«Mo ist auf seine Art ein Kämpfer. Ich setze immer noch auf ihn. Übrigens, erzähl Marie nichts davon. Sie denkt zuviel.«
«Natürlich nicht. Gibt es irgend etwas, was ich tun kann?«
«Ja, gibt es, Peter. Du kannst mir sagen, warum Medusa hier in Paris ist.«
«In Paris? Das paßt nicht mit dem zusammen, was ich weiß, und ich weiß eine ganze Menge.«
«Unsere Identifikation ist positiv. Die beiden Killer, die vor einer Stunde auf uns geschossen haben, wurden von Medusa hergeschickt. Wir haben sogar so was ähnliches wie ein Geständnis.«
«Ich verstehe nicht«, protestierte Holland.»Paris ist uns nie in den Sinn gekommen. Es gibt da keine Verbindung in unserem Szenario.«
«Sicher gibt es eine«, widersprach Conklin.»Du hast es selbst gesagt, als du von dieser Art Selbstläufereffekt gesprochen hast, der Prophezeiung, die sich selbst erfüllt, weißt du noch? Medusa tut sich mit dem Schakal zusammen, das Zielobjekt: Jason Borowski.«
«Das ist der Punkt, Alex: Das war nur eine Theorie eine falsche.«
«Offensichtlich nicht.«
«Doch, doch — nach allem, was wir wissen. Soweit es uns betrifft, ist Medusa jetzt in Moskau.«
«Moskau?«Conklin ließ beinahe den Hörer auf den Schreibtisch des Doktors fallen.
«Genau. Wir haben uns auf Ogilvies Anwaltskanzlei in New York konzentriert und alles angezapft, was man anzapfen konnte. Irgendwie — wir wissen nicht, wie — hat Ogilvie einen Tip bekommen und sich aus dem Staub gemacht. Er hat eine Aeroflot nach Moskau genommen, und der Rest seiner Familie hat sich nach Marrakesch aufgemacht.«
«Ogilvie…?«Alex war kaum noch zu hören. Er hatte die Stirn in Falten gelegt, und seine Erinnerung blätterte all die Jahre zurück.»Aus Saigon? Ein Rechtsoffizier aus Saigon?«
«Genau. Wir sind überzeugt davon, daß er Medusa leitet.«
«Und ihr habt mir diese Information vorenthalten?«
«Nur den Namen der Kanzlei. Ich habe dir doch gesagt, wir haben unsere Prioritäten, und du hast deine. Für uns kam Medusa zuerst.«
«Du billiger Blender!«explodierte Conklin.»Ich kenne Ogilvie, genauer gesagt, ich kannte ihn. Ich will dir sagen, wie sie ihn in Saigon genannt haben: den eiskalten Ogilvie, einen aalglatten Rechtsarsch. Mit ein paar Vorladungen und Nachforschungen hätte ich dir sagen können, wo einige von seinen Anwaltsskeletten begraben liegen! Du hast es versaut! Du hättest ihn rankriegen können! Bei ein paar Morden hat er die Armeegerichte geschmiert, und leider gibt es keine Gesetzesvorschriften für diese Art Verbrechen, weder zivil noch militärisch. Himmel, warum hast du es mir nicht gesagt?«
«Um ganz ehrlich zu sein, Alex: Du hast mich nicht gefragt. Du bist einfach davon ausgegangen — mit Recht —, daß ich es dir nicht sagen würde.«
«Also gut, gut, es ist passiert, zum Teufel damit. Morgen oder übermorgen hast du die beiden Medusa-Typen, dann kannst du sie bearbeiten. Sie wollen beide nichts als ihren Arsch retten — der Capo ist ein Schleimer, und sein Scharfschütze betet ständig für seine Familie, und das hat nichts mit der Organisation zu tun.«
«Was habt ihr vor?«drängte Holland.
«Wir sind auf dem Weg nach Moskau.«
«Hinter Ogilvie her?«
«Nein, dem Schakal. Aber wenn ich Bryce sehe, werde ich ihm deine Grüße übermitteln.«
Kapitel 35
Buckingham Pritchard saß neben seinem uniformierten Onkel Cyril Sylvester Pritchard, dem stellvertretenden Direktor der Einwanderungsbehörde, im Büro von Sir Henry Sykes im Regierungssitz von Montserrat. Neben ihnen, zur Rechten des Stellvertreters, saß ihr Anwalt, der beste ortsansässige Rechtsanwalt, den Sykes hatte überreden können, die Pritchards in der Angelegenheit zu beraten, in der die Krone gegen sie Anklage wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erhoben hatte. Sir Henry saß hinter seinem Schreibtisch und betrachtete leicht schockiert den Anwalt, einen gewissen Jonathan Lemuel, der seinen Kopf und seinen Blick zur Decke hob, nicht, um in den Genuß des tropischen Ventilators zu kommen, der die feuchte Luft bewegte, sondern um seinen Zweifel zum Ausdruck zu bringen. Lemuel war ein in Cambridge ausgebildeter Jurist, ein einmaliger Stipendiat aus den Kolonien, der sein Geld vor Jahren in London verdient hatte und im Herbst seines Lebens auf seine Heimatinsel Montserrat zurückgekehrt war, um dort die Früchte seiner Arbeit zu genießen. Tatsächlich hatte Sir Henry seinen im Ruhestand lebenden schwarzen Freund dazu überredet, ein paar Dummköpfen zu helfen, die sich in eine ernste internationale Angelegenheit hatten verwickeln lassen.
Der Grund für Sir Henrys Schock und Jonathan Lemuels Zweifel und seine Wut war durch folgenden Wortwechsel zwischen Sykes und dem stellvertretenden Direktor der Einwanderungsbehörde aufgekommen.
«Mr. Pritchard, es wurde nachgewiesen, daß Ihr Neffe ein Telefongespräch zwischen John St. Jacques und seinem Schwager, dem Amerikaner Mr. David Webb, belauscht hat. Weiterhin gibt Ihr Neffe Buckingham Pritchard freimütig, ja sogar enthusiastisch zu, Sie mit gewissen Informationen, die Inhalt dieses Gespräches waren, angerufen zu haben und daß Sie Ihrerseits begeistert erklärt hätten, Sie müßten sofort Paris anrufen. Ist das wahr?«»Es ist absolut wahr, Sir Henry.«
«Wen haben Sie in Paris angerufen? Wie ist die Telefonnummer? «
«Bei allem Respekt, Sir, ich habe Geheimhaltung geschworen.«
Bei dieser knappen und vollkommen unerwarteten Erwiderung hatte Jonathan Lemuel seinen erstaunten Blick zur Decke gelenkt.
Sykes fand seine Fassung wieder und beendete die kurze Pause.»Was war das, Mr. Pritchard?«
«Mein Neffe und ich sind Teil einer internationalen Organisation, der die größten Führer unserer Welt angehören, und wir haben Geheimhaltung geschworen.«
«Gütiger Gott, er glaubt es«, brummte Sir Henry.
«Um Himmels willen«, sagte Lemuel und senkte seinen Kopf.»Unser Telefondienst hier ist nicht der ausgereifteste, aber innerhalb von einem Tag kann man die Nummer herausfinden. Warum geben Sie sie Sir Henry nicht jetzt? Er muß sie offensichtlich schnell wissen, wem schadet es also?«
«Den Schaden, Sir, haben unsere Vorgesetzten in der Organisation. Das wurde mir persönlich und ausdrücklich deutlich gemacht.«
«Wie ist der Name dieser internationalen Organisation?«
«Ich weiß nicht, Sir Henry. Das ist Teil der Vertraulichkeit, verstehen Sie das nicht?«
«Ich fürchte, Sie sind derjenige, der nicht versteht, Mr. Pritchard«, sagte Sykes, die Stimme schroff, seine Wut unverhohlen.
«Oh, doch, das tu ich sehr wohl, Sir Henry, und ich werde es Ihnen beweisen!«unterbrach der stellvertretende Direktor und sah die Männer an, als wollte er sowohl den skeptischen Sykes und den erstaunten Anwalt als auch seinen ihn bewundernden Neffen ins Vertrauen ziehen.»Eine ziemliche Geldsumme wurde von einer privaten Bank in der Schweiz direkt auf mein Konto hier in Montserrat überwiesen. Die Anweisungen waren deutlich. Die Summe sollte im Zuge der Aufträge, die man an mich delegiert hat, frei verwendet werden… Transport, Unterhaltung, Unterkunft — man hat mir gesagt, ich hätte absolute Verfügungsfreiheit, aber natürlich führe ich eine Aufstellung aller Ausgaben, wie ich es auch als zweithöchster Offizier der Einwanderungsbehörde mache… Wer, außer ungeheuer hochstehenden Leuten, würde derart großes Vertrauen in einen Mann setzen, den er nur durch seinen beneidenswerten Ruf und seine Stellung kennt?«
Henry Sykes und Jonathan Lemuel sahen einander erneut an. Erstaunen vereinte sich nun mit völligem Unglauben. Sir Henry beugte sich über den Tisch.
«Abgesehen von dieser — sagen wir — gründlichen Beobachtung von John St. Jacques, die offenbar die Dienste Ihres Neffen in Anspruch nahm, haben Sie noch andere Aufträge bekommen?«
«Ehrlich gesagt, nicht, Sir, aber ich bin sicher, daß, sobald die Führer sehen, wie zügig ich reagiert habe, andere folgen werden.«