«Die Welt ist ihrem Ende nah!«rief der Russe.»Siehst du, was mit einem guten Menschen im zügellosen Westen passiert? Schande über deine Eltern. Sie hätten bei uns bleiben sollen.«
«Ich glaube nicht, daß du die Alkoholismusrate in unseren beiden Ländern vergleichen möchtest.«
«Darauf würde ich kein Geld verwetten«, sagte Krupkin grinsend.»Da wir gerade von Geld sprechen, mein lieber, alter Feind, wie und wo soll ich gemäß unserer telefonischen Abmachung von gestern abend bezahlt werden?«
«Wie und wo möchten Sie bezahlt werden?«fragte Jason.
«Aha, Sie sind der Wohltäter, Sir?«
«Ich werde Sie bezahlen, ja.«
«Moment!«flüsterte Conklin, dessen Aufmerksamkeit auf den Eingang des Restaurant gerichtet war. Er lehnte sich zur offenen Seite der Sitzgruppe, eine Hand an der Stirn, dann zog er sich schnell zurück, als ein Pärchen an einen Tisch in der Ecke links neben der Tür geführt wurde.
«Was ist?«fragte Borowski.
«Ich weiß nicht… Ich bin nicht sicher.«
«Wer ist da reingekommen, Aleksej?«
«Das ist es gerade. Ich habe das Gefühl, ihn zu kennen, komme aber nicht drauf, woher.«
«Wo sitzt er?«
«An einem Tisch in der Ecke hinter der Bar. Er ist mit einer Frau da. «Krupkin rutschte an den Rand seines Sitzes, nahm seine Brieftasche heraus und holte einen kleinen Spiegel von der Größe und Dicke einer Kreditkarte hervor. Er legte beide Hände darum und suchte vorsichtig den richtigen Winkel.
«Du scheinst den Gesellschaftsseiten der Pariser Boulevardblätter verfallen zu sein«, sagte der Russe und lachte leise, als er den Spiegel zurücksteckte und die Brieftasche in seiner Jacke verschwinden ließ.»Er ist an der italienischen Botschaft, und das ist seine Frau. Paolo und Divina sonstwie, mit einem Hauch von Adel, glaube ich. Streng corpo diplomatico. Sie schmücken Parties ganz ungemein, und offenbar sind sie stinkreich.«
«Ich bewege mich nicht in solchen Kreisen, aber irgendwo habe ich ihn schon gesehen.«
«Natürlich hast du das. Er sieht aus wie jeder zweite italienische Leinwandstar mittleren Alters oder einer von diesen Weinbergbesitzern, die im Fernsehen die Vorzüge des Chianti Classico lobpreisen.«»Vielleicht hast du recht.«
«Hab ich. «Krupkin wandte sich wieder Borowski zu.»Ich werde Ihnen den Namen einer Bank samt Kontonummer in Genf aufschreiben. «Der Russe langte in seine Tasche, um einen Schreiber herauszuholen, während er vor sich nach einer Papierserviette griff. Plötzlich kam ein Mann, Anfang Dreißig und mit einem engen Anzug bekleidet, eilig an den Tisch gelaufen.»Was ist los, Sergej?«fragte Krupkin.»Nicht Sie, Sir«, erwiderte der sowjetische Berater.»Er«, fügte er hinzu und deutete mit einem Kopfnicken auf Borowski.
«Was ist los?«wiederholte Jason.»Jemand ist Ihnen gefolgt. Zuerst waren wir uns nicht sicher, denn es ist ein alter Mann, der Probleme mit der Blase hat. Zweimal schon hat er hastig den Wagen verlassen, um sich zu erleichtern, aber als er wieder saß, hat er das Autotelefon benutzt und durch die Windschutzscheibe geblinzelt, um den Namen des Restaurants zu lesen. Das war erst vor wenigen Minuten.«
«Woher wissen Sie, daß er mir gefolgt ist?«
«Weil er kurz nach Ihnen angekommen ist und wir eine halbe Stunde vorher hier waren, um die Gegend zu sichern.«
«Die Gegend zu sichern!«platzte Conklin heraus und sah Krupkin an.»Ich dachte, diese Besprechung sollte streng unter uns bleiben.«
«Lieber Aleksej, gütiger Aleksej, der mich vor mir selbst schützen würde. Glaubst du wirklich, ich würde mich mit dir treffen, ohne an meinen Schutz zu denken? Nicht du persönlich, alter Freund, aber deine Aggressoren in Washington. Kannst du es dir vorstellen? Ein stellvertretender Direktor der CIA verhandelt mit mir über einen Mann, von dem er zu glauben scheint, ich würde ihn nicht kennen. Der widerwärtige Trick eines Amateurs.«
«Verdammt noch mal, ich habe es ihm nicht gesagt!«
«Du meine Güte, dann liegt der Irrtum auf meiner Seite. Ich bitte um Entschuldigung, Aleksej.«
«Tun Sie es nicht«, unterbrach Jason entschlossen.»Dieser alte Mann kommt vom Schakal…«
«Carlos!«rief Krupkin mit gerötetem Gesicht, die wachen, blauen Augen leidenschaftlich, wütend.»Der Schakal ist hinter dir her, Aleksej?«
«Nein, hinter ihm«, antwortete Conklin.»Deinem Wohltäter.«
«Gütiger Gott! So fügt sich alles zusammen. Ich habe also die große Ehre, den berüchtigten Jason Borowski kennenzulernen. Welch ausgesprochenes Vergnügen, Sir! Wir haben dasselbe Ziel, was Carlos betrifft, nicht wahr?«
«Wenn Ihre Männer etwas wert sind, können wir dieses Ziel noch in der nächsten Stunde erreichen. Kommen Sie! Lassen Sie uns hier verschwinden und den Hinterausgang nehmen, durch die Küche, ein Fenster, irgendwas. Er hat mich gefunden, und Sie können Ihren Arsch darauf verwetten, daß er herkommt, um mich zu holen. Aber er weiß nicht, daß wir es wissen. Also los!«
Als die drei Männer sich vom Tisch erhoben, gab Krupkin seinem Mitarbeiter ein paar Anweisungen:»Laß den Wagen zur Rückseite bringen, zum Lieferanteneingang, falls es einen gibt, aber mach es unauffällig, Sergej. Kein Grund zur Eile, verstehst du mich?«
«Wir können eine halbe Meile die Straße runterfahren und auf eine Weide abbiegen, die uns zur Rückseite des Gebäudes führt. Der alte Mann in seinem Wagen wird uns nicht sehen.«
«Sehr gut, Sergej. Und laß unsere Rückendeckung, wo sie ist, aber sie soll sich bereithalten.«
«Natürlich, Genosse.«
«Eine Rückendeckung?«explodierte Alex.»Ihr hattet eine Rückendeckung?«
«Bitte Aleksej, wozu die Wortklauberei? Schließlich ist es deine eigene Schuld. Selbst gestern abend am Telefon hast du mir nicht von deiner Verschwörung gegen deinen eigenen, stellvertretenden Direktor erzählt.«
«Um Gottes willen, das ist keine Verschwörung!«
«Aber auch nicht gerade ein besonders persönliches Verhältnis zwischen Zentrale und Außendienst, oder? Nein, Aleksej Nikolajewitsch Konsolikow, du dachtest, du könntest mich — sagen wir mal — benutzen, und du hast es versucht. Vergiß nie, mein guter, alter Gegenspieler, du bist ein Russe.«
«Würdet ihr zwei den Mund halten und hier verschwinden?«
Sie warteten in Krupkins gepanzertem Citroen am Rande eines überwucherten Feldes dreißig Meter hinter dem Wagen des alten Mannes, die Vorderseite des Restaurants gut im Blick. Zu Borowskis Arger schwelgten Conklin und der KGB-Offizier wie zwei alternde Profis darin, die Strategien vergangener Geheimdienstoperationen zu analysieren, indem sie die Schwächen des jeweils anderen hervorhoben. Die sowjetische Rückendeckung war eine unauffällige Limousine am anderen Straßenrand, schräg gegenüber vom Restaurant. Zwei bewaffnete Männer warteten darauf, herauszuspringen, die automatischen Waffen schußbereit.
Plötzlich hielt ein Renault-Kombi vor dem Gasthof. Drei Pärchen saßen darin, und bis auf den Fahrer stiegen alle aus, lachten und umarmten sich. Wie außer sich liefen sie auf den Eingang zu, während ihr Fahrer den Wagen auf dem kleinen Parkplatz abstellte.
«Haltet sie auf«, sagte Jason.»Sie könnten getötet werden.«
«Ja, das könnten sie, Mr. Borowski, aber wenn wir sie aufhalten, verlieren wir den Schakal.«
Jason starrte den Russen an, unfähig zu sprechen, Wut und Verwirrung trübten seine Gedanken. Dann war es zu spät für Worte. Ein dunkelbrauner Transporter kam die Straße heraufgeschossen, und Borowski fand seine Stimme wieder.
«Das ist der vom Boulevard Lefebvre, der entkommen ist!«
«Der von wo?«fragte Conklin.
«Vor einigen Tagen gab es Ärger am Lefebvre«, sagte Krupkin.»Ein Transporter wurde in die Luft gesprengt. Meinen Sie das?«