«In Ordnung, wir werden nicht über ihn reden. Dennoch, er hat Les Capucines erwähnt — was meinte er damit?«
«Das ist unser Ausweg. Dort wartet ein Auto auf mich. Das hat er mir sagen wollen. Gehen wir!«
Sie rasten mit dem Peugeot in Richtung Süden aus Paris nach Villeneuve-St.-Georges. Marie saß dicht neben ihrem Mann. Ihre Körper berührten sich, und ihre Hand hielt seinen Arm umklammert. Es machte sie jedoch ganz krank, als sie merkte, daß die Wärme, die sie ihm geben wollte, nicht in gleichem Maße erwidert wurde. Nur ein Teil des Mannes hinter dem Steuer war ihr David, der Rest von ihm war Jason Borowski, und der hatte jetzt das Kommando.
«Um Gottes willen, rede mit mir!«rief sie.
«Ich denke… Warum bist du nach Paris gekommen?«
«Guter Gott!«explodierte Marie.»Um dich zu finden, dir zu helfen!«
«Ich bin sicher, du dachtest, es wäre richtig… War es aber nicht.«
«Wieder diese Stimme«, protestierte Marie.»Dieser verdammte körperlose Ton in deiner Stimme! Wer, zum Teufel, glaubst du, daß du bist, um so ein Urteil zu fällen? Gott? Um es klar zu sagen — nein, nicht klar, sondern brutal —, es gibt Dinge, an die du dich nicht erinnerst, Liebling.«
«Nicht bezüglich Paris«, wiedersprach Jason.»Ich erinnere mich an alles in Paris. Alles.«
«Da war dein Freund Bernardine anderer Meinung! Er sagte mir, daß du niemals das Meurice gewählt hättest, wenn es so wäre.«
«Was?«Borowski warf seiner Frau einen kurzen, strengen Blick zu.»Denke nach. Wie bist du auf das Meurice gekommen…?«
«Ich weiß nicht… Ich bin nicht sicher. Es ist ein Hotel. Mir fiel der Name gerade ein.«
«Denke nach. Was geschah vor Jahren im Meurice direkt vor dem Meurice?«
«Ich — ich weiß, daß was passierte… Du?«
«Ja, mein Lieber, ich. Ich stand dort unter falschem Namen, und du kamst, um mich zu treffen, und wir gingen zu dem Zeitungskiosk an der Ecke, wo wir beide in einem schrecklichen Augenblick wußten, daß mein Leben niemals mehr dasselbe sein würde — mit dir oder ohne dich.«
«Oh, Gott! Die Zeitungen — dein Foto auf allen Titelblättern. Du warst die Beamtin der kanadischen Regierung, die…«
«Die entkommene kanadische Betriebswirtin«, unterbrach Marie,»wegen mehrerer Morde in Zürich im Zusammenhang mit dem Dieb stahl mehrerer Millionen von Schweizer Banken von den Behörden in ganz Europa gejagt! Solche Schlagzeilen verlassen einen niemals, oder? Sie können widerlegt werden, eindeutig widerlegt werden, aber dennoch gibt es leise Zweifel. Wo Rauch ist, ist auch Feuer, so heißt es doch, glaube ich.
Meine eigenen Kollegen in Ottawa… teure, sehr teure Freunde, mit denen ich jahrelang zusammen gearbeitet hatte… hatten Angst, mit mir zu reden!«
«Warte einen Moment!«rief Borowski, und sein Blick streift erneut Davids Frau.»Sie waren falsch — es war der Treadstone-Trick, um mich hereinzuziehen, du hattest das begriffen, ich nicht!«
«Natürlich hatte ich es begriffen, weil du so angespannt warst, daß du es nicht sehen konntest. Mir machte das damals nichts aus, weil ich mich dazu entschlossen hatte — mit einem sehr präzisen, analytischen Verstand, einem Verstand, der es jederzeit mit deinem aufnimmt, mein lieber Schüler.«
«Was?«
«Paß auf die Straße auf! Du hast die Abzweigung verfehlt, genau wie du die zu unserer Hütte verfehlt hast, vor ein paar Tagen — oder vor ein paar Jahren?«
«Wovon, zum Teufel, sprichst du?«
«Von dem kleinen Restaurant außerhalb von Barbizon. Du hast sie höflich gebeten, das Feuer im Speisezimmer anzuzünden — wir waren die einzigen Leute dort. Es war das drittemal, daß ich durch die Maske von Jason Borowski jemand anders sah, jemanden, in den ich mich furchtbar verliebt hatte.«
«Tu mir das nicht an.«
«Ich muß, David. Und wenn nur für mich allein. Ich muß wissen, daß du da bist.«
Schweigen. Eine Kehrtwendung auf der Landstraße, und der Fahrer trat das Gaspedal bis zum äußersten durch.»Ich bin hier«, flüsterte der Ehemann, hob den rechten Arm und zog sie an sich.»Ich weiß nicht, für wie lange, aber ich bin hier.«
«Beeil dich, Liebling.«
«Tue ich. Ich will dich nur in meinen Armen halten.«
«Und ich will die Kinder anrufen.«
«Jetzt weiß ich, daß ich hier bin.«
Kapitel 28
«Du wirst uns alle sagen, was wir wissen wollen, freiwillig, oder wir schicken dich auf eine chemische Umlaufbahn, gegen die Panovs Ausflug ein Spaziergang war«, sagte Peter Holland, Direktor der CIA. Seine ruhige, monotone Stimme war so hart und glatt wie polierter Granit.»Außerdem will ich dir den Extremfall erläutern, bis zu dem ich bereit bin zu gehen, weil ich aus der alten Schule bin. Ich scheiße auf Regeln, die nichts taugen. Wenn du mich verarscht, dann werde ich dich lebendig begraben, hundert Kilometer vor der Küste von Kap Hatteras in einer Torpedohülle. Drücke ich mich deutlich aus?«
Der capo subordinato mit dickem Gipsverband um den linken Arm und das rechte Bein lag in einem Bett des ansonsten leeren Krankenzimmers von Langley. Der DCI hatte das Personal zu seinem eigenen Besten außer Hörweite geschickt. Das bereits von Natur aus breite Gesicht des Mafioso war durch Schwellungen an beiden Augen und seinen breiten Lippen noch vergrößert worden, das Ergebnis der Bekanntschaft seines Kopfes mit dem Armaturenbrett, als Mo Panov den Wagen gegen eine Eiche in Maryland gesteuert hatte. Er sah zu Holland auf, und sein Blick unter den schweren Lidern glitt zu Alexander Conklin hinüber, der in einem Stuhl saß und seinen ewigen Stock zwischen seinen unruhigen Händen hatte.
«Sie haben kein Recht, Mr. Großkopf«, sagte der Capo mürrisch.»Weil ich Rechte habe, Sie verstehen, was ich meine?«
«Die hatte der Doktor auch, und ihr habt sie mißachtet — Himmel, und wie ihr sie mißachtet habt!«
«Ohne meinen Anwalt brauche ich kein Wort zu sagen.«
«Wo war Panovs Anwalt, verflucht?«schrie Alex und stieß mit dem Stock auf den Boden.
«So geht's nicht«, protestierte der Patient und versuchte, seine Augenbrauen indigniert zu heben.»Außerdem war ich gut zum Doktor, und er hat meine Güte ausgenutzt, so wahr mir Gott helfe!«
«Du bist ein Witz«, sagte Holland.»Der Entwurf für einen Witz, aber in keiner Weise amüsant. Es gibt keine Anwälte hier, nur uns drei, und eine Torpedohülle scheint für deine Zukunft bereit zu sein.«
«Was wollen Sie von mir?«schrie der Mafioso.»Was weiß ich schon? Ich tue nur, was mir gesagt wird, wie es mein Bruder getan hat — möge er in Frieden ruhen —, und mein Vater — möge er auch in Frieden ruhen —, und wahrscheinlich dessen Vater, über den ich nichts weiß.«
«Es ist wie mit den aufeinanderfolgenden Generationen bei der Wohlfahrt, nicht wahr?«bemerkte Conklin.»Die Parasiten verzichten niemals auf die Stütze.«
«He, Sie sprechen über meine Familie — was immer Sie da reden.«
«Meine Entschuldigung an Ihre Heraldik«, fügte Alex hinzu.
«Und genau an dieser deiner Familie sind wir interessiert, Augie«, flocht der DCI ein.»Du heißt doch Augie, oder? Stand auf einem der fünf Führerscheine, und wir dachten, er sähe am echtesten aus.«
«Sie sind doch nicht so großartig, Mr. Großkopf!«spuckte der bewegungsunfähige Patient zwischen den schmerzhaft geschwollenen Lippen hervor.»Die waren alle falsch.«
«Aber irgendwie müssen wir dich nennen«, sagte Holland.»Und wenn nur, um es in die Torpedohülle einzubrennen, die wir vor Hatteras versenken werden, damit dir irgendein kahlköpfiger Archäologe in ein paar tausend Jahren eine Identität geben kann, wenn er dir die Zähne vermessen wird.«
«Wie war's mit Chauncy?«fragte Conklin.
«Zu menschlich«, antwortete Peter.»Mir gefällt Arschloch, denn das ist er. Er wird in eine Röhre gesteckt und über dem Kontinentalschelf ins Meer geworfen, wo es siebentausend Meter tief ist — für Verbrechen, die andere begangen haben. Ich denke, so einer ist ein Arschloch.«