Выбрать главу

«Ich verstehe… Was ist mit deinem Report? Und meinem?«

«Du hast einen Hinweis erhalten — der Informant wird nicht genannt —, daß im Zusammenhang mit einer Rauschgiftgeschichte Gewalttätigkeiten zu genau dieser Zeit auf dem Boulevard Lefebvre stattfinden würden. Du hast ein Polizeiaufgebot herbeordert und nichts gefunden. Aber kurz danach hat dich dein enorm professioneller Instinkt noch einmal hergeführt, unglücklicherweise zu spät, um die Schlachterei zu verhindern.«

«Ich könnte sogar ausgezeichnet werden«, sagte der Kollege und runzelte bedrückt die Stirn.»Und dein Bericht?«

«Wir werden sehen, ob der überhaupt notwendig ist, nicht wahr?«antwortete der neu eingesetzte Berater des Deuxieme.

Die Krankenwärter wickelten die Körper der Opfer in Decken ein und legten sie in die Ambulanz. Ein Räumfahrzeug lud die Überreste des Fahrzeugs in einen riesigen Container. Die Leute fegten die Straße, wobei einer anmerkte, daß sie nicht zu gründlich fegen sollten, weil man den Boulevard sonst nicht wiedererkennen würde. Eine Viertelstunde später war der Job erledigt. Das Räumfahrzeug fuhr weg und nahm auch den letzten Polizisten mit, um ihn am nächsten Polizeifunk, ein paar Blocks weiter, abzusetzen. Es war gut vier Uhr früh, und bald würde das Licht der Dämmerung den Himmel von Paris überziehen. Die einzigen Lebenszeichen am Boulevard Lefebvre bestanden aus fünf erleuchteten Fenstern in der Häuserreihe, die von Carlos, dem Schakal, kontrolliert wurde. In jenen Zimmern saßen Männer und Frauen, denen es nicht erlaubt war zu schlafen. Sie hatten für ihren Monseigneur Arbeiten zu erledigen.

Borowski saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Bürgersteig, den Rücken an die Wand eines Geschäftseingangs gelehnt, der dem Gebäude gegenüberlag, wo der erschrockene, aber beredte Bäcker und die äußerst indignierte Nonne der Polizei entgegengetreten waren. Bernardine saß in einem ähnlichen Eingang etwa hundert Meter weit entfernt, gegenüber dem ersten Haus, wo der Lieferwagen des Schakals mit seiner zum Tode verurteilten Ladung gehalten hatte. Ihre Verabredung war eindeutig: Jason würde dem ersten Menschen, der eines der Häuser verließ, folgen und ihn mit Gewalt ergreifen. Der alte Veteran des Deuxieme würde der zweiten Person folgen, aber keinen Kontakt herstellen, sondern nur seinen oder ihren Bestimmungsort feststellen. Nach Borowskis Urteil würde entweder der Bäcker oder die Nonne der Bote des Mörders sein, weswegen er das Nordende der steinernen Häuser gewählt hatte.

Er sollte zumindest teilweise recht behalten, hatte aber die Situation dennoch unterschätzt. Um 5.17 Uhr kamen zwei Nonnen in vollem Habit und weißen Hauben mit zwei Fahrrädern die Straße vom Südende her hochgefahren und klingelten mit ihren Fahrradglocken, als sie vor dem Haus hielten, das angeblich der Sitz der Barmherzigen Schwestern war. Die Tür ging auf, und weitere drei Nonnen, von denen jede ein Fahrrad trug, kamen heraus und gingen die Stufen hinunter, um sich zu ihren Barmherzigen Schwestern zu gesellen. Gemeinsam fuhren sie die Straße wieder hinauf. Der einzige Trost für Jason war, daß die indignierte Nonne am Ende der Prozession fuhr. Ohne zu wissen, wie es anzufangen war, nur, daß er es irgendwie schaffen mußte, sprang er aus seinem Versteck und rannte über die dunkle Straße. Als er den Schatten des Trümmergrundstücks neben dem Haus des Schakals erreicht hatte, öffnete sich eine weitere Tür. Er hockte sich hin und beobachtete den dicken Bäcker, wie er schnell die Stufen hinunterwatschelte und Richtung Süden ging. Bernardine hat also auch eine Aufgabe zu erledigen, dachte Jason, sprang wieder hoch und rannte der Prozession der radelnden Nonnen hinterher.

Der Pariser Verkehr ist ein endloses Rätsel, unabhängig von der Tageszeit. Er liefert Entschuldigungen für jeden, der zu früh oder zu spät kommen möchte oder der am richtigen oder verkehrten Ziel angekommen ist. Und so erging es auch den Barmherzigen Schwestern, besonders der offiziellen Oberhenne, die allein am Ende radelte. An einer Kreuzung der Rue Lecourbe am Montparnasse hinderte sie eine Verstopfung mit Lastwagen daran, ihren frommen Kolleginnen zu folgen. Sie winkte ihnen gnädig zu und bog abrupt in eine enge Seitenstraße ein, wo sie schneller als zuvor radelte. Borowski, dessen Wunde im Nacken plötzlich einen stechenden Schmerz verursachte, beschleunigte sein Tempo nicht, das brauchte er nicht. Auf dem blauen Schild mit den weißen Buchstaben am Eingang der Straße stand IMPASSE, Sackgasse.

Er fand das Fahrrad an eine erloschene Straßenlaterne gekettet und wartete in der Dunkelheit eines Torwegs nur fünf Meter weiter. Mit der Hand tastete er die feuchte Bandage an seinem Hals ab. Es war nur ein leichtes Bluten. Mein Gott, wie müde seine Beine waren! Sie schmerzten vor Anstrengung. Er lehnte sich gegen die Wand, sein Atem ging schwer, und er beobachtete das Fahrrad, wobei er versuchte, seinen Gedanken zu unterdrücken, der mit scheußlicher Regelmäßigkeit immer wiederkehrte: Vor wenigen Jahren nur hätte er die Ermüdung seiner Beine nicht gespürt — falsch: Es hätte sie gar nicht gegeben.

Das Geräusch vom Öffnen eines Schlosses unterbrach die Stille in der dämmrigen, engen Gasse, gefolgt vom Knarren einer schweren Tür. Es war der Eingang zur Wohnung gegenüber dem angeketteten Fahrrad. Mit dem Rücken an der Wand löste Jason die Pistole aus seinem Gürtel und beobachtete die Nonne, die über die Gasse zu ihrem Fahrrad lief. Sie fummelte mit dem Schlüssel im dämmrigen Licht herum und versuchte ungeschickt, ihn ins Schloß zu stecken. Borowski trat auf den Bürgersteig und machte ein paar schnelle, leise Schritte.

«Sie werden zu spät zur Frühmesse kommen«, sagte er.

Die Frau schnellte herum, die Schlüssel flogen zu Boden, und blitzschnell griff sie zwischen die Falten ihres Nonnenrocks. Doch Jason kam ihr zuvor, packte ihren Arm mit der Linken und riß ihr die große, weite Haube herunter. Beim Anblick ihres Gesichts schnappte er nach Luft.

«Mein Gott«, flüsterte er.»Sie!«

Kapitel 27

«Ich kenne Sie!«rief Borowski.»Paris… vor Jahren… Lavier… Jacqueline Lavier. Sie hatten einen dieser Modeshops… Les Classiques, St. Honore — Carlos' Anlauf stelle in Faubourg! Ich hab Sie in einem Beichtstuhl in Neuillysur-Seine gefunden. Ich dachte, Sie wären tot. «Das scharf geschnittene Gesicht der Frau war vor Wut gezerrt. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber Jason machte einen Schritt zur Seite, als sie sich um ihre Achse drehte. Mit einer schnellen Bewegung stieß er sie gegen die Wand, wo er sie, den linken Unterarm an ihrer Kehle, festhielt.

«Aber Sie waren nicht tot. Sie gehörten zu der Falle, die am Louvre endete, am Louvre aufflog!.. Bei Gott, Sie kommen mit mir. So viele Männer mußten sterben — Franzosen —, und ich konnte nicht bleiben, um ihnen zu erzählen, wie es passiert und wer dafür verantwortlich war… Wenn man einen Polizisten tötet, wird das nie aus den Büchern gestrichen. Oh, sie werden sich an den Louvre erinnern, sie werden sich an ihre Leute erinnern!«

«Das ist falsch!«gurgelte die Frau, und ihre weit geöffneten grünen Augen traten aus ihren Höhlen hervor.»Ich bin nicht, wer Sie denken…«

«Sie sind die Lavier! Die Königin von Faubourg, der einzige Kontakt zur Frau des Schakals, der Gattin des Generals. Sagen Sie bloß nicht, ich hab unrecht… Ich habe Sie beide bis nach Neuilly verfolgt, zu der Kirche, wo die Glocken bimmelten und überall Priester herumrannten einer von ihnen war Carlos! Minuten später kam seine Hure wieder heraus, Sie aber nicht. Sie ging eilends davon, ich lief hinein und beschrieb Sie einem alten Priester wenn er ein Priester war —, und er sagte mir, Sie wären im zweiten Beichtstuhl von links. Ich ging hinüber, zog den Vorhang zur Seite, und da waren Sie: tot. Ich dachte, Sie wären gerade getötet worden, und alles ging so schnell. Carlos mußte dasein! Er war in meiner Reichweite, in Reichweite meiner Waffe — oder vielleicht war ich in seiner Reichweite. Ich rannte wie ein Idiot herum, und plötzlich sah ich ihn! Draußen auf der Straße, wie ein Priester gekleidet. Ich sah ihn, ich wußte, daß er es war, weil er mich sah und sofort durch den Verkehr davonrannte. Und dann habe ich ihn verloren. Ich verlor ihn!.. Aber ich hatte noch eine Karte. Sie. Ich ließ verlauten, die Lavier ist tot… Es war genau das, was ich tun sollte, nicht wahr? Nicht wahr?«