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Fernseher, als wäre nichts passiert? Niemand kommt heraus, um sich mit seinen Nachbarn zu besprechen? Das kann nicht sein, Francois. Das ist gesteuert worden.«

«Und wie?«

«Ein Mann kommt heraus und brüllt in das Flutlicht. Die Aufmerksamkeit wird auf ihn gelenkt, und wertvolle Sekunden vergehen. Dann erscheint eine Nonne auf der anderen Seite, gehüllt in heilige Entrüstung — noch mehr Zeit geht verloren, mehr Zeit für Carlos. Der Sturm findet statt, und das Deuxieme hat null in der Hand… Und dann ist alles vorbei, alles wieder normal… Das war ein Job nach einem genau festgelegten Plan. Kein Grund für aufgeregte Gespräche, kein Versammeln in der Straße, nicht einmal eine gemeinsame Empörung im nachhinein. Einfach Leute drinnen, ganz ruhig, die ihre Erfahrungen austauschen. Was kann das heißen?«

«Eine von Profis durchdachte Strategie«, sagte der alte Agent.

«Das ist es, was auch ich denke, und Carlos wird seinen Laden hier dichtmachen, und er wird es schnell tun. Er hat keine andere Wahl. Irgend jemand in seiner Prätorianergarde hat den Ort seines Pariser Hauptquartiers verraten, und Sie können Ihre Rente verwetten — wenn Sie jetzt noch eine bekommen —, daß er die Wände hochgehen und mit allen Mitteln versuchen wird herausfinden, wer ihn betrogen hat…«

«Zurück!«schrie Bernardine und schnappte Jason an seiner schwarzen Jacke und stieß ihn in die dunkelste Ecke des Ladeneingangs.»Aus der Sicht! Flach auf den Boden!«

Beide Männer warfen sich auf den bröckligen Zement. Borowskis Gesicht lag an der niedrigen Mauer unter der Schaufensterscheibe, und er verrenkte den Kopf, um auf die Straße zu schauen. Ein zweiter dunkler Mannschaftswagen erschien von rechts, aber es war kein Polizeiwagen. Er war glänzender, kleiner, etwas breiter, mit geringerer Bodenfreiheit und mit stärkerem Motor. Nur etwas hatte er mit dem

Polizeifahrzeug gemein, das war das Suchlicht… Nein, nicht eins, sondern zwei Suchlichter, eins auf jeder Seite der Windschutzscheibe. Beide leuchteten hin und her, um die Flanken des Fahrzeugs zu kontrollieren. Jason langte nach der Waffe in seinem Gürtel — die Pistole, die er von Bernardine geliehen hatte —, als er merkte, daß sein Genosse ebenfalls bereits seine Automatic gezogen hatte. Der Strahl des Suchlichts glitt über ihre Körper hinweg.

«Einen Moment lang habe ich schon geglaubt, mein ehemaliger Kollege sei zurückgekehrt, um mich tatsächlich ins Jenseits zu befördern«, flüsterte Francois.»Mein Gott, sehen Sie nur.«

Das Fahrzeug fuhr an den ersten beiden Gebäuden vorbei, machte dann plötzlich einen Bogen und hielt vor dem letzten Haus, etwa siebzig Meter von ihrem Versteck entfernt. Es war das Haus, das am weitesten vom Telefon des Schakals entfernt lag. Kaum war das Fahrzeug zum Stehen gekommen, öffnete sich die hintere Tür, und vier Männer sprangen mit automatischen Feuerwaffen in den Händen heraus. Zwei rannten jeweils zu den Ecken des Hauses, einer zum Eingang, und der vierte stand drohend mit seiner schußbereiten MAC-10 an der geöffneten Wagentür. Ein gelber Lichtschein wurde oben auf der Treppe sichtbar, die Tür ging auf, und ein Mann in einem schwarzen Regenmantel trat heraus. Er sah kurz den Boulevard Lefebvre hinauf und hinunter.

«Ist er das?«flüsterte Frangois.

«Nein, es sei denn, er trägt hohe Schuhe und eine Perücke«, antwortete Jason und griff in seine Jackentasche.»Ich erkenne ihn, sobald ich ihn sehe — weil ich ihn jeden Tag in meinem Leben sehe!«Borowski nahm eine der Granaten heraus, die er von Bernardine hatte. Er überprüfte den Abzug, legte seine Pistole hin, packte mit der einen Hand das pockennarbige Stahloval und zog mit der anderen am Griff, um sicherzugehen, daß sie nicht korrodiert war.

«Was, zum Teufel, soll das werden?«fragte der alte Veteran vom Deuxieme.

«Der Mann dort oben ist ein Lockvogel«, antwortete Jason, und seine Stimme wurde kalt und monoton.»In wenigen Sekunden wird ein anderer seinen Platz einnehmen, die Stufen hinunterrennen und in den Wagen springen, entweder auf den Vordersitz oder durch die Hintertür — ich hoffe auf letzteres, obwohl es keinen großen Unterschied macht.«

«Sie sind verrückt! Man wird Sie töten! Was nützt Ihrer Familie eine Leiche?«

«Denken Sie nach, Francois. Die Wächter werden zurück nach hinten rennen, weil vorne kein Platz ist. Und es ist ein großer Unterschied, ob man in einen Lastwagen hineinklettert oder herausspringt. Das geht viel langsamer. Und wenn der letzte Mann drinnen ist und die Tür hinter sich schließt, wird meine gezündete Granate im Wagen liegen… Ich habe überhaupt nicht die Absicht, eine Leiche zu werden. Sie bleiben hier.«

Bevor Bernardine irgendwelche Einwände machen konnte, kroch Delta one auf den dunklen Boulevard; die grellen Lichtkegel der Suchscheinwerfer beleuchteten Seiten des Fahrzeugs und erhöhten so Borowskis Schutz. Das grelle weiße Licht um den Wagen herum machte die alles umgebende Finsternis noch dunkler. Das einzig wirkliche Risiko bildete die Wache an der rückwärtigen Tür. Indem er die Schatten der aufeinanderfolgenden Geschäfte nutzte, als würde er im Mekongdelta durch hohes Gras zu einem in Flutlicht getauchten Gefangenenlager robben, kroch Jason bei jedem abschweifenden Blick der Wache langsam weiter, wobei er gleichzeitig auch den Mann oben an der Tür auf der Treppe im Blick behielt.

Plötzlich tauchte eine weitere Figur auf, eine Frau, die einen kleinen Koffer in der einen Hand hielt, eine große Geldbörse in der anderen. Sie sprach mit dem Mann in dem schwarzen

Regenmantel und lenkte so die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich. Borowski schob sich auf Ellbogen und Knien weiter über das Pflaster vor, bis er jenen dem Wagen am nächsten gelegenen Punkt erreichte, der ihm noch ausreichend Schutz bot. Seine Position konnte unter den gegebenen Umständen nicht günstiger sein. Jetzt kam alles auf sein Tuning an, auf Präzision und auf die Erfahrungen, die er in den Zeiten hatte sammeln können, die zum Teil nur bruchstückhaft in seiner Erinnerung existierten. Er mußte sich erinnern! Sein Instinkt mußte ihn durch den Nebel führen. Jetzt. Das Ende des Alptraums war in Sicht.

Da passierte es! Plötzlich gab es eine heftige Aktivität an der Tür, als eine dritte Figur herausgelaufen kam und sich zu den beiden anderen gesellte. Der Mann war kleiner, trug eine Baskenmütze und eine Aktentasche. Offenbar erteilte er Befehle, die auch die rückwärtige Wache angingen, die nach vorne zum Bürgersteig rannte. Der neu Angekommene schleuderte ihm die Aktentasche entgegen. Instinktiv klemmte die Wache ihre Waffe unter den linken Arm und fing die Tasche auf.

«Allez, allez! Novs partons! Vite!« schrie der zweite Mann und machte den anderen beiden ein Zeichen. Er ging neben der Frau, während der Mann im Regenmantel ihnen mit dem Wächter von der Tür her folgte… Der Schakal? War es Carlos? Wirklich?

Borowski wünschte verzweifelt, daß er es war — deshalb war er es! Auf das Geräusch vom Zuschlagen der Seitentür folgte das Starten des starken Motors — das Signal für die drei anderen Wächter, von ihren Posten zur rückwärtigen Tür des Wagens zu rennen. Einer nach dem anderen kletterten sie hinter dem Mann im Regenmantel her, indem sie zunächst die Waffen hineinwarfen, sich auf die Zehenspitzen stellten, mit ausgestreckten Armen den Türrahmen ergriffen, um sich daran in den Wagen zu schwingen. Dann griffen zwei Hände nach dem inneren Türgriff…

Jetzt! Borowski packte den Griff der Granate und schnellte auf die Füße, rannte, wie er nie in seinem Leben gerannt war, zu der zuschwingenden rückwärtigen Tür. Er hechtete vorwärts, machte im Flug eine Drehung, landete auf dem Rücken, ergriff die linke Türfüllung und warf die Granate hinein, den Abzug der Bombe in seiner Hand. Sechs Sekunden, dann würde sie explodieren. Jason kam mit ausgestreckten Armen auf die Knie und donnerte die Tür zu. Ein Feuerstoß war die Antwort. Aber welch ein unbeabsichtigter Umstand! Der Wagen des Schakals war kugelsicher, und das galt natürlich auch für Schüsse von drinnen! Der Stahl drang nicht nach draußen. Es gab nur die dumpfen Aufschläge und das Pfeifen der Querschläger… und die Schreie der Verwundeten drinnen.