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«Was sind Sie?«knarrte er.

«Schütze Eberhard Gneisl, Herr Hauptfeld.«

«Was habe ich gesagt«, brüllte Himmerich.»Nicht wer Sie sind!«

«Impressionist«

«Aha!«Himmerich zog die Augenbrauen hoch. Impremist, dachte er. Was ist das? Sicher unbrauchbar…

«Wegtreten!«bellte er. Der zweite Künstler grinste breit, als Himmerich zu ihm kam.»Und Sie?«

«Töpfer, Herr Hauptfeld.«

Himmerich holte tief Atem.»Sie Idiot!«schrie er und wurde hochrot im Gesicht.»Stellt Töpfe her und nennt sich Künstler!«Nummer drei sah mit gemischten Gefühlen seiner Befragung entgegen und nahm Haltung an, als Himmerich vor ihm stand.»Und Sie? Sind wohl artistischer Kunstscheißer?!«

«Nein, Herr Hauptfeld… Bleiverglaser.«

Himmerich stutzte. Was man darunter verstand, war ihm völlig unbekannt, auf jeden Fall gehörte es nicht zur Kategorie Künstler, wie Himmerich sie verstand. Kein Pianist, kein Sänger, kein Maler, nicht mal ein Anstreicher. War das eine saumäßige Kompanie!

«Wegtreten!«brüllte Himmerich. Er sah die lange Reihe der Angetretenen an und steckte den Daumen neben das Spießbuch in den aufgeknöpften Uniformschlitz.»Ich brauche p-manden mit Fingerspitzengefühl.«

«Hier, Herr Hauptfeld!«rief es aus der Mitte.

«Vortreten!«

Ein Gefreiter kann nach vorn und baute sich vor Himmerich auf.

«Was sind Sie?«Himmerich war auf alles gefaßt.

«Schneider, Herr Hauptfeld.«

Himmerich atmete hörbar auf. Ein Schneider! Wenn ein Schneider kein Gefühl in den Fingerspitzen hatte, konnte er einpacken! Wozu tragen die Schneider alle einen Fingerhut? Das war der richtige Mann!

«Sie melden sich abmarschbereit in einer halben Stunde bei mir!«sagte Himmerich wohlwollend.»Sie werden nach den Zarenschlössern verlegt. Kompanie weggetreten!«

Zufrieden stiefelte er zurück n seine Schreibstube. Nur ein Mann, aber immerhin — die Ehre der Kompanie war gerettet. Künstler sind eben selten, weiß der Teufel, wohin man sie eingezogen hat.

Immerhin — so kamen aus Puschkin zehn Männer mit Fingerspitzengefühl zusammen und meldeten sich bei Dr. Runnefeldt. Im Vertrauen auf die gute Organisation der Wehrmacht befragte er nicht jeden einzeln, sondern versammelte sie im Bernsteinzimmer. Drei Verschalungen waren bereits abgetragen worden. Die Pracht, die darunter zum Vorschein kam, ließ jeden Betrachter ganz still werden.

«Das Bernsteinzimmer…«sagte einer der zehn leise. Dr. Runnefeldt sah zu ihm hinüber.

«Sie kennen es?«

«Nur von Bildern, aber die können nie wiedergeben, wie es wirklich ist. Das erschlägt einen ja.«

«Was sind Sie von Beruf?«

«Bildhauer, Herr Sonderführer.«

«Das ist ja vorzüglich. Wenn Rittmeister Dr. Wollters und ich nicht da sein sollten, übernehmen Sie das Kommando. Sie heißen?«

«Ludwig Gronau, Herr Sonderführer.«

«Also, Gronau… Sie sind mir jetzt verantwortlich. «Er zeigte auf Wachter, der den Bildhauer kritisch musterte.»Und das ist Herr Wachter. Er hat das Bernsteinzimmer bisher gepflegt, er gehört zum Zimmer. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich an ihn. Und noch etwas: Wenn Herr Wachter Vorschläge macht, sind sie zu befolgen. Er kennt jedes Steinchen der Wände.«

Dr. Wollters hielt sich jetzt aus allen Anordnungen von Dr. Runnefeldt heraus. Er hatte einen ganzen Tag damit verbracht, die anderen Kunstschätze, die man noch im Katharinen-Palast zurückgelassen hatte, zu registrieren. Von Stunde zu Stunde wurde er unruhiger. Was in diesem Schloß noch an Werten vorhanden war, übertraf selbst die kühnsten Erwartungen. Immer wieder las er die lange Liste durch und bekam dabei Herzklopfen. Da waren verzeichnet:

Über 200 Schmuckgegenstände, von denen die in Kunstkreisen berühmten Frühlingssträuße aus Goldfiligran und Edelsteinen das wertvollste war.

Eine grandiose Sammlung von Meißner und französischem Porzellan.

Die Sammlung von Katharina II. mit 50 Ikonen, zum Teil eingefaßt mit edelsteinbesetzten Goldrahmen.

Die in der Welt einmalige Sammlung von Peter I, dem Gründer von Petersburg. Sie allein umfaßte 650 Ikonen. Alle Schulen der Ikonenmalerei waren vorhanden, von den Anfängen an. Geschenke der Kirchen und Klöster an den großen Zaren.

45 Deckengemälde der italienischen Schule, und unter seinen Füßen die wertvollen Parkette. In den Prunkräumen hingen die riesigen Kronleuchter mit ihren Verzierungen aus Bergkristall und Edelsteinen. Auch das Schlafzimmer Katharinas II. war noch vorhanden, die Möbel in den Nebengemächern standen herum, aus Holz geschnitzte und vergoldete einmalige Obszönitäten: Stühle mit Beinen aus erigierten Penissen, Behänge aus hölzernen Hodensäcken, im Holzrahmen eines Diwans eine naturgetreue Nachbildung einer Vagina.

Dr. Wollters war wie betäubt von der Fülle dieser Kunstgegenstände, wie es auch Müller-Gießen gewesen war, der das alles aufgelistet hatte.

«Kommt alles mit!«sagte Wollters halblaut zu sich selbst.»Alles! So etwas darf der Zerstörung nicht zum Opfer fallen. «Natürlich wird der Führer in seinem Linzer Museum keine holzgeschnitzten Penisse ausstellen, aber Himmler oder Rosenberg oder wer sonst noch — ach ja, Göring — bekommen sie auch nicht, dachte Wollters und hatte vor Begeisterung rote Ohren. Das werde ich für mich reservieren… irgendwie wird sich das möglich machen lassen. Ich habe ein großes Haus. Warum soll ich mir nicht ein Katharinen-Zimmer einrichten? Eine hochkünstlerische Sauerei — das wird für Stimmung sorgen. Und unbezahlbar ist es auch.

Am Abend saß er mit Dr. Runnefeldt zusammen im Offizierskasino des Armeekorps-Stabes, aß ein halbes Hähnchen, trank dazu einen leichten Wein und fühlte sich rundum wohl. Nicht einen Gedanken verschwendete er dafür, an die Soldaten zu denken, die kaum 30 km entfernt in ihren Gräben und Löchern verbluteten. Die Sowjets waren zum Entlastungsangriff angetreten… ihre 42. und 52. Armee stürmten gegen den deutschen Einschließungsring. Die 23. Armee versuchte, das Südufer des Ladoga-Sees zu halten, um über Straße und See einen Versorgungsweg herzustellen. In Leningrad hatte das Hungern begonnen -

«Wann kommen die Lastwagen?«fragte er Dr. Runnefeldt und nagte einen Hähnchenknochen ab. Das widersprach nicht seiner guten Erziehung, gab es doch einen englischen König, Heinrich VIII., der auch Hühnerknochen abgenagt und sie dann über die Schulter gegen die Wand geworfen hatte.

«Am 12.«, antwortete Dr. Runnefeldt kurz.

«Bis dahin sind wir fertig?«

«Müssen wir fertig sein! Die >Transportstaffel Koch< kann uns nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung stehen. Sie ist im Nachschub der 18. Armee eingesetzt.«

«Ich habe es Ihnen von Anfang an gesagt: Mir gefällt das nicht. «Dr. Wollters legte den Knochen auf den Teller zurück und säuberte seine fettigen Hände an einer großen Papierserviette.»Wieso hat Koch auch hier seine Finger drin? Was spielt sich da im Hintergrund ab?«»Das Bernsteinzimmer kommt nach Königsberg ins Schloß, und da residiert nun einmal Gauleiter Koch. Führerbefehl. Unterstellen Sie dem Führer Dilettantismus?«

«Um Himmels willen — nein!«Dr. Wollters beugte sich etwas über den Tisch vor.»Ehrlich und unter uns, Dr. Runnefeldt, mögen Sie Erich Koch?«

«Ich kümmere mich nur um das Bernsteinzimmer«, sagte Runnefeldt eisig.»Eine Kritik an Gauleiter Koch steht mir nicht zu.«

Dr. Wollters wechselte das Thema. Es war ihm nicht gelungen, Runnefeldt festzunageln.

Der Ausbau des Bernsteinzimmers war mühsam und zeitaufwendig. Die großen Wandtafeln mußten vorsichtig vom Untergrund gelöst werden und wurden an den Nahtstellen zerlegt, die Rosetten, Girlanden, Putten, Kriegerköpfe und Figuren trennte man mit größter Feinfühligkeit heraus, eine Millimeterarbeit, bei der kein Mosaiksteinchen verlorengehen durfte. An den Wänden war schon in den ersten Tagen der Schloßbesetzung genug gesündigt worden. Die» Andenken «sammelnden Soldaten hatten große Bernsteinstücke aus den Mosaiken gebrochen. Überall sah man Löcher, ein paar Figuren, die den Seitengewehren standgehalten hatten, waren völlig zerkratzt, beschädigt oder durchgebrochen… es war ein Anblick, bei dem sich Wachters Herz verkrampfte.