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«Jaja. Sie ist mir jedenfalls nicht böse, sondern findet das sehr nett. Und will mich treffen. Wieso hab ich ihr das bloß geschrieben? Ich kenn die ja gar nicht.«

«Du warst eben betrunken.«

«Du bist mir wirklich keine Hilfe.«

«Es gibt keine Hilfe, sagt Buddha.«

«Was ist eigentlich aus deiner Malergeschichte für dieses Magazin geworden? Du weißt schon, für die du 2000 Euro bekommen hast. Haben sie die gebracht?«

«Natürlich haben sie die gebracht. Aber… jetzt fällt mir ein… von denen habe ich nie Geld gesehen. Danke, daß du mich erinnerst. Denen muß ich schreiben.«

«Wie, jemand bleibt dir 2000 Euro schuldig, und du merkst das gar nicht?!«

«Ja offenbar.«

«Das finde ich allerhand.«

«Ich eigentlich auch.«

«Übrigens, ich treffe demnächst Journalisten von zwei verschiedenen Zeitungen, die eine Kolumne von mir wollen. Die haben mich für nächste Woche eingeladen.«

«Mich hat man gerade eingeladen, in Berlin Kissinger zu treffen.«

«Welchen Kissinger?«

«Kissinger. Aber ich will nicht. Hab keine Zeit. Außerdem müßte ich den Flug selber zahlen.«

«Was findest du eigentlich an Bud-Spencer-Filmen schlimm?«

«Na, daß es Schrott ist.«

«Du siehst dir doch sicher auch mal was zur Entspannung an.«

«Ja, Horrorfilme.«

«Du weißt aber schon, daß das nicht viel besser ist?«

«Wie soll ich sagen? Es gibt Stimmen, die da meinen, es gebe für das innere Gleichgewicht eines Menschen Zuträglicheres als das Ansehen von Filmen, die einem nächtelang den Schlaf rauben, und obwohl ich der Ansicht bin, daß man ihnen nicht ganz unrecht geben kann, will ich festhalten, daß solche Filme mir auf eine gewisse Art sehr wohl zur Entspannung gereichen.«

«Moment, Stanislaus ist da… Stanislaus, geh raus zu Konstantin! Spiel mit deinem Freund! Oder geh zu Mama! Ja, so! Nein, draußen bleiben! Ich komme bald!«

«Hast du übrigens gewußt, daß Konstantin auf Russisch Tschernenko heißt?«

«Wie, Konstantin heißt übersetzt Tschernenko?«

«Ja. Hat mir ein Russe mal gesagt.«

«Aber dann hätte der alte Kerl im Kreml doch Tschernenko Tschernenko heißen müssen.«

«Hallo? Noch da?«

«Stimmt. Großer Gott, mir kann man aber auch alles erzählen.«

«Gräm dich nicht. Mir geht es viel schlimmer als dir. Ich weiß nicht, ob sich mein Buch gut verkaufen wird…«

«Wird es!«

«…und ich weiß nicht, ob ich heute nacht nicht ein Email an Denis Scheck geschrieben habe…«

«Du solltest die Nichtexistenz von Denis Scheck akzeptieren.«

«…und ob mich das Feuilleton wahrnimmt…«

«Wird es schon. Und wenn nicht, auch kein Malheur.«

«So etwas kann auch nur jemand sagen, der von seinem letzten Buch 700.000 Exemplare verkauft hat.«

«Eigentlich sind es erst 680.000.«

«Sorry.«

«Also erstens wirst du bestimmt Erfolg haben. Den Preis kriegst du nicht, aber du kommst auf die Shortlist. Unter die letzten sechs kommst du, auch wenn dann Endstation ist und sie den Preis jemandem geben, auf den sich alle einigen können. Und zweitens, ja, es wird dir kein Trost sein, aber alles samskara ist dukha.«

«Ein wenig hörst du dich an wie meine Großtante, aber die ist 82.«

«Weil es stimmt. Buddha sagt, alles Streben ist unbefriedigend. Was immer du machst, es hätte auch besser laufen können. Alles könnte besser sein. Es ist immer unbefriedigend. Du mußt dich damit abfinden, daß alles passieren kann, daß viel passieren wird, viel Gutes, aber daß es auch besser hätte laufen können. So ist die Welt.«

«Was du mir da erzählst, ist ziemlich unbefriedigend.«

«Nein.«

«Kommst du zur Lesung ins Museumsquartier?«

«Wer liest denn da?«

«Sehr witzig. Kommst du?«

«Und was wird gelesen?«

«Ha, ha. Die Arbeit der Nacht

«Ach so. Donnerstag ist das, nicht? Da wollte ich mit Till Fellner Horrorfilme ansehen.«

«Dann laß dich davon nicht abbringen. Lesungen sind ja langweilig. Und was mache ich jetzt wegen der Emails?«

«Wegen welcher Emails?«

«Die ich vielleicht geschrieben habe. Und vielmehr, die ich möglicherweise demnächst mal in der Nacht an irgendwen schreiben werde: Wie verhindere ich, daß sie in die Welt gelangen?«

«Du könntest dein Mailprogramm so einstellen, daß immer eine Fußzeile mitgeschickt wird: Der Inhalt dieses Mails sollte nur gelesen werden in Berücksichtigung des Umstands, daß der Verfasser Borderline-Psychotiker ist

«Und was werden sich die Leute dann denken?«

«Daß du Borderline-Psychotiker bist.«

Dreiundzwanzig

Am Abend findet meine erste Lesung aus Die Arbeit der Nacht statt, unter freiem Himmel im Wiener Museumsquartier. In den Stunden davor habe ich ein paar Interviews, und morgen früh wird die Longlist bekanntgegeben.

Stanislaus hat mich wenig schlafen lassen in der Nacht, er will seit neuestem morgens aufs Klo gehen, anstatt in die Windel zu machen, weswegen ich um sechs mit ihm rausmußte. Er schlief weiter, ich nicht. Um neun steht er auf, ich lege mich noch einmal hin, als ich aufwache, ist es halb eins. In einer halben Stunde habe ich eine Radiosendung. Live, ich sollte also nicht unbedingt zu spät kommen.

Mit dem Taxi zum ORF, der Moderator wartet schon. Herr Kaindlgruber, den ich seit der Jurysitzung für den Viennale-Filmpreis nicht mehr gesehen habe. Von Tag zu Tag ist eine beliebte Sendung von Ö1, dem einzigen österreichischen Kulturradio. Zuhörer dürfen anrufen und mitreden. Am Beginn bin ich nervös und stammle. Mensch, das ist live, reiß dich zusammen! denke ich, und zu meiner Überraschung geht es nach ein paar Sätzen besser. Kaindlgruber ist nett, macht es mir leichter, hat schnell eine neue Frage bereit. Allmählich gewinne ich Sicherheit. Wir reden über Einsamkeit und Angst.

Kaindlgruber: Und wir haben den ersten Anrufer, Herrn Peschl. Herr Peschl, bitte.

Herr Peschclass="underline" Also ich wollte nur sagen, ich bin auf Seite 64 des Buches, und es ist sehr spannend.

Glavinic: Danke sehr, das freut mich.

Kaindlgruber: Danke, Herr Peschl. Die nächste Anruferin ist Frau Mitterlöhner.

Frau Mitterlöhner: Ich wollte nur sagen, oft ist es so, daß solche Themen in der Luft liegen. Und heute ist es die Einsamkeit! Die Einsamkeit ist ein großes Thema! Weil immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft einsam sind! Das wollte ich nur sagen.

Kaindlgruber: Herr Glavinic?

Glavinic: Ja, Einsamkeit ist ein großes Thema. Ich bin aber nicht sicher, daß die Menschen heute einsamer sind als früher. Oder depressiver, Depression ist ja auch ein großes Thema, nicht wahr, es gibt viel mehr depressive Menschen als früher, sagt man, dabei stimmt das vermutlich nicht… laber… dröhn… (Was rede ich da? Wie komme ich von diesem Blödsinn wieder runter?) Das ist wie mit dem Feinstaub. (O Gott.) Früher gab es sogar mehr Feinstaub als heute, nur wußte es niemand, erst heute wird darüber geredet. (Ich kann nicht glauben, daß ich das sage.)

Wir reden über literarische Vorläufer. Kaindlgruber bringt Marlen Haushofer ins Gespräch.

Kaindlgruber: Und wir haben wieder eine Anruferin, Frau Plank. Bitte, Frau Plank.

Frau Plank: Ja, ich wollte nur sagen, der Autor hat da ein Motiv aufgegriffen, das es schon gibt, ich denke da an Marlen Haushofer, nicht wahr. Weil geschrieben wurde, es sei ein Plagiat und so. Haushofer, ja, in den sechziger Jahren.

Kaindlgruber: Herr Glavinic?