.»Die Rückkehr des Bernsteinzimmers in seine Heimat.«»Wie Sie wünschen, Herr Gauleiter. «Dr. Findling war bereit, schier alles zu tun, wenn diese Kostbarkeit in das Schloßm u-seum kam. Es war der Höhepunkt seines Lebens, ein erfüllter Traum, ein wahrgewordenes Märchen. Er stellte sich den Augenblick vor, in dem er mit seinen Händen über die leuchtenden Bernsteinmosaiken, Figuren und Girlanden streicheln würde. Welch ein ungeheures Gefühl! Es machte ihn wieder atemlos.»Man soll es nur vorsichtig ausbauen, ganz vorsichtig… mit Gefühl, wenn man so sagen darf.«

«Dafür wird Dr. Runnefeldt schon sorgen. «Gauleiter Koch ließ sich in einen Sessel fallen und streckte die Beine von sich. Diesmal war er in Uniform, trug weitausladende BreechesHosen, seine Reitstiefel glänzten wie Lackleder.»Reichsleiter Bormann konnte keinen Besseren empfehlen.«

«Soll das Bernsteinzimmer denn ausgestellt werden?«Dr. Findling hielt Wellenschlag sein Glas hin. Jetzt war der Alkohol wie Medizin für ihn. Ein inneres Feuer nahm von ihm Besitz.»Soll es der Öffentlichkeit zugänglich sein?«

«Warum nicht?«Koch zog die Augenbrauen hoch.»Dafür holen wir es doch! Erst Königsberg, später Linz… wenn es mir nicht gelingt, den Führer umzustimmen und es in Königsberg zu lassen. Als Symbol des >deutschen Goldes<.«

Die alte Weisheit, daß Diebe mit ihrer Beute niemals prahlen, galt nicht mehr. Die Eroberer waren stolz auf ihre Raubzüge, jeder sollte ihre Beute sehen und bewundern. Das Volk der Sieger durfte begeistert sein.

Räuber-Ehre.

Wer zweifelte jetzt noch am Endsieg?

Nur Wehrkraftzersetzer… und die richtete man hin.

Am 1. Oktober traf die kleine Kolonne des Außenministeriums des» Einsatzkommandos Hamburg «in Puschkin ein. Den Weg zum Katharinen-Palast kannte man ja, hielt vor der Freitreppe und stieg etwas lahm von der langen Fahrt und unter Recken und Kniebeugen aus den Wagen. Koffer wurden ausgeladen und in einer exakten Reihe neben die Treppe gestellt.»Da sind sie…«sagte Michael Wachter. Mit Jana Petrowna stand er am Fenster eines kleinen Zimmers, das mit weißem und blauem Email verziert war und das man die» Tabaksdose «nannte. Das einzige Möbelstück, das in dem Zimmer stand, war ein großer, überbreiter orientalischer Diwan. Auf ihm, wie auch nebenan im Schlafgemach, hatte Zarin Katharina II. ihre Liebhaber empfangen und mit ihrer unersättlichen Wollust ausgesaugt. Hinterher wurde geraucht… und deshalb hieß das kleine Zimmer» Die Tabaksdose«.

«Tatsächlich. Dr. Wollters ist gekommen«, sagte Jana.»Verstecken muß ich mich jetzt. Nicht sehen darf er mich. Sein

Blick ist so merkwürdig.«

«Warten wir es ab, Jana. «Wachter beobachtete das Ausladen der Wagen. Ein Ordonnanzoffizier von General von Haldenberge war aus dem Schloß gekommen und sprach mit einem Mann, der eine SS-Uniform trug mit silberglänzenden Schulterstücken, die schmäler waren als die üblichen Offizierslitzen.»Das muß Dr. Runnefeldt sein«, sagte Wachter und verkrampfte die Finger ineinander.»Was… was hat die SS damit zu tun? Ich denke, sie kommen vom Außenministerium? Jana, das sieht böse aus — «