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«Und daß wir nichts, absolut nichts mit den Ermordungen zu tun haben, die du erwähnt hast, besonders nicht mit dem Attentat auf den obersten Befehlshaber der NATO.«

«Absolut klar. Das ist schließlich einer der Hauptgründe für eure Hilfe. Eure Regierung war von dem Attentat entsetzt.«

Krupkin sah Alex fest an, seine Stimme tiefer, aber kräftiger. Er drehte sich langsam um, die Augen kurz auf den Bildschirm gerichtet, dann zurück zu Conklin.»General Rodtschenko?«sagte er.»Was sollen wir mit General Rodtschenko machen?«

«Was ihr mit General Rodtschenko macht, ist eure Sache«, entgegnete Alex ruhig.»Weder Borowski noch ich haben jemals seinen Namen gehört.«

«Da«, sagte Krupkin und nickte wieder langsam.»Und was ihr mit dem Schakal auf sowjetischem Territorium macht, ist eure Sache, Aleksej. Sei allerdings versichert, daß wir euch jede Unterstützung zukommen lassen.«

«Wo fangen wir an?«fragte Jason ungeduldig.

«Von vorn. «Dimitrij sah zu dem KGB-Kommissar hinüber.»Genosse, haben Sie verstanden, was wir gesagt haben?«

«Genug, Krupkin«, erwiderte der stämmige Bauern-Colonel und ging zu einem Telefon, das an der Wand auf einem Marmortisch mit Einlegearbeiten stand. Er nahm den Hörer ab und wählte. Sein Anruf wurde gleich beantwortet.

«Ich bin es«, sagte der Kommissar auf russisch.»Der dritte Mann auf Band sieben mit Rodtschenko und dem Priester, der Mann, den New York als den Amerikaner Ogilvie identifiziert hat. Von jetzt an ist er unter Beobachtung zu halten und darf Moskau nicht verlassen. «Plötzlich hob der Colonel seine Augenbrauen, sein Gesicht wurde rot. »Dieser Befehl wird widerrufen! Er untersteht nicht länger der Verantwortung des diplomatischen Bereichs, er ist einzig und allein Eigentum des KGB… Ein Grund? Benutzen Sie Ihren Schädel, Kartoffelkopf! Erzählen Sie ihnen, wir sind davon überzeugt, daß er ein amerikanischer Doppelagent ist, den diese Dummköpfe nicht enttarnt haben. Und dann der übliche Mist: Beherbergen von Staatsfeinden auf russischem Territorium… was sie normalerweise dafür kriegen würden, und daß ihre herausgehobenen Positionen somit ein weiteres Mal vom Komitet geschützt werden — solche Sachen. Außerdem könnten Sie erwähnen, daß sie einem geschenkten Gaul nicht ins Maul sehen sollen… Das werden sie schon verstehen in ihren engsitzenden Anzügen. Alarmieren Sie die Flughäfen. «Der Kommissar legte auf.

«Er hat es geschafft«, sagte Conklin, an Borowski gewandt.»Ogilvie bleibt in Moskau.«

«Ogilvie ist mir scheißegal!«explodierte Jason mit angespannter Stimme. Sein Unterkiefer zitterte.»Ich bin wegen Carlos hier!«

«Der Priester?«fragte der Colonel und ging vom Tisch weg.

«Genau den meine ich.«

«Ist einfach. Wir legen General Rodtschenko an eine sehr lange Leine, die er nicht sehen und nicht fühlen kann. Sie werden am anderen Ende sein. Er wird seinen Schakal-Priester wiedertreffen.«

«Das ist alles, was ich will«, sagte Jason Borowski.

General Grigorij Rodtschenko saß an einem Fenstertisch im Restaurant Lastotschka bei der Krimskij-Brücke, seinem Lieblingsplatz für mitternächtliche Mahlzeiten. Die Lichter auf der Brücke und den langsam dahinziehenden Schiffen entspannten das Auge und waren gut für den Stoffwechsel. Er brauchte diese beruhigende Atmosphäre, denn die vergangenen zwei Tage waren sehr beunruhigend gewesen. Hatte er recht oder unrecht gehabt? Hatten ihn seine Instinkte getrogen oder nicht? Er konnte es im Augenblick noch nicht wissen, aber genau diese Instinkte hatten ihn in die Lage versetzt, als Jugendlicher den wahnsinnigen Stalin zu überleben, im mittleren Alter den polternden Chruschtschow und einige Jahre später den unfähigen Breschnew. Jetzt, unter Gorbatschow, gab es ein neues Rußland, eine neue Sowjetunion, und sein hohes Alter hieß es willkommen. Vielleicht würde die Lage etwas entspannter werden, und seit langer Zeit bestehende Feindseligkeiten hinter einem ehemals feindseligen Horizont untergehen. Dennoch, Horizonte blieben immer Horizonte, weit entfernt, farbig oder düster, aber immer weit entfernt, flach und unerreichbar.

Er war ein Überlebender, darüber war sich Rodtschenko im klaren, und Überlebende umgeben sich mit Schutzmechanismen, wo immer sie können. Außerdem schmeicheln sie sich ein, wo immer es ihnen nützlich sein könnte. Also hatte Rodtschenko eifrig daran gearbeitet, Vertrauter und Berater des Vorsitzenden zu werden. Er war ein Experte darin, Informationen für das Komitet zu sammeln. Er war die erste Verbindung zu dem amerikanischen Unternehmen, das nur ihm allein als Medusa bekannt war und durch das ungeheure Lieferungen nach Rußland und in die Blockstaaten gelangt waren. Auf der anderen Seite hatte er Kontakt zum Monseigneur in Paris, Carlos, dem Schakal, dem er Aufträge, die auf die Sowjetunion deuteten entweder ausgeredet oder ihn sonstwie davon abgebracht hatte. Er war der Bürokrat par excellence gewesen, der hinter den Bauten der internationalen Bühnen arbeitete, weder Applaus noch Berühmtheit suchte, nur sein Überleben. Warum hatte er dann getan, was er getan hatte? War es nur Furcht und eine Ahnung, daß ein Fluch auf ihm lag? Nein, es war die logische

Folge der Ereignisse, die aus den Bedürfnissen seines Landes und vor allem der absoluten Notwendigkeit erwuchs, daß sich Moskau sowohl von Medusa als auch dem Schakal trennte.

Nach dem Generalkonsul in New York zu urteilen, war Bryce Ogilvie in Amerika am Ende. Der Vorschlag des Konsuls bestand darin, ihm irgendwo ein Asyl zu besorgen und als Gegenleistung seine zahllosen Vermögenswerte Stück für Stück zu übernehmen. Was den Generalkonsul in New York beunruhigte, waren nicht Ogilvies finanzielle Manipulationen, die bereits mehr Gesetze gebrochen hatten, als es auf dieser Welt Gerichte gab, sie zu verfolgen, sondern eher die Morde, die, soweit es der Konsul ausmachen konnte, ebenfalls zahlreich waren und Attentate an hohen US-Regierungsbeamten einschlössen und, wenn er sich nicht sehr täuschte, die Ermordung des obersten Befehlshabers der NATO. Dazu kam New Yorks Überzeugung, daß Ogilvie, um eine Reihe seiner Firmen vor der Konfiszierung zu retten, wahrscheinlich noch etliche zusätzliche Morde in Europa bestellt hatte — Morde an herausgehobenen Persönlichkeiten, mächtigen Angestellten in verschiedenen Firmen, die die komplexen, internationalen Verbindungen durchschauten, die zu einer großen Anwaltskanzlei und dem unausgesprochenen Namen Medusa zurückzuführen waren. Sollten diese vereinbarten Morde stattfinden, während Ogilvie in Moskau war, dann würden Fragen aufkommen, die Moskau nicht würde tolerieren können. Daher mußte er so schnell wie möglich wieder raus aus der Sowjetunion, aber solch eine Empfehlung war schneller ausgesprochen als eingelöst.

Plötzlich, überlegte Rodtschenko, war dieser paranoide Monseigneur aus Paris auf der Bühne erschienen. Es war unumgänglich, daß sie sich sofort trafen! Carlos hatte seine Forderungen über die öffentliche Telefonverbindung förmlich geschrien, aber vorher mußten erst alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Der Schakal verlangte wie immer einen öffentlichen Ort, mit Menschenmengen und zahlreichen verfügbaren Ausgängen, über dem er wie ein Falke kreisen konnte, ohne sich zu zeigen, bis seine professionellen Augen zufriedengestellt waren. Zwei Anrufe später, von zwei verschiedenen Orten aus, war das Rendezvous verabredet. Die Kathedrale des heiligen Basilius auf dem Roten Platz, zur Zeit des spätnachmittäglichen Touristenansturms. In einer verdunkelten Ecke zur Rechten des Altars, wo es durch die verhängten Gänge zur Sakristei Wege nach draußen gab. Abgemacht!

Dann hatte Grigorij Rodtschenko während dieses dritten Telefongesprächs eine Idee gehabt wie ein Donnerschlag über dem Schwarzen Meer, auf so dramatische Weise kühn und dennoch so offensichtlich und einfach, daß ihm für einen Augenblick der Atem gestockt hatte. Es war die Lösung, die die sowjetische Regierung vollkommen von jeder Verwicklung oder Komplizenschaft mit dem Schakal oder Medusa und Ogilvie distanzieren würde, sollte eine solche Distanz in den Augen der zivilisierten Welt nötig werden: Man mußte den Schakal und Ogilvie, die einander nicht kannten, zusammenbringen, wenn auch nur für einen Moment, immerhin aber lange genug, um fotografische Beweise dafür zu bekommen, daß sie miteinander zu tun hatten. Das war alles, was man brauchte.