«Sie haben Nachricht von Krupkin aus Paris?«
«Ich habe Nachrichten, die Colonel Krupkin betreffen. Entsprechend Ihrer Anweisungen, die Telefongespräche des Colonel aufzuzeichnen, einschließlich der internationalen Leitungen, die er genehmigt hat, habe ich vor einigen Minuten ein Band aus Paris bekommen, von dem ich glaube, daß Sie es sich anhören sollten.«
«Wie gewöhnlich sind Sie äußerst gründlich, und ich bin Ihnen sehr dankbar. Und wie immer bin ich sicher, daß uns Colonel Krupkin selbst über die Vorkommnisse in Kenntnis setzen wird, aber wie Sie wissen, ist er furchtbar beschäftigt.«
«Erklärungen sind nicht nötig, Sir. Die Gespräche, die Sie gleich hören werden, wurden innerhalb der letzten halben Stunde geführt. Nehmen Sie die Kopfhörer, bitte.«
Rodtschenko schob sie sich über und nickte. Der Operator legte einen Block und einen Behälter mit angespitzten Bleistiften vor den General. Er drückte eine Zahl auf der Tastatur und lehnte sich zurück, während der mächtige dritte Direktor sich nach vorn beugte und zuhörte. Manchmal machte er sich Notizen, Minuten später schrieb er wutentbrannt. Das Band endete, und Rodtschenko nahm den Kopfhörer ab. Finster sah er den Operator an, die engen slawischen Augen starr inmitten der faltigen Haut, die Furchen in seinem Gesicht härter als zuvor.
«Löschen Sie das Band, und dann zerstören Sie die ganze Spule«, befahl er, als er sich von dem Stuhl erhob.»Sie haben wie immer nichts gehört.«
«Wie immer, General.«
«Und wie immer werden Sie dafür belohnt.«
Es war 4.17 Uhr, als Rodtschenko in sein Büro zurückkehrte, sich an seinen Schreibtisch setzte und seine Notizen betrachtete. Es war unglaublich! Es war kaum faßbar, und dennoch war es da — er hatte die Worte und die Stimmen, die diese Worte sagten, selbst gehört!.. Nicht die, die den Monseigneur in Paris betrafen. Der war jetzt zweitrangig, und man konnte ihn innerhalb von Minuten erreichen, wenn es nötig wurde. Das konnte warten, aber das andere konnte nicht länger warten, keinen Augenblick länger! Der General nahm den Telefonhörer und rief seine Sekretärin an.
«Ich möchte sofort eine Verbindung zu unserem Konsulat in New York. Sämtliche Maximalscrambler einsatzbereit.«
Wie konnte das passieren?
Medusa!
Kapitel 32
Mit fragendem Gesichtsausdruck lauschte Marie der Stimme ihres Mannes am Telefon und nickte Mo Panov am anderen Ende des Hotelzimmers zu.»Wo bist du jetzt?«fragte sie.
«In einer Telefonzelle im Plaza-Athenee«, antwortete Borowski:»In zwei Stunden bin ich zurück.«
«Was ist los?«
«Komplikationen, aber auch einige Fortschritte.«
«Das sagt mir überhaupt nichts.«
«Es gibt nicht soviel zu erzählen.«
«Wie ist dieser Krupkin?«
«Er ist ein Original. Er hat uns in die sowjetische Botschaft gebracht, und ich habe über einen von ihren Apparaten mit deinem Bruder gesprochen.«
«Was?… Wie geht es den Kindern?«
«Prima. Alles ist prima. Jamie amüsiert sich königlich, und Mrs. Cooper läßt nicht zu, daß Johnny Alison auch nur anfaßt.«
«Wie ist die Nummer? Ich will sie anrufen.«
«Holland baut uns eine sichere Leitung auf. In einer Stunde etwa wissen wir Bescheid.«
«Was bedeutet, daß du lügst.«
«Es ist so und nicht anders. Du solltest eigentlich bei ihnen sein. Wenn ich mich verspäte, rufe ich dich an.«
«Warte einen Moment. Mo möchte mit dir sprechen…«
Die Leitung wurde unterbrochen. Auf der anderen Seite des Zimmers schüttelte Panov langsam seinen Kopf, als er Maries Reaktion auf das plötzlich unterbrochene Gespräch beobachtete.
«Vergiß es«, sagte er.»Ich bin der letzte, mit dem er reden möchte.«
«Er ist wieder ganz zurückgefallen, Mo. Er ist nicht mehr David.«
«Es geht jetzt um etwas«, fügte Panov sanft hinzu,»womit David nicht fertig werden würde.«
«Das ist das Erschreckendste, was ich jemals von dir gehört habe. «Der Psychiater nickte.»Das kann gut sein.«
Der graue Citroen war mehr als hundert Meter weit schräg gegenüber des überdachten Eingangs von Dominique Laviers Appartementhaus in der vornehmen Avenue Montaigne geparkt. Krupkin, Alex und Borowski saßen im Fond, Conklin auf dem Notsitz, wegen seiner Größe und des steifen Beins war der Platz für ihn geeigneter. Die Unterhaltung war auf ein Minimum reduziert, während die drei Männer die Glastüren des Hauses beobachteten.
«Sind Sie sicher, daß es funktioniert?«fragte Jason.
«Ich bin nur sicher, daß Sergej ein immens talentierter Profi ist«, erwiderte Krupkin.»Er wurde in Nowgorod ausgebildet, wissen Sie, und sein Französisch ist makellos. Außerdem hat er eine Anzahl von Ausweisen bei sich, die auch die Dokumentenabteilung des Deuxieme Bureau täuschen würden.«
«Was ist mit den anderen beiden?«wollte Borowski wissen.
«Stille Untergebene, kontrolliert und unterwürfig. Ebenfalls Experten ihres Fachs… Da kommt er!«
Man sah Sergej durch die Glastür herauskommen. Er wandte sich nach links, und Augenblicke später überquerte er den breiten Boulevard und lief zu dem Citroen. Er erreichte den Wagen, ging um die Motorhaube herum und kletterte hinter das Lenkrad.
«Alles in Ordnung«, sagte er, indem er seinen Kopf über den Vordersitz beugte.»Madame ist noch nicht zurückgekehrt. Die
Wohnungsnummer ist einundzwanzig, zweiter Stock, rechte Vorderseite. Sie ist gründlich gesäubert, es gibt keine Abhörgeräte.«
«Sind Sie sicher?«fragte Conklin.»Wir haben hier keinen Platz für Irrtümer, Sergej.«
«Unsere Geräte sind die besten, Sir«, antwortete der KGB-Mitarbeiter lächelnd.»Es schmerzt mich, es zu sagen, Sir, aber sie wurden von der General Electronics Corporation im Auftrag von Langley entwickelt.«
«Zwei Punkte für unsere Seite«, sagte Alex.
«Minus zwölf, weil ihr euch die Pläne habt klauen lassen«, schloß Krupkin.
«Wo sind die anderen beiden Männer?«fragte Borowski.»In den Korridoren um die Lobby herum, Sir. Ich gehe nachher wieder zu ihnen, und wir haben einen Wagen zur Unterstützung am anderen Ende der Straße… Ich fahre Sie jetzt hin.«
«Warten Sie einen Moment«, unterbrach Conklin.»Wie kommen wir rein? Was sagen wir?«
«Es ist schon alles geklärt, Sie brauchen nichts zu sagen. Sie sind autorisiertes Geheimpersonal des französischen SEDCE…«
«Des was?«
«Der Dienststelle für Außendokumentation und Gegenspionage«, antwortete Alex.»Das ist Langley hier am ähnlichsten.«
«Was ist mit dem Deuxieme?«
«Spezialabteilung«, sagte Conklin nebenbei, in Gedanken woanders.»Manche sagen, es sei eine Eliteeinheit, andere wieder was anderes… Sergej, werden die das nicht überprüfen?«
«Das haben sie schon, Sir. Nachdem ich dem Portier und seinem Helfer meinen Ausweis gezeigt hatte, habe ich ihnen eine Geheimnummer gegeben, die die Dienststelle und meinen Status bestätigt hat. Anschließend habe ich Sie alle drei beschrieben, eine Unterhaltung abgelehnt und nur um Zugang zu Madame Laviers Wohnung gebeten… Ich fahre jetzt hinüber. Das macht einen besseren Eindruck auf den Portier.«
«Manchmal ist die Einfachheit, wenn sie von Amtsgewalt gestützt wird, die beste Tauschung«, bemerkte Krupkin, als der Citroen durch den spärlichen Verkehr über die breite Straße zum Eingang des Appartementkomplexes aus weißem Stein manövriert wurde.»Fahr den Wagen um die Ecke außer Sichtweite, Sergej«, befahl der KGB-Offizier und langte nach dem Türgriff.»Und mein Funkgerät, wenn ich bitten darf?«
«Ja, Sir«, erwiderte sein Mitarbeiter, als er Krupkin ein winziges elektronisches Gerät über den Sitz reichte.»Ich gebe Ihnen ein Zeichen, wenn ich in Stellung bin.«