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«Was hast du vor, Väterchen?«Ihre dunklen Augen suchten in seinem Gesicht nach einer Regung, aber es war wie eine starre, unbewegliche Maske.»Du kannst nichts mehr tun…«

«Ich werde Ihnen helfen«, sagte Wachter dumpf.

«Helfen, Väterchen?«

«Beim Abnehmen der Vertäfelungen werde ich ihnen helfen. Beim Einpacken, beim Verladen… nichts darf mehr beschädigt werden. Es ist schon genug zerstört worden.«

«Wenn sie dich noch an das Zimmer lassen…«

«Mit Dr. Runnefeldt werde ich sprechen. Der General sagt, er hat mehr zu sagen als Rittmeister Wollters. «Er blickte wieder hinunter auf die Wagen und starrte auf den Mann in der SS-Uniform. Der hatte die Beine etwas gespreizt, den Kopf in den Nacken gelegt und betrachtete die herrliche Fassade des Palastes. Man sah ihm an, daß er von diesem Anblick überwältigt war.»Ich glaube, mit ihm kann man sprechen. Er hat gute Augen.«

«Ein SS-Offizier…?«

«Es gibt auch Tiger, die man streicheln kann. «Wachter trat vom Fenster der» Tabaksdose «zurück.»Ich gehe hinunter und begrüße sie. Alle müssen wissen, daß ich genauso zum Bernsteinzimmer gehöre wie eine der geschnitzten Rosen oder Rosetten.«

Wachter zog seinen Rock an, streichelte der bleichen Jana Petrowna über das nervös zuckende Gesicht und verließ schnell das kleine Email-Zimmer.

General von Haldenberge hatte unterdessen die Herren vom

AA empfangen, überflog kurz ihre Legitimationen und bot ihnen Platz auf den mit kostbaren Perlmuttbildern verzierten chinesischen Stühlen.

«Sie wurden mir schon vom Armeestab angekündigt«, sagte er.»So schnell habe ich Sie nicht erwartet. Sind Sie auf einer Kanonenkugel wie weiland Münchhausen geritten?«

Dr. Runnefeldt lachte. Dr. Wollters verzog keine Miene. Er, der Humorlose, sah darin gar keinen Witz, eher eine perfide Anspielung auf seinen Titel Rittmeister. Erst dieser von Kortte, jetzt dieser von Haldenberge… ausgerechnet in der Generalität gibt es eine Menge solcher Typen!

«Jeder Tag ist wichtig!«sagte er deshalb mit dem gebotenen Ernst.»Puschkin liegt im Kampfgebiet, da kann allerhand passieren.«

«Wie wahr und scharf beobachtet. «Von Haldenberge bot Z-garetten an. Wollters lehnte ab, Dr. Runnefeldt griff mit geradezu süchtiger Gier zu.»Wo geschossen wird, kann was passieren. «Der Spott war so dick, daß Wollters sich wie verhöhnt vorkam.»Sie fangen sofort an?«

«Ja. Morgen schon, Herr General.«

«Wieviel Hilfskräfte brauchen Sie?«

«Ein paar nur. «Dr. Runnefeldt rauchte drei tiefe Züge, inhalierte den Rauch und stieß ihn dann stoßweise aus.»Zuviel stehen sich im Weg. Sechs, höchstens zehn Mann. Männer mit Gefühl in den Händen. Das ist eine diffizile Arbeit. Da braucht man Fingerspitzengefühl. Vielleicht haben Sie sogar Künstler in ihrer Truppe?«

«Das läßt sich feststellen. Auch in den Lazaretten lasse ich nachfragen. Bestimmt haben wir Künstler hier. Es wird aber länger als einen Tag dauern.«

Wollters wollte schon fragen, wieso man mehr als einen Tag dafür brauchte, aber Dr. Runnefeldt schnitt ihm vorher das Wort ab.»Wir werden uns unterdessen mit dem Bernsteinzimmer befassen und die Verkleidungen entfernen lassen. Dazu brauchen wir keine Fachleute. «Er warf einen schnellen Blick zur Seite.»Sie wollten auch etwas sagen, Herr Rittmeister?«»Nein!«Wollters schob das eckige Kinn vor. Er war beleidigt. Was bildet sich dieser Sonderführer ein, dachte er wütend. Sonderführer… noch nicht mal ein Offizier! Ein neugeschaffener Dienstgrad, um auch ewige Zivilisten in die Ehre zu versetzen, eine Uniform zu tragen. Eine Beleidigung für jeden Offizier. Für jeden ehemaligen Kadetten. Und so einer will hier kommandieren? Spielt sich auf und bläht sich wie ein Puter?! In der Tasche schleppt er einen Führerbefehl herum — wenn schon, das berechtigt ihn zwar zu Aktionen, die von oberster Stelle abgesegnet sind, aber es berechtigt ihn nicht dazu, einen Rittmeister wie einen Stallburschen zu behandeln.

Eine Ordonnanz brachte auf einem Tablett Kaffee und Gebäck. Silberne Kannen, zartes Meißner Porzellan, blanke silberne Bestecke. Besitz der Zarin Elisabeth… die Zimmer waren voll davon.

Dr. Wollters nahm seinen Kaffeelöffel und führte ihn an die Augen. Dann drehte er die Tasse herum und sah die gekreuzten Schwerter. Wirklich, echtes altes Meißen.

«Und die Kannen stammen aus der besten Silberschmiede von Petersburg«, sagte von Haldenberge mokant und klemmte sein Monokel ins Auge.»Sie sollen schon Zar Peter dem Großen gehört haben.«

Geht auch mit, dachte Dr. Wollters, ohne auf die Bemerkung des Generals einzugehen. Alles geht mit: die Ikonen, das Silber, die Edelsteinsammlung, die aus Gold, Bergkristall und Edelsteinen hergestellten Kronleuchter in den Prunksälen. Nichts bleibt hier. Mein lieber General, ich weiß genau, welch ungeheuren Schätze noch im Katharinen-Palast lagern. Nicht einmal Dr. Runnefeldt weiß das, und das beruhigt. Drei oder vier der ältesten und besten Ikonen werden einmal in meinem Arbeitszimmer hängen… und ich werde mich noch nicht einmal schämen.

Er wurde aus seinen angenehmen Gedanken aufgeschreckt, als er von Haldenberge sagen hörte:»Eine Ordonnanz wird Sie zu Herrn Wachter bringen.«

«Wer ist Wachter?«fragte Dr. Runnefeldt erstaunt.

«Ein Spinner. «Dr. Wollters winkte lässig ab.»Er wartet das

Bernsteinzimmer… seit über 200 Jahren, wie er sagt. Familientradition. Benimmt sich, als sei er der Besitzer. Auf ihn können wir verzichten.«

«Ich möchte ihn trotzdem kennenlernen. «Dr. Runnefeldt e-hob sich und drückte seine Zigarette in einem vergoldeten Aschenbecher aus. Er gehörte einmal dem Zaren Alexander II.»Vielleicht kann er uns Ratschläge geben?«

«Ratschläge? Ein Museumsdiener, ein Lakai — «sagte Wollters hochmütig.

«Ich bin für jeden Ratschlag dankbar. Ein Museumsdiener weiß manchmal besser Bescheid über die ihm anvertrauten Kunstschätze als ein Museumsdirektor. Ich hatte mal einen SaalWachter, der hat sogar eine Fälschung entdeckt. Wir großen Experten hielten es für echt und hätten jede Expertise unterschrieben.«

Sie grüßten stramm, von Haldenberge tippte kurz an seine Stirn, was einen Gruß bedeuten konnte oder auch etwas anderes, auf jeden Fall war es doppeldeutig. Dann standen sie draußen, warteten auf den Ordonnanzoffizier und schwiegen sich an.

Im Bernsteinzimmer stand nur ein älterer Mann, als sie die Tür öffneten. Der Offizier drehte sich wortlos um und ließ sie allein. Dr. Runnefeldt streckte seine Hand aus, Dr. Wollters ging provokativ an die freigelegte Bernsteintafel und betrachtete sie. Dabei pfiff er leise vor sich hin:»So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage…«

«Sie sind Herr Wachter, nicht wahr?«sagte Dr. Runnefeldt freundlich.»Der Herr General hat uns von Ihnen erzählt. Sie gehören zum Bernsteinzimmer?«

«So ist es. «Wachter nickte und wunderte sich.»Sie sind Dr. Runnefeldt…«

«Ja.«

«Von der SS?«

«Nein. Wieso? Ach deshalb!«Er sah an seiner Uniform hinunter.»Ich bin der Leiter des Außenamtes der Staatlichen Museen von Berlin. Der Führer hat mir einen Sonderauftrag erteilt. Ich bin kein Soldat und kein Offizier und kann daher den Ehrenrock nicht tragen. Da hat man mir den SS-Habitus verliehen und mich zum Sonderführer gemacht. «Dr. Runnefeldt hob die Schultern.»Uniform muß eben sein.«

Dr. Wollters pfiff lauter. Unerhört, maulte er in Gedanken. Diese Kumpelhaftigkeit mit einem niedrigen Angestellten. Und so etwas setzt man mir, einem Rittmeister, vor die Nase! Überhaupt dieser Wachter! Hat man ihn überprüft? Wer hat ihn überprüft? Wo ist die Personalakte? Der kann ja Wunder was erzählen, die Wolken vom Himmel lügen, und ist in Wirklichkeit ein sowjetischer Agent! 225 Jahre im Dienste der Russen… das ist doch mehr als ungewöhnlich! Und will nie in den Jahrhunderten ein Russe geworden sein? Wer glaubt das denn? Wenn von dem Burschen keine Personalakte besteht, werden wir ihm eine verpassen lassen und seine Vergangenheit aufrollen! Vielleicht quellen uns dann die Augen über, was für ein Bürschchen das ist.