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«Sie sind verrückt, Santos. Meine Kunden werden sich niemals in dieser Weise exponieren. So verlieren Sie den Rest der drei Millionen.«

«Warum soll man es nicht versuchen? Sie könnten sich doch einen Blinden mieten, nicht wahr? Einen unschuldigen Touristen — einen Mann, eine Frau — mit einem doppelten Boden in seinem oder ihrem Koffer. Auf diese Weise sparen wir uns etliche Unannehmlichkeiten. Denken Sie darüber nach. Es ist der einzige Weg, um zu bekommen, was sie wollen, Monsieur.«

«Ich werde tun, was ich kann«, sagte Borowski.»Hier ist meine Nummer. Rufen Sie mich an, wenn London kommt. In der Zwischenzeit werden Sie beobachtet.«

Es war dunkel im Zimmer. Marie saß im Bett, schlürfte heißen Tee und horchte auf die Geräusche der Stadt draußen vor dem Fenster.

Schlaf war unmöglich, unzulässig, da jede Stunde zählte. Sie hatte den ersten Flug von Marseilles nach Paris genommen und war direkt in das Meurice in der Rue de Rivoli gefahren, dasselbe Hotel, in dem sie vor dreizehn Jahren gewartet hatte, auf einen Mann gewartet, der auf die Vernunft hören oder sein Leben verlieren würde, wobei er auch sie verloren hätte. Auch damals hatte sie eine Kanne Tee bestellt, und er war zu ihr zurückgekehrt.

Oh, mein Gott, sie hatte ihn gesehen. Es war keine Illusion, keine Täuschung, es war David gewesen! Sie hatte das Hotel am Vormittag verlassen und ihre Wanderung begonnen, nach einer Liste, die sie im Flugzeug angefertigt hatte. Von einem Ort war sie zum nächsten gelaufen, ohne logische Abfolge, sondern einfach, indem sie dem Nacheinander der Örtlichkeiten folgte, so wie sie ihr eingefallen waren. Diese Lektion hatte sie von Jason Borowski dreizehn Jahre zuvor gelernt:»Auf der Flucht oder bei der Jagd soll man seine Einfalle analysieren, aber den ersten im Kopf behalten. Gewöhnlich ist es der sauberste und beste. Meist greift man zum ersten Einfall. «Also war sie ihrer Liste gefolgt, von der Anlegestelle des Bateau Mouche am Fuße der Avenue George V bis zur Bank an der Madeleine… und zum Trocadero. Dort war sie ziellos auf den Terrassen herumgewandert, um nach einer Statue Ausschau zu halten, an die sie sich nicht richtig erinnern konnte. Die Standbilder fingen an, alle gleich auszusehen. Sie fühlte sich wunderlich leicht im Kopf. Die späte Augustsonne blendete, und gerade wollte sie sich, in Erinnerung eines weiteren Leitsatzes Jason Borowskis:»Ruhe ist eine Waffe«, auf eine Bank setzen, da sah sie plötzlich, weit vorne, einen Mann mit einer Kappe und einem dunklen Sweater mit V-Ausschnitt. Er drehte sich um und lief sehr schnell zu den großartigen Steintreppen, die zur Avenue Gustave V führten. Sie kannte dieses Laufen, diesen Schritt, kannte ihn besser als sonst jemand! Wie oft hatte sie ihn beobachtet — häufig unbemerkt von der Tribüne aus —, wenn er auf der Aschenbahn seine Runden drehte, um sich von den Furien zu befreien, die ihn gepackt hatten. Es war David! Sie war von der Bank aufgesprungen und ihm hinterhergerannt.

«David, David, ich bin es!.. Jason!«

Sie war mit einem Fremdenführer zusammengestoßen, der eine Gruppe von Japanern im Schlepp hatte. Der Mann war erregt, sie wütend, und wütend bahnte sie sich ihren Weg durch die erstaunten Asiaten, fast alle kleiner als sie, aber ihr Mann war verschwunden. Wohin? In die Gärten? In die Straßen mit ihren Menschenmengen und dem nie enden wollenden Verkehr? Wohin nur?

«Jason!«hatte sie, so laut sie konnte, geschrien.»Jason, komm zurück!«Die Leute hatten sich nach ihr umgedreht. Sie war die Stufen zur Straße hinuntergerannt und hatte endlos lange überall nach ihm Ausschau gehalten — wie lange, das konnte sie hinterher nicht mehr sagen. Schließlich hatte sie erschöpft ein

Taxi zurück ins Meurice genommen. Benommen kam sie in ihr Zimmer und fiel auf ihr Bett, gestattete sich aber keine Tränen. Es war nicht die Zeit für Tränen — eine kurze Pause, etwas essen, um die Energie wiederherzustellen. Auch eine Lektion von Borowski. Dann wieder auf die Straße, um die Suche fortzusetzen. Und wie sie so dalag und an die Wand starrte, fühlte sie ein Schwellen in der Brust, dort, wo ihre Lungen arbeiteten, begleitet von einem Gefühl passiver Erregung. Wie sie nach David suchte, so suchte er nach ihr. Bestimmt! Ihr Mann war nicht vor ihr davongelaufen, auch Jason Borowski nicht. Er konnte sie nicht gesehen haben, es mußte einen anderen Grund für sein plötzliches, eiliges Verschwinden vom Trocadero gegeben haben, aber nur einen Grund dafür, daß er dort gewesen war. Auch er war auf der Suche nach Erinnerungen, auch er hatte begriffen, daß er ihr irgendwo, an irgendeinem Ort dieser Erinnerungen begegnen würde.

Sie hatte sich ausgeruht, dem Zimmerdienst Bescheid gegeben und war zwei Stunden später wieder auf der Straße gewesen. Jetzt, in dem Augenblick, wo sie ihren Tee trank, konnte sie das Tageslicht nicht mehr erwarten.

«Bernardine!«

«Mon Dieu, es ist vier Uhr früh. Ich nehme an, Sie haben einem Siebzigjährigen etwas Wichtiges zu sagen.«

«Ich habe ein Problem.«

«Ich glaube, es sind eine ganze Reihe Probleme, aber das macht wohl keinen großen Unterschied. Also, was gibt's?«

«Ich bin so nahe dran, wie es nur möglich ist, aber ich brauche einen end-man.«

«Das muß ein amerikanischer Ausdruck sein. Esoterik steht bei der CIA hoch im Kurs. Ich bin sicher, da sitzt einer in Langley und denkt sich das alles extra aus.«

«Mein Gott, ich habe keine Zeit für derartige bons mots.«

«Selber mein Gott, lieber Freund. Ich versuche nicht, besonders schlau zu sein, sondern nur aufzuwachen… Also gut, meine Füße stehen auf dem Boden, und ich habe eine Zigarette im Mund. Was ist los?«

«Mein Kontaktmann zum Schakal erwartet einen Engländer, der heute morgen von London herfliegt, mit zwei Millionen achthunderttausend Francs in der Tasche…«

«Viel weniger, als Sie zur Verfügung haben, nehme ich an«, unterbrach Bernardine.»Die Banque Normandie war Ihnen behilflich?«

«Sehr, das Geld ist nicht das Problem. Ihr Tabouri ist ein Prachtexemplar. Er wollte mir Grundstücke in Beirut verkaufen.«

«Dieser Tabouri ist ein Dieb — aber Beirut ist interessant.«

«Bitte.«

«Entschuldigen Sie. Machen Sie weiter.«

«Ich werde beschattet, also kann ich nicht zur Bank, und ich habe keinen Engländer, der mir das, was ich nicht holen kann, ins Pont-Royal bringt.«

«Das ist Ihr Problem?«

«Ja.«

«Sind Sie bereit, sagen wir, fünfzigtausend gut anzulegen?«

«Wofür?«

«Tabouri.«

«Ich denke schon.«

«Sie haben doch sicher einige Papiere unterschrieben.«

«Natürlich.«

«Unterschreiben Sie noch ein Papier, handgeschrieben… um das Geld auszuhändigen an… einen Augenblick, ich muß an meinen Schreibtisch. «Schweigen in der Leitung, während

Bernardine offenbar in einen anderen Raum seiner Wohnung ging.»Hallo?«

«Ich bin noch dran.«

«Oh, das ist hübsch«, meinte der ehemalige Spezialist des Deuxieme Bureau.»Hab ihn schon mal mitsamt seinem Segelboot vor der Costa Brava versenkt. Sein Name ist Antonio Scarzi, ein Mann aus Sardinien.«

Borowski wiederholte den Namen und buchstabierte ihn.

«Genau. Verschließen Sie den Briefumschlag, reiben Sie Ihren Daumen mit Bleistift oder Tinte ein und drücken Sie ihn auf die Klebestelle. Geben Sie ihn dann dem Portier für eben jenen Mr. Scarzi.«

«Verstanden. Und was ist mit dem Engländer? Heute früh? Es sind nur noch ein paar Stunden Zeit.«

«Der Engländer ist kein Problem. Der frühe Morgen ist eins, und die wenigen Stunden. Es ist einfach, Gelder von einer Bank auf eine andere zu überweisen — Knöpfe werden gedrückt, Computer vergleichen sekundenschnell die Daten, und schon stehen die Zahlen auf dem Papier. Aber es ist etwas ganz anderes, irgendwo beinahe drei Millionen Francs in bar abzuholen, und Ihr Kontaktmann wird sicher keine Pfund oder Dollar akzeptieren, aus Angst, beim Deponieren oder Wechseln erwischt zu werden. Dazu müssen die Noten vor dem Zoll versteckt werden können… Ihr Kontaktmann, mon ami ist sich sicher dieser Schwierigkeiten bewußt.«