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«Könnten wir zu dem zurückkommen, weswegen wir hier sind?«sagte das Chamäleon barsch.»Die Vergangenheit interessiert mich nicht, nur die Zukunft.«

«Du bist nicht nur grob, du bist auch entsetzlich undankbar.«

«So sei es. Wo waren wir?«

«Im Augenblick bei Prefontaine«, erwiderte Alex scharf und sah Borowski an.»Aber vielleicht ist er nicht so wichtig, weil er Boston nicht überleben wird… Ich ruf dich morgen im Gasthof von Barbizon an und mach eine Zeit zum Mittagessen ab. Hier draußen. Achte auf der Rückfahrt darauf, wie lange du brauchst, damit wir hier morgen nicht wie partnerlose Schneegänse rumhängen. Außerdem, wenn dieser fette Bursche mit seiner cuisine recht hat, wird Kruppie begeistert sein und jedem erzählen, er hätte es entdeckt.«

«Kruppie?«

«Ich habe dir gesagt, wir kennen uns seit Urzeiten.«

«Und bohr da bloß nicht weiter«, fügte Panov hinzu.»Du möchtest bestimmt nichts von Istanbul und Amsterdam wissen. Er und Alex sind aus einem Holz — zwei kleine Ganoven.«

«Darüber sehen wir hinweg«, sagte Marie.»Weiter, Alex, was ist mit morgen?«

«Mo und ich werden uns ein Taxi zu eurem Hotel nehmen, und dein Mann und ich werden hierher zurückfahren. Wir rufen euch dann später an.«

«Was ist mit eurem Fahrer, den euch Casset besorgt hat?«fragte das Chamäleon, die Augen kalt und fragend.

«Was soll mit ihm sein? Er bekommt für heute abend doppelt soviel, wie er mit seinem Taxi sonst in einem Monat einfahren könnte, und nachdem er uns am Hotel abgesetzt hat, wird er verschwinden. Wir werden ihn nicht wiedersehen.«

«Wird er irgend jemand anderen sehen?«

«Nicht, wenn er leben und Geld an seine Verwandten in Algerien schicken möchte. Ich habe es dir gesagt: Casset hat ihn entlastet. Er ist eisern.«

«Dann also morgen«, sagte Borowski grimmig und sah Marie und Morris Panov über den Tisch hinweg an.»Während wir nach Paris fahren, bleibt ihr draußen in Barbizon, und ihr werdet den Gasthof nicht verlassen. Habt ihr beiden das verstanden?«

«Weißt du, David«, antwortete Marie wutschnaubend und unbeugsam.»Ich will dir was sagen: Mo und Alex gehören genauso zur Familie wie die Kinder, also werde ich es in ihrer Gegenwart sagen. Wir alle, allesamt, lassen dir deinen Willen und verhätscheln dich wegen der schrecklichen Dinge, die du durchmachen mußtest. Aber du kannst und wirst uns nicht herumkommandieren, als wären wir in deiner erlauchten Gegenwart untergeordnete Geschöpfe. Verstehst du das?«

«Laut und deutlich, Lady. Dann solltest du vielleicht besser in die Staaten zurückfliegen, damit du dich nicht mit meiner erlauchten Gegenwart abfinden mußt. «Jason Borowski erhob sich vom Tisch, schob den Stuhl zurück.»Morgen wird ein anstrengender Tag sein, ich werde also etwas Schlaf brauchen. Davon habe ich in letzter Zeit nicht viel gehabt — und ein besserer Mensch als irgendeiner von uns hat mir mal gesagt, daß die Ruhe eine Waffe ist. Ich glaube daran… Ich werde zwei Minuten im Wagen warten, überleg es dir. Ich bin sicher, Alex kann dich aus Frankreich rausbringen.«

«Mistkerl«, flüsterte Marie.

«Geh zu ihm«, sagte Panov.»Du weißt, was sonst passiert.«

«Ich kann nicht damit umgehen, Mo!«

«Geh nicht damit um, sei einfach bei ihm. Wir sind das einzige Halteseil, das er hat. Du mußt nicht mal reden, sei einfach da. Bei ihm.«

«Er ist wieder der Killer geworden.«

«Er würde dir niemals etwas antun.«

«Natürlich nicht, das weiß ich.«

«Dann halte für ihn die Verbindung zu David Webb. Sie darf nicht völlig abreißen, Marie.«

«Oh, Gott, ich liebe ihn so!«rief die Frau, stand eilig auf und rannte hinter ihrem Mann her — der im Moment jemand anders war.»War das der richtige Rat, Mo?«fragte Conklin.

«Ich weiß nicht, Alex. Ich glaube einfach, er sollte mit seinen Albträumen nicht allein sein, niemand von uns sollte das. Das hat mit Psychiatrie nichts zu tun, das ist nichts als gesunder Menschenverstand.«

«Manchmal klingst du wie ein richtiger Arzt, weißt du das?«

Das algerische Viertel von Paris liegt zwischen dem zehnten und elften Arrondissement, kaum drei Blocks, in denen die niedrigen Gebäude pariserisch, die Klänge und Gerüche jedoch arabisch sind. Mit den Insignien der ehrwürdigen Kirche, die klein, aber goldverziert auf den Türen dargestellt waren, fuhr die lange, schwarze Limousine in diese ethnische Enklave. Sie hielt vor einem dreistöckigen Fachwerkhaus, ein alter Priester stieg aus dem Wagen und ging zur Tür. Er wählte einen Namen und drückte auf den zugehörigen Kopf, der eine Klingel im zweiten Stock in Gang setzte.

«Oui?« sagte eine metallische Stimme aus der primitiven Gegensprechanlage.

«Ich bin ein Bote von amerikanische Botschaft«, antwortete der Besucher im religiösen Gewand, sein Französisch teilweise grammatikalisch falsch, wie man es von Amerikanern nur allzu gewohnt ist.»Ich kann meinen Wagen nicht allein lassen, aber wir haben eine dringende Nachricht für Sie.«

«Ich bin gleich unten«, sagte der französisch-algerische Fahrer, den Charles Casset rekrutiert hatte. Drei Minuten später kam der Mann aus dem Gebäude und trat auf den kurzen, schmalen Bürgersteig hinaus.»Wozu haben Sie sich so verkleidet?«fragte er den Boten, der neben dem großen Wagen stand und die Insignien auf der Hintertür verdeckte.

«Ich bin der katholische Militärgeistliche, mein Sohn. Unser militärischer Diensthabender würde gern ein paar Worte mit Ihnen wechseln. «Er öffnete die Tür.

«Ich würde eine Menge für euch tun«, lachte der Fahrer, als er sich hinabbeugte, um in die Limousine zu sehen,»aber in eure Armee eingezogen zu werden, gehört nicht dazu… Ja, Sir, was kann ich für Sie tun?«

«Wohin haben Sie unsere Leute gebracht?«fragte die schattenhafte Gestalt auf dem Rücksitz, ihre Gesichtszüge im Dunkel.»Welche Leute?«sagte der Algerier mit plötzlicher Besorgnis in der Stimme.

«Die beiden, die Sie vor ein paar Stunden am Flughafen abgeholt haben. Den Krüppel und seinen Freund.«

«Wenn Sie von der Botschaft sind und die wollen, daß Sie es wissen, dann werden sie anrufen und es Ihnen sagen, oder?«

«Sie werden es mir sagen!«Ein dritter, kräftig gebauter Mann in einer Chauffeursuniform tauchte hinter dem Kofferraum des Wagens auf. Er hob seinen Arm, schmetterte einen häßlichen, schwarzen Totschläger auf den Schädel des Algeriers und schob sein Opfer ins Wageninnere. Der Geistliche kletterte hinter ihm her und zog die Tür zu, während der Chauffeur um die Haube herum zum Vordersitz lief. Die Limousine raste die Straße hinunter und verschwand.

Eine Stunde später wurde die geschundene und immer noch blutende Leiche des Algeriers auf der verlassenen Rue Houdon, einen Block weit von der Place Pigalle entfernt, aus dem großen Automobil gestoßen. Drinnen sprach eine Gestalt mit ihrem alten, persönlich geweihten Priester.

«Hol deinen Wagen und warte vor dem Hotel von diesem Krüppel. Bleib wach! Am Morgen wird man dich ablösen, und du kannst den ganzen Tag über ausruhen. Berichte mir jede Bewegung und gehe, wohin er geht. Enttäusche mich nicht.«

«Niemals, Monseigneur.«

Dimitrij Krupkin war weder ein großer Mann — auch wenn er größer wirkte, als er war —, noch war er besonders schwer, und dennoch schien er eine sehr viel fälligere Figur zu haben, als sein Äußeres vermittelte. Er hatte ein freundliches, wenn auch etwas fleischiges Gesicht und einen stolzen Kopf, den er aufrecht auf seinen Schultern hielt. Die vollen Augenbrauen und das sorgfältig gekämmte, graumelierte Haar, der Kinnbart, die wachen, blauen Augen und ein anscheinend beständiges Lächeln machten ihn zu einem attraktiven Mann, der sein Leben und seine Arbeit genoß. Im Augenblick saß er an einem Tisch mit Blick auf die hintere Wand des ansonsten leeren Landgasthauses in Epernon, und über den Tisch hinweg betrachtete er Alex Conklin, der neben dem noch unerkannten Borowski saß und gerade erklärt hatte, daß er keinen Alkohol mehr trinke.