«Sie haben mich gefragt, was passiert ist, Signor DeFazio, und ich erzähle es Ihnen«, sagte der Graf, die Stimme so angespannt wie vorher.»Gestern mittag sind meine Frau und ich beinah getötet worden — getötet, Signor DeFazio. Das ist nicht die Art von Erfahrungen, die wir gewohnt sind oder tolerieren können. Haben Sie irgendeine Ahnung, in was Sie da hineingeraten sind?«
«Man hat Sie markiert?«
«Wenn Sie damit meinen, ob die gewußt haben, wer wir waren, glücklicherweise wußten sie es nicht. Wenn doch, möchte ich bezweifeln, daß wir an diesem Tisch sitzen würden!«
«Signor DeFazio«, unterbrach die Contessa mit einem Blick auf ihren Mann, der ihm sagte, er möge sich beruhigen.»Wir haben hier drüben die Nachricht erhalten, daß Sie einen Kontrakt für diesen Krüppel und seinen Freund, den Doktor, haben. Ist das wahr?«
«Ja«, bestätigte der Capo vorsichtig,»aber es geht noch weiter. Wissen Sie, was ich meine?«
«Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, erwiderte der Graf eisig.
«Ich sage Ihnen das, weil es möglich ist, daß ich dabei Ihre Hilfe brauche, für die Sie, wie ich Ihnen gesagt habe, gut bezahlt werden, sehr gut sogar.«
«Was geht da noch >weiter<?«fragte die Frau.
«Es gibt noch jemanden, den wir erwischen müssen. Einen Dritten, mit dem sich die beiden hier drüben getroffen haben.«
Der Graf und die Gräfin sahen sich unvermittelt an.»Einen Dritten«, wiederholte der Mann aus Rom und hob sein Weinglas an die Lippen.»Ich verstehe… Ein Kontrakt mit drei Zielpersonen ist normalerweise einigermaßen gewinnträchtig. Wie gewinnträchtig, Signor DeFazio?«
«He, kommen Sie, frage ich Sie, was Sie in einer Woche in Paris verdienen? Sagen wir einfach, es ist eine Menge, und Sie beide können sich persönlich auf sechs Ziffern verlassen, wenn alles nach Plan geht.«
«Sechs Ziffern umfassen ein breites Spektrum«, bemerkte die Gräfin.»Außerdem deuten sie darauf hin, daß der Kontrakt mehr als sieben Ziffern wert ist.«
«Sieben…?«DeFazio sah die Frau an.
«Über eine Million Dollar«, schloß die Gräfin.
«Sehen Sie, für unsere Klienten ist es wichtig, daß diese Leute diese Welt verlassen«, sagte Louis und atmete wieder ruhiger, da sieben Ziffern nicht mit sieben Millionen gleichgesetzt worden waren.»Wir fragen nicht, warum, wir tun nur unseren Job. In Situationen wie dieser sind unsere Dons großzügig. Wir verdienen nicht schlecht, und der Ruf leidet auch nicht gerade darunter. Stimmt's, Mario?«
«Doch, sicher, Louis, aber ich kümmere mich nicht um solche Dinge.«
«Du läßt dich nur bezahlen, oder, cugino?«
«Ich wäre nicht hier, wenn es nicht so wäre, Lou.«
«Verstehen Sie, was ich meine?«sagte DeFazio und sah den Conte und die Contessa an, die keinerlei Reaktion zeigten, außer daß sie den Capo anstarrten.»He, was ist los?… Oh, diese schlimme Sache ist gestern passiert, hm? Was war denn? Man hat Sie gesehen, stimmt's? Die haben Sie entdeckt, und irgend so ein Gorilla hat ein paar Schüsse abgegeben, um Sie zu verscheuchen, so war's doch, oder? Ich meine, wie soll es sonst gewesen sein, oder? Die wußten nicht, wer Sie waren, aber Sie waren da, ein paarmal zu oft vielleicht, also haben die ein bißchen Druck ausgeübt, okay? Das ist eine alte Masche: Mach, daß sich Fremde, die du mehr als einmal siehst, vor Angst in die Hosen scheißen.«
«Lou, ich habe dich gebeten, deine Ausdrucksweise zu mäßigen.«
«Mäßigen? Ich verliere gleich das Maß. Ich will verhandeln!«
«Mit einfachen Worten«, sagte der Graf, indem er DeFazios Worte mit sanfter Stimme und hochgeschobenen Augenbrauen überging,»sagen Sie also, daß Sie diesen Krüppel und seinen Freund, den Doktor, töten müssen, und noch einen Dritten, ist das korrekt?«
«Mit einfachen Worten: Sie haben es richtig verstanden.«
«Wissen Sie, wer dieser Dritte ist — abgesehen von einem Foto oder einer detaillierten Beschreibung?«
«Sicher, es ist ein Dreckskerl von der Regierung, der vor Jahren losgeschickt wurde, um wie Mario hier eine esecuzione durchzuführen, können Sie das glauben? Aber diese drei Leute haben meine Klienten geschädigt, ich meine, wirklich geschädigt. Daher der Kontrakt, was soll ich Ihnen sonst sagen?«
«Wir sind nicht sicher«, sagte die Gräfin und nippte anmutig an ihrem Wein.»Vielleicht wissen Sie es ja gar nicht.«
«Was wissen?«
«Wissen, daß es jemanden gibt, der diesem Dritten weit dringender den Tod wünscht als Sie«, erklärte der Graf.»Gestern mittag hat er mit einer mörderischen Schießerei ein kleines Gasthaus auf dem Land überfallen und etliche Menschen getötet, weil Ihr >Dritter< da war. Und wir waren es auch… Wir haben gesehen, wie sie, wie er von einer Wache gewarnt wurde und hinausgelaufen ist. Manche Notfälle vermitteln sich. Wir sind sofort gegangen, nur Minuten vor dem Massaker.«
«Wer ist dieser Scheißkerl, der ihn umbringen will?«hustete DeFazio.»Sagen Sie es mir!«
«Wir haben gestern den ganzen Nachmittag und auch heute den ganzen Tag damit verbracht, es herauszufinden«, sagte die Frau, beugte sich vor und hielt das unfeine Glas vornehm mit den Fingern, als wäre es ein Affront für ihr Feingefühl.»Ihre Zielpersonen sind nie allein. Es sind immer Männer um sie herum, bewaffnete Wachen, und zuerst wußten wir nicht, woher sie kamen. Dann haben wir auf der Avenue Montaigne eine sowjetische Limousine gesehen, die sie abgeholt hat, und auch Ihren Dritten, in Begleitung eines bekannten KGB-Offiziers, und jetzt glauben wir es zu wissen.«
«Allerdings«, unterbrach der Graf,»können nur Sie es uns bestätigen. Wie ist der Name des dritten Mannes auf Ihrem Kontrakt? Wir haben sicher ein Recht, es zu erfahren.«
«Warum nicht? Es ist ein Verlierer namens Borowski, Jason Borowski, der unsere Klienten erpreßt.«
«Ecco«, sagte der Ehemann leise.
«Exakt«, fügte die Frau hinzu.»Was wissen Sie von diesem Borowski?«fragte sie.
«Was ich Ihnen gesagt habe. Er ist getarnt für die Regierung losgegangen und ist von den großen Nummern in Washington beschissen worden. Also wird er sauer und bescheißt unsere Klienten. Ein echter Dreckskerl.«
«Haben Sie nie von Carlos, dem Schakal, gehört?«sagte der Graf, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete den capo supremo.
«Oh, ja, sicher, ich habe von ihm gehört, und ich verstehe, was Sie meinen. Man sagt, dieser Schakal habe es auf Borowski abgesehen und umgekehrt, aber das zieht bei mir nicht. Wissen Sie, ich dachte, diesen wilden Hund gibt es nur in Büchern, wissen Sie, was ich meine? Dann erzählen Sie mir, er ist ein echter Killer, was sagt man dazu?«
«Sehr echt«, stimmte die Gräfin zu.
«Aber wie gesagt, der ist mir völlig egal. Ich will diesen Nervenklempner, den Krüppel und diesen Penner Borowski, das ist alles. Und ich will sie wirklich.«
Der Conte und seine Frau sahen sich an. Mit leichtem Erstaunen zuckten sie die Schultern, dann nickte die Contessa und gab ihrem Mann nach.
«Ihr Sinn für Belletristik ist von der Realität eingeholt worden«, sagte der Graf.
«Bitte?«
«Es gab einen Robin Hood, wissen Sie, aber er war kein Edelmann aus Locksley. Er war ein barbarischer Sachsenhäuptling, der gegen die Normannen gekämpft hat, ein mörderischer, blutrünstiger Dieb, der nur in Legenden gerühmt wird. Und es gab einen Innozenz, den Dritten, einen Papst, der keineswegs unschuldig war und der grausamen politischen Linie eines Vorgängers, des heiligen Gregors, des Siebten, gefolgt ist, der ebenfalls keineswegs ein Heiliger war. Sie haben Europa gespalten, in Strömen von Blut, für die politische Macht und um die Schatzkammern des Heiligen Reiches zu bereichern. Jahrhunderte vorher gab es den sanftmütigen Quintus Cassius Longinus aus Rom, den geliebten Schutzpatron des Hispania Ulterior, dennoch hat er Hunderttausende von Spaniern gefoltert und verstümmelt.«