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«Laß sie uns vergleichen«, sagte Conklin.»Wie ist deine?«Bernardine sagte ihm die Nummer, die er auf Borowski Befehl aufgeschrieben hatte. Das Schweigen am Telefon war ein stummer Schrei.»Sie sind verschieden«, sagte Alex schließlich.»Sie sind verschieden!«

«Eine Falle«, sagte der Veteran vom Deuxieme.»Herr im Himmel, es ist eine Falle!«

Kapitel 26

Zweimal schon war Borowski an der dunklen, ruhigen Häuserzeile am Boulevard Lefebvre in der dichtbebauten Ödnis des fünfzehnten Arrondissements vorbeigegangen. Er machte nochmals kehrt bis zur Rue d'Alesia und fand ein Straßencafe. Die Tische draußen, mit Kerzen, die unter Glas flackerten, waren in der Hauptsache von gestikulierenden und diskutierenden Studenten von der nahe gelegenen Sorbonne und dem Montparnasse besetzt. Es ging auf zehn Uhr zu, und die Kellner mit ihren Schürzen wurden langsam ungeduldig. Jason wollte eigentlich nur einen starken Espresso, aber der finstere Blick des sich ihm nähernden garqon überzeugte ihn, daß es besser war, auch noch um einen teuren Cognac zu bitten.

Als der Kellner wieder hineingegangen war, zog Jason ein kleines Notizbuch und einen Kugelschreiber heraus, schloß seine Augen für einen Augenblick, öffnete sie wieder und begann eine Skizze von der Häuserzeile anzufertigen. Da waren drei Blocks von jeweils zwei miteinander verbundenen Häusern, die durch zwei schmalen Gassen voneinander getrennt wurden. Jeder der Doppelkomplexe war drei Stockwerke hoch, die Vordereingänge über steile Backsteintreppen zu erreichen, und zu Beginn und am Ende der Reihe lagen freie Grundstücke voller Schutt, den Überresten von abgerissenen Häusern. Das Telefon stand im letzten Block auf der rechten Seite, und es bedurfte keiner besonderen Vorstellungsgabe, um zu wissen, daß Carlos das ganze Haus, wenn nicht die ganze Reihe bewohnte. Sein Pariser Kommandoposten mußte eine Festung sein, mit allen erdenklichen menschlichen und elektronischen Sicherheitsanlagen — Ergebenheit und High-Tech. Und das scheinbar isolierte, aber keineswegs verlassene Viertel des äußeren fünfzehnten Arrondissements diente seinen Zwecken weit besser als jeder noch so betriebsame Teil der Stadt.

Borowski hatte für seinen ersten Erkundungsgang einem betrunkenen Tramp Geld gegeben, um mit ihm an den Häusern vorbeizugehen, wobei er selbst an seiner Seite heftig schwankte. Für seine zweite Besichtigung, ohne zu hinken oder zu stolpern, hatte er eine Hure mittleren Alters zur Tarnung benutzt. Er kannte jetzt das Gelände, und das beruhigte ihn: Das hier würde der Anfang vom Ende sein. Das schwor er sich.

Der Kellner kam mit dem Espresso und dem Cognac, und erst als Jason eine Hundert-Francs-Note auf den Tisch legte, begleitet von einem Winken der Hand, veränderte sich die feindliche Haltung des Mannes in eine neutralere Richtung.

«Mera.«

«Gibt es hier eine Telefonzelle in der Nähe?«fragte Borowski und legte noch zehn Francs dazu.

«Die Straße hinunter, fünfzig, sechzig Meter«, antwortete der Kellner mit den Augen auf dem Geld.

«Näher nicht?«Jason nahm noch eine Zwanzig-Francs-Note heraus.»Nur ein Ortsgespräch.«

«Kommen Sie mit mir«, sagte der Mann mit der Schürze, sammelte schnell das Geld ein und führte Borowski ins Cafe zur Kassiererin, die am anderen Ende des Lokals auf einem kleinen Podest saß. Die hagere Frau mit dem blassen Gesicht schaute gelangweilt. Sie nahm offenbar an, daß Borowski sich beschweren wollte.

«Laß ihn mal dein Telefon benutzen«, sagte der Kellner.

«Warum?«fauchte die alte Vettel.»Damit er in China anrufen kann?«

«Ein Ortsgespräch. Er bezahlt.«

Jason hielt ihr zehn Francs hin, wobei seine unschuldigen Augen die argwöhnische Frau offen anblickten.

«Nehmen Sie«, sagte sie und holte das Telefon unter der Kasse hervor. Sie nahm das Geld.»Es hat eine

Verlängerungsschnur, Sie können bis rüber zur Wand gehen. Männer! Geld und Ficken, das ist alles, woran ihr denkt!«

Er rief das Pont-Royal an und bat um seinen Apparat. Er nahm an, Bernardine würde beim ersten oder zweiten Läuten den Hörer abnehmen. Beim vierten Klingeln war er beunruhigt, beim achten zutiefst verwirrt. Bernardine war weg! Hatte Santos…? Nein, der Veteran vom Deuxieme war bewaffnet und wußte, wie er seine» Abschreckung «einzusetzen hatte. Bernardine hatte das Zimmer aus freien Stücken verlassen! Warum?

Es kann etliches bedeuten, dachte Borowski und gab das Telefon zurück. Dann ging er wieder zu seinem Tisch. Vielleicht Nachricht von Marie. Das mußte es sein, Jason war sich sicher… Doch jetzt mußte er sich auf etwas anderes konzentrieren, andere Erwägungen anstellen, die dringendsten in seinem ganzen Leben. Er wandte sich wieder seinem starken Kaffee und seinem Notizbuch zu; jedes Detail mußte stimmen.

Eine Stunde später verließ er das Cafe und die Rue d'Alesia, wandte sich nach rechts und lief langsam, wie ein viel älterer Mann gehen würde, in Richtung Boulevard Lefebvre. Je näher er der Ecke kam, um so mehr wurde er sich der auf- und abschwellenden, ziellosen Klänge bewußt, die aus verschiedenen Richtungen herüberschallten. Sirenen! Die Zwei-Ton-Sienen der Pariser Polizei. Was ist geschehen? Was ist los? Jason gab seine Gangart auf und rannte zur Ecke des Gebäudes gegenüber vom Boulevard Lefebvre und der Reihe der alten Steinhäuser. Was hatte das alles zu bedeuten. Wut und Erstaunen erfüllten ihn.

Fünf Polizeiautos trafen sich genau vor der Häuserreihe und kamen nacheinander mit quietschenden Reifen zum Stehen. Dann erschien ein großes, schwarzes Polizeifahrzeug, machte einen Schwenk und stand den beiden Gebäudeeingängen genau gegenüber. Suchlichter wurden angeschaltet, eine Einheit schwarzuniformierter Männer mit Automatic-Waffen sprang auf die Straße und nahm eine geduckte Angriffsstellung ein, nur teilweise von Polizeiwagen verborgen — ein Sturmangriff stand bevor!

Idioten. Verdammte Idioten! Carlos so gegenüberzutreten bedeutete, ihn zu verlieren! Töten war sein Beruf, Entkommen seine Leidenschaft. Vor dreizehn Jahren hatte Borowski erfahren müssen, daß der Schlupfwinkel von Carlos im hügeligen Vitry-sur-Seine außerhalb von Paris mehr falsche Wände und versteckte Treppen besaß als das Loire-Schloß eines Edelmannes zur Zeit von Ludwig XIV. Und bei drei scheinbar getrennten Gebäuden auf dem Boulevard Lefebvre konnte man sich nur zu gut vorstellen, daß es reichlich versteckte unterirdische Tunnel gab, die sie miteinander verbanden und ausgeklügelte Fluchtwege boten.

Wer hatte das nur veranlaßt? Hatten das Deuxieme oder Peter Hollands Pariser Büro der CIA sein Telefon im Pont-Royal angezapft? Doch es war beinahe unmöglich, kurzfristig ein Telefon in einem relativ kleinen Hotel anzuzapfen, ohne entdeckt zu werden. Santos? Wanzen, die vom Zimmermädchen oder einem Kellner im Zimmer angebracht worden waren? Unwahrscheinlich. Santos würde den Schakal nicht bloßstellen. Wer? Wie? Die Fragen brannten ihm auf den Lippen, als er mit Schrecken und Entsetzen die Szene beobachtete, die sich vor ihm auf dem Boulevard Lefebvre abspielte.

«Achtung, hier spricht die Polizei. Alle Bewohner haben das Gebäude zu räumen. «Ein metallisches Echo klang die Straße hinunter.»Sie haben eine Minute Zeit, bevor wir zu aggressiven Maßnahmen greifen.«

Was für aggressive Maßnahmen? schrie es in Borowski. Ihr habt ihn verloren. Ich habe ihn verloren. Wahnsinn! Wer? Warum?

Oben an der Treppe auf der linken Seite des Gebäudes ging eine Tür auf. Ein verschüchterter Mann, klein, beleibt, in Unterhemd und Hosen, die von Hosenträgern gehalten wurden, kam vorsichtig in das Flutlicht heraus, schützte seine Augen mit dem Unterarm vor dem Gesicht.»Was ist los, Messieurs?«schrie er mit zitternder Stimme.»Ich bin nur ein Bäcker, ein guter Bäcker, und ich weiß nichts über diese Straße, als daß die Mieten hier günstig sind! Ist das ein Verbrechen?«