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Borowski drückte die Tasten und hob seine Hand, damit es still wurde. Er fragte nach Madame Brielles Zimmer, und als die Hoteltelefonistin »mais oui« sagte, nickte er Alex und Dimitrij Krupkin erleichtert zu. Die Lavier nahm ab.

«Ja?«

«Ich bin es, Madame«, sagte Jason in leicht anglisiertem Französisch. Das Chamäleon hatte die Führung übernommen.»Ihre Haushälterin sagte, wir würden Sie vielleicht hier erreichen. Madames Kleid ist fertig. Vergeben Sie uns die Verspätung.«

«Es sollte mir gestern gebracht werden — bis mittags —, Sie Versager! Ich hatte die Absicht, es gestern abend im Le Grand Vefour zu tragen!«

«Ich entschuldige mich tausendmal. Wir können es sofort liefern.«

«Sie sind wirklich das Letzte! Ich bin sicher, mein Hausmädchen hat Ihnen außerdem gesagt, daß ich nur für zwei Tage hier bin. Bringen Sie es in meine Wohnung an der Montaigne. Entweder ist es bis vier da, oder Sie warten auf Ihr Geld, bis Sie schwarz werden!«Die Unterhaltung wurde von einem lauten Knacken am anderen Ende der Leitung beendet.

Borowski legte den Hörer auf. Schweiß hatte sich entlang seines leicht grauen Haaransatzes gebildet.»Ich bin schon zu lange raus«, sagte er tief atmend.»Sie hat eine Wohnung an der Montaigne, und sie wird irgendwann nach vier dort sein.«

«Wer zum Teufel ist Dominique wie heißt sie gleich?«schrie der einigermaßen frustrierte Conklin.

«Lavier«, antwortete Krupkin.»Nur, daß sie den Namen ihrer toten Schwester benutzt, Jacqueline. Sie gibt sich schon seit Jahren als ihre Schwester aus.«

«Sie wissen davon?«fragte Jason beeindruckt.

«Ja, aber es hat uns nie viel genützt. Es war ein plumpes Manöver — Doppelgängerinnen, mehrmonatige Abwesenheit, ein geringfügiger, operativer Eingriff und Neuprogrammierung, alles ziemlich normal in der Welt der Haute Couture. Wer hört in diesem oberflächlichen Umfeld schon irgend jemandem zu? Wir beobachten sie, aber sie hat uns nie zum Schakal geführt. Sie hat keinen direkten Zugang. Alles, was sie Carlos meldet, wird gefiltert, steinerne Wände hinter jedem Relais. Das sind die Methoden des Schakals.«

«Das ist nicht immer so«, sagte Borowski.»Es gab einen Mann mit dem Namen Santos, der in Argenteuil ein runtergekommenes Cefe geleitet hat, das Le Coeur du Soldat. Er hatte den Zugang.«

«Hatte?«Krupkin hob seine Augenbrauen.»Sie benutzen die Vergangenheitsform?«

«Er ist tot.«

«Und das heruntergekommene Cefe in Argenteuil, das gibt es noch?«

«Es wurde gesäubert und geschlossen«, gab Jason ohne Bedauern in der Stimme zu.

«Der Zugang war also einmal, ja?«

«Sicher, aber ich glaube, was er mir gesagt hat, denn er wurde dafür getötet. Sehen Sie, er war dabei auszusteigen, genau wie diese Lavier aussteigen möchte — nur reichte seine Verbindung bis zum Anfang zurück. Nach Kuba, wo Carlos ihn vor der Hinrichtung rettete. Er wußte, er würde diesen Mann brauchen können. Santos hatte direkten Zugang. Er hat es bewiesen, weil er mir eine Nummer gegeben hatte, über die man den Schakal erreichen konnte. Nur sehr wenige Männer können das.«

«Faszinierend«, sagte Krupkin, die Augen fest auf Borowski gerichtet.»Aber, wie mein guter, alter Feind Aleksej, der Sie im Moment genau wie ich anstarrt, sagen würde: Worauf wollen Sie hinaus, Mr. Borowski?«

«Santos hat mir erzählt, daß es nur vier Menschen auf der Welt gibt, die direkten Zugang zum Schakal haben. Einer davon sitzt am Dserschinskij-Platz. Weit oben im Komitet, das waren Santos' Worte, und glauben Sie mir, er hielt keine großen Stücke auf Ihren Vorgesetzten.«

Es war, als wäre Dimitrij Krupkin während der Mai-Parade mitten auf dem Roten Platz von einem Mitglied des Politbüros ins Gesicht geschlagen worden. Sein Kopf war blutleer, seine Haut nahm die blasse Farbe von Asche an, die Augen wurden starr, zuckten mit keiner Wimper.»Was hat Ihnen dieser Santos noch erzählt? Ich muß es wissen!«

«Nur, daß Carlos eine Sache mit Moskau laufen hat, daß er Kontakte zu Leuten in hohen Positionen hat. Er ist besessen davon… Wenn Sie diesen Kontakt am Dserschinskij-Platz finden können, wäre das ein großer Schritt voran. In der Zwischenzeit haben wir nur diese Dominique Lavier…«

«Verdammt, verdammt!« brüllte Krupkin und schnitt Jason das Wort ab.»Geisteskrank und dennoch vollkommen logisch! Sie haben verschiedene Fragen beantwortet, Mr. Borowski, und sie haben sich mir in meine Erinnerung eingebrannt. So oft bin ich schon so nahe dran gewesen, so oft, so nahe und immer nichts. Nun, lassen Sie mich Ihnen sagen, meine Herren, die Spiele des Teufels sind nicht auf die Hölle beschränkt. Auch andere können sie spielen. Mein Gott, ich war eine Perle, die von einer Auster in die nächste gespült wurde, immer der größere Dummkopf!.. Machen Sie keine Anrufe mehr von diesem Telefon!«

Es war 3.30 Uhr nachmittags, Moskauer Zeit, und der ältere Mann in der Uniform eines Offiziers der sowjetischen Armee ging den Flur im fünften Stock des KGB-Hauptquartiers am Dserschinskij-Platz so schnell hinunter, wie es sein Alter erlaubte. Es war ein heißer Tag, und wie üblich funktionierte die Klimaanlage kaum, so daß General Grigorij Rodtschenko ein Privileg seines Ranges nutzte: Sein Kragen war geöffnet. Dieser Umstand hielt jedoch das Rinnsal von Schweiß auf seinem Weg den Hals hinunter nicht auf, das aus den Furchen seines faltigen Gesichts trat, aber das Fehlen des engen, rotgeränderten Stoffbandes um seinen Hals war eine kleine Erleichterung.

Er erreichte die Reihe von Fahrstühlen, drückte auf den Knopf und wartete, wobei er einen Schlüssel fest in der Hand hielt. Die Türen zu seiner Rechten öffneten sich, und er freute sich zu sehen, daß die Kabine leer war. Es war einfacher, als allen zu befehlen, auszusteigen, zumindest weit weniger umständlich. Er trat ein, steckte den Schlüssel in das oberste Schloß über dem Schaltbrett und wartete, bis der Mechanismus seine Funktion erfüllte. Das tat er schnell, und der Fahrstuhl fuhr direkt in die untersten Kellergeschosse des Gebäudes.

Die Türen öffneten sich, der General trat heraus und spürte sofort die übermächtige Stille, die die Korridore links und rechts erfüllte. Das würde sich schon in wenigen Augenblicken ändern, dachte er. Er ging den Flur nach links hinunter, zu einer großen Stahltür mit einem angenieteten Metallschild in der Mitte:»Eintritt verboten. Nur für autorisiertes Personal.«

Es war eine dumme Warnung, dachte er, als er die dünne Plastikkarte aus seiner Tasche nahm und sie langsam und vorsichtig in einen Schlitz rechts neben der Tür steckte. Ohne diese Karte, und manchmal selbst mit ihr, wenn sie zu schnell eingeführt wurde, ließ sich die Tür nicht öffnen. Es klickte zweimal, und Rodtschenko steckte die Karte wieder ein, als sich die schwere, grifflose Tür aufschob und ein Fernsehmonitor aufzeichnete, wie er eintrat. Summende Geschäftigkeit zeigte sich in Dutzenden von erleuchteten Rechtecken innerhalb des riesigen, dunklen, niedrigen Komplexes von der Größe eines zaristischen Ballsaales, jedoch ohne das geringste Bemühen um Dekoration. Tausend Gerätschaften in Schwarz und Grau, mehrere Hundertschaften Personal in ehemals weißen Overalls in weißwandigen Kabinen. Und glücklicherweise war die Luft kühl, ja beinahe kalt. Die Maschinen verlangten es, denn hier war das Kommunikationszentrum des KGB. Vierundzwanzig Stunden am Tag kamen hier Nachrichten aus der ganzen Welt an.

Der alte Soldat ging den vertrauten Weg zu dem Gang hinüber, der am weitesten rechts lag, dann nach links zur letzten Kabine am gegenüberliegenden Ende des gewaltigen Raumes. Es war ein weiter Weg, und der General war kurzarmig, seine Beine müde. Er betrat den kleinen, abgeschlossenen Raum, nickte dem Operator mittleren Alters zu, der zu seinem Besucher aufblickte und den gepolsterten Kopfhörer von den Ohren nahm. Auf dem weißen Tresen vor ihm befand sich eine große elektronische Konsole mit unzähligen Schaltern, Skalen und Tasten. Rodtschenko setzte sich auf den Stahl stuhl neben den Mann. Er schnappte nach Luft und sprach.