«Es war eine Falle… Ein Transporter, dann eine Limousine und ein Doppelgänger von Carlos — eine Falle. Er kam aus einer dunklen Seitenstraße gerast und versuchte, uns niederzuschießen.«
«Uns?«Alex beobachtete Jason. Er sah den unverhohlenen Zorn in den Augen des Chamäleons, den starren, zusammengepreßten Mund, das langsame Strecken und Spannen seiner kraftvollen Hände.
«Bernardine und mich«, flüsterte Borowski und ließ seine Stimme plötzlich lauter werden.»Ich will eine Waffe«, rief er.»Die Kanone in meiner Tasche ist keine gottverdammte Waffe!«
Der Fahrer war Krupkins kräftig gebauter, sowjetischer Mitarbeiter Sergej. Er langte über den Sitz hinweg und hob eine russische AK-47 an. Er hielt sie über seine Schulter, als Jason danach griff.
Eine dunkelbraune Limousine kam kreischend vor dem alten, ausgeblichenen Vordach zum Stehen, und wie eine ausgebildete Kommandoeinheit sprangen zwei Männer aus der Seitentür, die Gesichter unter Strumpfmasken verborgen, automatische Waffen in den Händen. Sie rannten zum Eingang, ließen ihre Körper zu beiden Seiten der Doppeltüren herumwirbeln. Ein dritter kam aus dem quadratischen Fahrzeug: ein fast kahler Mann in einer schwarzen Priesterrobe. Nach einer Geste mit seiner Waffe näherten sich die beiden Männer des Stoßtrupps den Türen, die Hände auf den dicken Messinggriffen. Der Fahrer des Transporters ließ seinen Motor aufheulen.»Los!«schrie Borowski.»Er ist es! Es ist Carlos!«
«Nein!«brüllte Krupkin.»Warten Sie. Es ist jetzt unser Hinterhalt, und er muß erst in die Falle gehen — hinein.«
«Um Gottes willen, da drinnen sind Menschen!«konterte Jason.»Alle Kriege fordern Opfer, Mr. Borowski, und falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten: Das hier ist ein Krieg. Ihrer und meiner. Ihrer ist übrigens weit persönlicher als meiner.«
Plötzlich hörte man den markerschütternden Racheschrei des Schakals, krachend schlugen die Doppeltüren auf, und die Terroristen stürmten ins Innere, die Waffen auf Dauerfeuer.
«Jetzt!«rief Sergej, den Motor gestartet, das Gaspedal auf dem Boden. Der Citroen kam schlingernd auf die Straße und raste auf den Transporter zu, aber innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wurde er aus der Bahn geworfen. Zu ihrer Rechten gab es eine gewaltige Explosion. Der alte Mann und der unauffällige, graue Wagen, in dem er saß, wurden in die Luft gesprengt und ließen den Citroen nach links in einen alten Lattenzaun schleudern, der den tiefer liegenden Parkplatz neben dem Gasthof begrenzte. Im gleichen Augenblick kam der dunkelbraune Transporter des Schakals ruckartig zum Stehen, und der Fahrer sprang heraus, um sich dahinter zu verstecken. Er hatte die sowjetische Rückendeckung gesehen. Als die beiden Russen zum Restaurant liefen, tötete der Fahrer des Schakals einen von ihnen mit einer Salve aus seiner Waffe. Der andere warf sich ins angrenzende, abfallende Gras und beobachtete hilflos, wie Carlos' Fahrer die Reifen und Scheiben des sowjetischen Wagens zerschoß.
«Raus hier!«schrie Sergej und zerrte Borowski von seinem Sitz in den Dreck neben dem Zaun, während sein erstaunter Vorgesetzter und Alex Conklin hinter ihm herauskrochen.
«Los!«rief Jason, packte die AK-47 und kam wieder auf die Beine.»Der Scheißkerl hat den Wagen über Funk in die Luft gesprengt.«
«Ich geh zuerst!«sagte der Russe.
«Warum?«
«Ehrlich gesagt, bin ich jünger…«
«Halt's Maul!«Borowski rannte voraus, lief im Zickzack, während er schoß, ließ sich zu Boden fallen, als Carlos' Fahrer das Feuer erwiderte. Der Mann des Schakals hob sich aus dem Gras, sicher, daß seine Salve getroffen hatte. Sein Kopf tauchte auf, und Jason drückte ab.
Als der zweite Mann der russischen Rückendeckung den Todesschrei hinter dem Transporter hörte, erhob er sich aus dem abfallenden Gras und näherte sich dem Eingang des Restaurants. Von drinnen hörte man unregelmäßige Schüsse, plötzlich Salven, begleitet von panischen Schreien, gefolgt von weiteren Salven. Innerhalb der Mauern des idyllischen Landgasthauses entspann sich ein Alptraum von Entsetzen und Blut. Borowski kam auf die Füße, Sergej neben sich. Im Laufen schlössen sie sich dem vorausgelaufenen Russen an. Auf Jasons Nicken hin zogen die Russen die Türen auf, und sie stürmten wie ein Mann hinein.
Die nächsten sechzig Sekunden waren so entsetzlich wie die schreiende Hölle, dargestellt von Munch. Ein Kellner und zwei der Männer, die unter den drei Pärchen gewesen waren, waren tot — der Kellner und einer der Männer lagen am Boden, die Schädel zerschmettert, was von ihren Gesichtern übrig war, schwamm im Blut. Der dritte Mann lag rückwärts über die gepolsterte Bank gebreitet, die Augen weit aufgerissen und glasig tot, seine Kleider vollkommen durchlöchert, Rinnsale von Blut liefen über den Stoff. Die Frauen standen unter schwerem Schock, stöhnten und schrien abwechselnd, während sie versuchten, über die Kiefernholzwände der Sitzgruppe zu kriechen. Der gutgekleidete Mann und seine Frau von der italienischen Botschaft waren nirgends zu sehen.
Sergej machte plötzlich einen Satz nach vorn, die Waffe auf Dauerfeuer. In einer der hinteren Ecken des Raumes hatte er eine Gestalt entdeckt, die Borowski nicht gesehen hatte. Der Killer mit der Strumpfmaske sprang aus dem Schatten hervor, seine Maschinenpistole schwang in Position, aber bevor er sich seinen Vorteil zunutze machen konnte, schoß der Russe ihn nieder… Ein Mensch taumelte hinter den kurzen Tresen, der als Bar diente. War es der Schakal? Jason drehte sich um die eigene Achse gegen die schräge Wand, hockte sich hin, seine Augen durchbohrten jeden Winkel in der Nähe der Weinregale. Er machte einen Satz zum Fuß der Bar, als der zweite Russe die Situation abschätzte und zu den hysterischen Frauen hinüberlief, herumfuhr und seine Waffe hin und her schwenkte, um sie zu schützen. Der strumpfgesichtige Kopf schoß hinter dem Tresen hervor, die Waffe schwankte über dem Holz. Borowski sprang auf die Füße, packte den heißen Lauf mit der linken Hand, seine Rechte hatte die AK-47 im Griff. Er feuerte aus kürzester Entfernung in das hinter der Seide verzerrte Gesicht des Terroristen. Es war nicht Carlos. Wo war der Schakal?
«Da drinnen!«rief Sergej, als hätte er Jasons wütende Frage gehört.
«Wo?«
«Die Türen!«
Es war die Küche des Landgasthofes. Die beiden Männer näherten sich den Schwingtüren. Wieder nickte Borowski, das Signal hineinzustürmen, aber bevor sie sich noch bewegen konnten, wurden beide von einer Explosion aus dem Inneren zurückgeworfen. Eine Granate war gezündet worden, Bruchstücke von Metall und Glas hatten sich in die Türen gebohrt. Rauch wogte auf, wehte in den Speisesaal hinaus. Der Geruch beißend, ekelhaft.
Stille.
Jason und Sergej näherten sich erneut dem Eingang zur Küche, und wieder wurden sie von einer zweiten, plötzlichen Explosion gebremst, der abgehacktes Gewehrfeuer folgte, dessen Kugeln die dünne, jalousienartige Verkleidung der Schwingtüren durchbohrten.
Stille.
Warten.
Stille.
Das war zuviel für das wütende, aufgebrachte Chamäleon. Er lud seine AK-47 durch, drückte den Wahlhebel und dann den Abzug für Dauerfeuer. Er ließ die Tür aufkrachen und warf sich auf den Boden.
Stille.
Die nächste Szene aus der nächsten Hölle. Ein Teil der Außenwand war weggesprengt worden, der fettleibige Besitzer und sein Koch, der immer noch seine Mütze trug, waren tot, die Leichen gegen die unteren Borde der Küche gedrückt, Blut strömte über das Holz und daran herunter.
Borowski erhob sich langsam, jeder Nerv in seinem Körper überreizt, der Rand der Hysterie nicht weit entfernt. Wie in Trance sah er sich im Rauch und in den Trümmern um, die Augen blieben schließlich an einem großen, unheilvollen Stück braunem Schlachterpapier hängen, das mit einem schweren Hackmesser an die Wand genagelt war, lasen die Worte, die mit einem schwarzen Schlachterbleistift darauf geschrieben standen:
«Die Tannenbäume werden brennen, und Kinder werden zu Fackeln werden. Schlaf gut, Jason Borowski. «Der Spiegel seines Lebens zersprang in tausend Stücke. Ihm blieb nichts, als zu schreien.