Выбрать главу

Möglichkeit gab. Beinahe hätte es funktioniert — vor dreizehn Jahren. In einem seltsamen Haus auf der 71. Straße in New York.«

«Ich weiß nicht, was in New York geschah, aber General Villiers hinterließ Anweisungen, daß nach seinem Tod das, was in Paris geschehen war, veröffentlicht werden sollte. Als er starb und die Wahrheit herauskam, wurde Carlos verrückt vor Wut und tötete mehrere hochrangige Militärs, nur weil sie Generäle waren…«

«Aber das ist eine alte Geschichte«, unterbrach Borowski sie.»Heute ist heute. Was geschieht jetzt?«

«Ich weiß es nicht, Monsieur. Meine Chancen sind gleich null, oder? Vermutlich werden entweder Sie oder er mich umbringen.«

«Vielleicht auch nicht. Helfen Sie mir, ihn zu fangen, und Sie sind uns beide los, können ans Mittelmeer ziehen und dort in Frieden leben. Ohne untertauchen zu müssen — nach ein paar profitablen Jahren in Paris.«

«Untertauchen?«fragte die Lavier und studierte das verhärmte Gesicht ihres Überwinders.»Sie meinen verschwinden?«

«Das wird unnötig sein. Carlos wird Sie nicht mehr verfolgen können, weil er tot sein wird.«

«Ich verstehe schon. Es ist das Verschwinden, was mich interessiert, und die profitablen Jahre. Soll der Profit von Ihnen kommen?«

«Ja.«

«Ich verstehe… Das, was Sie Santos geboten haben? Ein profitables Verschwinden?«

Die Worte trafen ihn wie ein Schlag ins Gesicht.

«Also war es Santos am Ende«, sagte er leise.»Das Lefebvre war eine Falle.«

«Er ist tot, das Le Coeur wurde geräumt und geschlossen.«

«Was?«Verblüfft starrte Borowski wieder die Frau an.»Das war der Lohn dafür, daß er mich in die Zange genommen hat?«

«Nein, weil er Carlos verraten hat.«

«Verstehe ich nicht.«

«Der Monseigneur hat überall Augen, das wird Sie sicher nicht überraschen. Santos, der absolute Einsiedler, wurde dabei beobachtet, wie er mehrere schwere Kisten mit dem Lieferwagen wegbringen ließ. Und gestern früh hat er versäumt, seinen geschätzten Garten zu beschneiden und zu gießen… Ein Mann wurde zum Lagerhaus des Lebensmittellieferanten geschickt und öffnete die Kisten…«

«Bücher«, unterbrach Jason ruhig.

«Eingelagert bis auf weiteres«, ergänzte Dominique Lavier.

«Der Abgang von Santos sollte schnell und diskret vor sich gehen.«

«Und Carlos wußte, daß es niemanden in Moskau gab, der eine Telefonnummer weitergeben würde.«

«Wie bitte?«

«Nichts… Was war Santos für ein Mensch?«

«Ich habe ihn nie kennengelernt, nie gesehen. Ich habe nur von ihm gehört — was nicht viel war.«

«Für viel habe ich auch gar keine Zeit. Was also?«

«Äußerlich ein sehr großer Mann…«

«Das weiß ich«, unterbrach Jason ungeduldig.»Und durch die Bücher wissen wir beide, daß er sehr belesen gewesen sein muß. Woher kam er, und warum arbeitete er für den Schakal?«

«Man sagt, daß er Kubaner war und für Castro gekämpft hat, daß er ein tiefer Denker war und zusammen mit dem Commandante Recht studiert hat und daß er ein großer Athlet war. Dann, wie in allen Revolutionen, werden die Siege durch innere Kämpfe zunichte gemacht das zumindest haben mir meine alten Freunde aus den Tagen der Mai-Barrikaden erzählt.«

«Übersetzt heißt das?«

«Fidel war eifersüchtig auf die Führer bestimmter Gruppen, besonders auf Che Guevara und den Mann, den Sie als Santos kannten. Wo Castro größer als das Leben war, waren diese beiden größer als er, und Fidel konnte diese Konkurrenz nicht ertragen. Che wurde auf eine Mission geschickt, die sein Leben beendete, und gegen Santos wurden zusammengebastelte konterrevolutionäre Anklagen erhoben. Er stand kurz vor der Exekution, als Carlos und seine Leute in das Gefängnis eindrangen und ihn wegzauberten.«

«Zauberten? Als Priester verkleidet, zweifellos.«

«So wird es wohl gewesen sein. Die Kirche mit ihren mittelalterlichen Geistesstörungen hatte Kuba einmal fest im Griff.«

«Das klingt bitter.«

«Ich bin eine Frau, der Papst ist es nicht.«

«Ein abschließendes Urteil… Santos hat sich also Carlos angeschlossen, zwei desillusionierte Marxisten auf der Suche nach ihrer persönlichen Sache — oder vielleicht ihrem persönlichen Hollywood.«

«Das verstehe ich nicht, Monsieur. Aber wenn ich Sie in etwa richtig verstehe, dann hat Carlos die brillante Phantasie, und das Schicksal von Santos war die bittere Desillusion. Er schuldete dem Schakal sein Leben, warum sollte er es ihm nicht geben? Was war für ihn noch geblieben?… Bis Sie kamen.«

«Mehr muß ich nicht wissen. Danke. Ich wollte nur ein paar Lücken geschlossen haben.«

«Lücken?«

«Dinge, die ich nicht wußte.«

«Was wissen wir denn, Monsieur Borowski? War das nicht Ihre ursprüngliche Frage?«

«Was wollen Sie tun, Madame Lavier?«

«Ich weiß nur, daß ich nicht sterben will. Jahrelang war ich ein teures Callgirl in Monte Carlo, Nizza und Cap Ferrat. Und einige alte Freunde sind mir aus den alten Tagen geblieben, gelegentliche Liebhaber, die um der alten Zeiten willen zu mir kommen. Die meisten sind allerdings schon tot, ein Jammer, wirklich.«

«Ich dachte, Sie sagten, Sie seien enorm gut dafür bezahlt worden, die Identität Ihrer Schwester anzunehmen.«

«Oh, ja, wurde ich, und bis zu einem gewissen Grad werde ich es noch. Ich bewege mich in der Oberschicht von Paris, wo der Klatsch blüht, und das ist oft hilfreich. Ich habe eine wunderschöne Wohnung in der Avenue Montaigne. Antiquitäten, wertvolle Bilder, Bedienstete, diverse Konten — alles, was eine Frau der eleganten Mode haben muß, was von den Kreisen, in denen sie sich bewegt, erwartet wird. Und Geld. Jeden Monat werden mir aus Genf achtzigtausend Francs überwiesen — weit mehr, als ich brauche, um die Rechnungen zu bezahlen. Denn, Sie verstehen, ich muß sie bezahlen, niemand sonst.«

«Dann haben Sie also Geld.«

«Nein, Monsieur. Ich habe einen Lebensstil, kein Geld. Das ist die Methode des Schakals. Außer bei den alten Männern zahlt er nur, wenn er eine unmittelbare Dienstleistung erhält. Und wenn das Geld aus Genf nicht am Zehnten jedes Monats auf meiner Bank ist, werde ich innerhalb von dreißig Tagen aus meiner Wohnung geworfen. Allerdings, wenn Carlos sich entschließt, mich loszuwerden, kann er es einfacher haben. Ich werde schlicht und einfach umgelegt. Wenn ich heute morgen in meine Wohnung in der Avenue Montaigne zurückgehe, werde ich da nie mehr herauskommen… wie meine Schwester nie mehr aus jener Kirche in Neuilly-sur-Seine herausgekommen ist. Zumindest nicht lebendig.«

«Davon sind Sie überzeugt?«

«Natürlich. An der Stelle, wo ich mein Fahrrad angekettet hatte, sollte ich Anweisungen von einem der alten Männer erhalten. Die Befehle waren präzise und sollten präzise befolgt werden. Ich sollte eine Frau, die ich kenne, in zwanzig Minuten bei einer Bäckerei in Saint-Germain treffen, wo wir die Kleidung getauscht hätten. Sie sollte zurück in die Mission fahren, und ich sollte in einem Zimmer des Hotel Tremoille einen Kurier aus Athen treffen.«

«Die Mission? Sie wollen sagen, daß die Frauen auf Rädern wirklich Nonnen waren?«

«Ja, mit dem Gelübde der Keuschheit und der Armut, Monsieur. Ich bin eine Oberin aus dem Kloster von Saint-Malo, die häufig zu Besuch kommt.«

«Und die Frau in der Bäckerei. Ist sie…?«

«Sie fällt ab und zu in Ungnade, aber sie ist eine perfekte Verwalterin.«

«Großer Gott!«

«Sehen Sie endlich die Hoffnungslosigkeit meiner Position?«

«Ich bin mir nicht sicher.«

«Dann sehe ich mich gezwungen, mich zu fragen, ob Sie wirklich das Chamäleon sind. Ich war nicht in der Bäckerei. Das Treffen mit dem griechischen Kurier fand niemals statt. Wo war ich?«