Ich hole mir Cola. Ich trinke selten Cola, aber bei Darmgrippe darf man. Mir fallen die Horrorgeschichten ein, die man in meiner Kindheit über das süße schwarze Gesöff erzählt hat: Es ist so ungesund, daß es einem den Magen durchätzt, jedenfalls auf Dauer. Jemand hat ein Experiment gemacht und eine schmutzige Münze über Nacht in ein Glas Cola gelegt. Am nächsten Tag ist sie sauber gewesen. Die alternative, noch drastischere Version: Jemand hat über Nacht ein Stück Fleisch in ein Glas Cola gelegt, und am nächsten Tag war das Stück Fleisch weg. Ich habe mich schon damals gefragt, wie man so etwas glauben kann. Wenn das stimmte, hätten Hausfrauen es als Putzmittel verwendet.
Ich liege da, esse Zwieback und trinke Cola, als Else hereinkommt.
«Du-u?«
«Ja?«
«Ich wollte gerade bei der Bank mit deiner Karte Geld abheben. Habe nichts gekriegt.«
«Kann doch nicht sein.«
«Ich habe mir den Kontostand angeschaut. Du bist ziemlich weit im Minus.«
«Wie weit?«
«Ziemlich weit.«
«WIE WEIT?«
Sie hält alle Finger der rechten Hand sowie zwei der linken in die Höhe.
«Ich kümmere mich darum«, sage ich und mache die Augen zu.
Die nächsten Stunden sind geprägt von Fieber, Diarrhöe, Cola, Knut Hamsun und der Frage, wie ich siebentausend Euro auftreibe. Einmal kommt Stanislaus ins Zimmer und wirft sich auf mich, zufälligerweise bin ich kurz zuvor endlich eingeschlafen. Wir spielen eine Weile. Ich bekomme» Bauchhunger «und esse seinen Bauch, er lacht und kreischt und schreit:»Niiicht! Nicht Bauchch-hun-ger!«Schnell merke ich, daß mir bei diesem Gehampel furchtbar schlecht wird. Er ist enttäuscht, als Else ihn mit sich hinausnimmt.
Es hilft nichts, ich muß gegen die Übelkeit Paspertin schlucken, das ich aus Abneigung gegen die Zustände, in denen ich es nehme, französisch ausspreche. Zwanzig Tropfen, dann setze ich mich an den Computer.
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IG Autoren
Essen mit den Augen
3k
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Österreichs realisiert eine Ausstellung zum Thema» mit den augen essen«. Ein Programmpunkt beinhaltet — in Abwandlung zu den chinesischen Glückskeksen — in Grammelpogatscherln eingebackene Texte österreichischer Autorinnen und Autoren zum Thema Essen, die bei einer Eröffnungsveranstaltung vorgestellt werden sollen.
Die Veranstalterin, Sylvie Proidl, sucht dazu Kürzestprosa, Lyrisches, Gedankensplitter, Liedzeilen, Schnipsel (SMS-Länge, höchstens 160 Zeichen), die sich mit Essen als Kunst, als kulturelle Identifikation, als ästhetisches Vergnügen, vertilgbare Bilder, als pure Sinnlichkeit, aber auch als Quelle von Krankheit, Selbstdarstellung, Spiegelung sozialer Gegebenheiten, Lust, Überdruß etc. beschäftigen. Als Kontaktadresse hat die IG Autorinnen Autoren ihre Anschrift zur Verfügung gestellt: IG Autorinnen Autoren, Seidengasse 13, 1070 Wien, z.H. Gerhard Ruiss.
Die Namen der mitwirkenden Autorinnen und Autoren werden selbstverständlich bei allen werblichen Gelegenheiten bekannt gemacht. Honorar kann leider keines angeboten werden.
Herzliche Grüße
Für die IG Autorinnen Autoren: Gerhard Ruiss
Zur Sicherheit nehme ich noch einmal zwanzig Tropfen. Zum Glück ist nichts Schlimmeres gekommen. Als ich meinen Posteingang genauer kontrolliere, bemerke ich, daß ich am Vorabend zwei Mails bekommen habe, an die ich mich nicht erinnere. Das eine stammt vom Hanser-Verlag, das andere von einem Kollegen, den ich nicht besonders mag und der sich mir in regelmäßigen Abständen in Erinnerung bringt. Zu meinem Entsetzen sehe ich an jenem Pfeil neben dem Absender, daß ich beide Emails beantwortet habe. Woran ich mich ebenfalls nicht erinnern kann.
Was habe ich da geschrieben?
Nun, was ich dem lästigen Kollegen auch mitgeteilt haben mag, im schlimmsten Fall haßt er mich jetzt, und das wäre nur einer mehr. Aber was habe ich meinem neuen Verlag geschrieben? Höfliches? Freundliches? Oder bin ich aus irgendeinem rätselhaften Grund ausgeflippt und habe wüste Beschimpfungen nach München geschickt? Vielleicht bin ich meinen tollen neuen Verlag auch schon wieder los? Ich stelle mir vor, wie dem Verlagsleiter Michael Krüger ein Schreiben jenes jungen Österreichers vorgelegt wird, dessen Roman der Verlag vor kurzem angenommen hat. Wie er liest und die Stirn runzelt. Wie währenddessen mein Lektor, der nette Herr Matz, enttäuscht in seinem Büro sitzt. Und wie dann…
Ich versuche mich zu beruhigen. Es steht nicht fest, daß ich irgend jemanden beschimpft habe, ja viel wahrscheinlicher ist es, daß ich höflich und nett war, denn ich habe keinen Grund, mich über Hanser zu beschweren. Vielmehr frage ich mich, ob ich vielleicht noch ein paar andere Mails geschrieben habe, an wen auch immer, die vielleicht nicht so freundlich waren. Denn daß ich noch keine Antworten bekommen habe, heißt ja nicht, daß ich nichts abgeschickt habe.
Ich lege mich wieder ins Bett. Mein Kontostand fällt mir ein, ich bekomme Magenschmerzen. Ich versuche mich mit Knut Hamsun abzulenken. Draußen wird gesprochen.
«Wenn der Stanislaus nicht brav ist, kauft ihm die Oma heute keine Schokolade!«
Ich stehe auf, öffne die Schlafzimmertür und brülle hinaus:»ICH! DU!«Knalle die Tür zu und lege mich wieder ins Bett. Draußen ist es still.
Ich döse ein wenig. Schlafen kann ich nicht, die Geldangelegenheit bedrückt mich. Ab und zu kommt ein SMS. Der Prinz schreibt, seine Allergie wird immer schlimmer, und er muß vielleicht den Hund weggeben. Das klingt nicht gut. Unter anderen Umständen würde ich ihn jetzt anrufen. Ich gehe zur Toilette.
Es muß mir schließlich doch gelungen sein, einzuschlafen. Als ich erwache, wird es draußen dunkel. Halb sechs. Es geht mir besser.
Ich schaffe es hinaus. Niemand da. Auf dem Tisch kein Zettel, auf dem Anrufbeantworter keine Nachricht. Ich setze mich an den Computer. Wen habe ich schon lange nicht mehr um Geld gebeten? Mein Heimatland! Ja, das ist es: Das Land Steiermark muß mir Geld geben. Immerhin stamme ich aus der Steiermark, und das Land ist dafür da, seine Autoren zu unterstützen. Haben sie zwar bei mir noch nie gemacht, aber ich muß etwas tun, um das Gefühl zu haben, auf eine Lösung hinzuarbeiten.
Ich schreibe also einen Bittbrief, besser gesagt, ein Förderansuchen, in dem ich meine Situation erkläre und eine einmalige Zuwendung beantrage. Ich stecke das Schreiben in einen Umschlag, klebe ihn zu, beschrifte ihn und fühle mich etwas besser. Außerdem weiß ich, daß in den nächsten Tagen ein paar Honorare aufs Konto kommen. Das Geld sollte reichen, bis — ja, bis wann? Bis das Land Steiermark mir Geld schickt. Bis ein Wunder passiert. Bis irgend etwas passiert.
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Karen Kablier
Re: Wie geht’s?
7k
die art und weise zu kommunizieren ist auch immer ein mittel sich zu distanzieren. das habe ich von dir gelernt. und nicht zu kommunizieren ist dein bevorzugtes mittel tom dein bevorzugtes mittel alles auszublenden was du nicht sehen willst. Und dann nach fast fuenf jahren» hallo wie geht’s, was machst du so, waere ja schoen «und BLAH BLAH BLAH.
this is so fucking sophisticated.
also was soll das. ich will den markt meiner gefuehle nicht mit aufgesetzten selbstverstaendlichkeiten bedienen lassen.
mein naechstes ausstellungsprojekt hat den arbeitstitel durchhalten und das ich. und ich sehe den abend den wir zuletzt miteinander verbracht haben vor fuenf jahren eher als zitat dessen was man besser nicht ergruenden sollte: die abgruende verweigerter bourgeoisie. der vorhang war gefallen in dem augenblick wo ich von dir two days after being your sex doll auf meine zugegebenermaßen vielleicht etwas draengenden sms eines mit dem eiskalten inhalt erhalte: lass mich. lass mich, hast du damals geschrieben. ist fünf jahre her. but it’s in my mind.