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Dimitrij Krupkin stand neben dem Wohnzimmertisch, während Alex Conklin auf der brokatgeschmückten Couch saß und sein fußloses Bein massierte. Borowski starrte auf den Marx Prospekt hinaus. Alex sah zu dem KGB-Offizier hinüber, ein dünnes Lächeln auf seinem ausgezehrten Gesicht, als auch Krupkin lächelte, den Blick auf Conklin gerichtet. Die beiden tauschten ein wortloses Eingeständnis aus: Sie waren würdige Gegner in einem endlosen, grundlegend nutzlosen Krieg, in dem nur Schlachten gewonnen, die wahren Konflikte aber niemals gelöst werden konnten.

«Dann habe ich also Ihr Versprechen, Genosse«, sagte Krupkin auf russisch,»und offen gesagt, ich werde Sie daran erinnern… Natürlich zeichne ich dieses Gespräch auf! Würden Sie es anders machen?… Gut! Wir verstehen… Ebensogut, wie wir unsere gegenseitigen Verantwortlichkeiten anerkennen, also lassen Sie mich kurz rekapitulieren: Der Mann ist schwer verwundet, daher sind der städtische Taxibetrieb wie auch sämtliche Ärzte und alle Krankenhäuser im Moskauer Bezirk alarmiert. Die Beschreibung des gestohlenen Autos ist ausgegeben worden, und jedes Auftauchen von Mann oder Fahrzeug ist ausschließlich Ihnen zu melden. Die Strafe für das Nichtbeachten dieser Anweisung heißt Lubjanka, das muß klar sein… Gut! Wir haben ein gemeinsames Einverständnis, und ich erwarte, von Ihnen zu hören, sobald Sie irgendwelche Informationen haben, ja?… Beruhigen Sie sich, Genosse. Ich bin mir sehr wohl darüber im klaren, daß Sie mein Vorgesetzter sind, aber schließlich ist das hier eine proletarische Gesellschaft, ja? Befolgen Sie einfach den Rat eines extrem erfahrenen Untergebenen. Einen schönen Tag… Nein, das ist keine

Drohung, nur eine Phrase, die ich in Paris aufgeschnappt habe, amerikanischen Ursprungs, glaube ich. «Krupkin legte den Hörer auf und seufzte.»Ich fürchte, es gibt einiges, was man zugunsten unserer früheren gebildeten Aristokratie sagen könnte.«

«Sag das nicht zu laut«, bemerkte Conklin und nickte zum Telefon hinüber.»Ich schätze, es kommt nichts dabei raus.«

«Es ist übrigens etwas sehr Interessantes, auf makabre Weise äußerst Faszinierendes geschehen.«

«Womit du meinst, daß es Carlos betrifft, nehme ich an.«

«Niemanden sonst. «Krupkin schüttelte seinen Kopf, als Jason ihn vom Fenster her ansah.»Ich bin kurz in meinem Büro gewesen, um das Überfallkommando zu treffen, und auf meinem Schreibtisch lagen acht große braune Umschläge. Die Polizei hat in der Wawilowa einige Unterlagen gefunden und wollte, ganz dem Brauch entsprechend, nichts damit zu tun haben.«

«Was war drin?«fragte Alex.»Staatliche Geheimnisse, die das Politbüro als schwul entlarven?«

«Wahrscheinlich liegst du nicht weit daneben«, unterbrach Borowski.»Das war das Moskauer Kader des Schakals in der Wawilowa. Entweder hat er ihnen gezeigt, welche schmutzigen Geschichten er über sie in Händen hält, oder er hat ihnen die schmutzigen Geschichten über andere geben wollen.«

«In diesem Fall das letztere«, sagte Krupkin.»Eine Sammlung der unsinnigsten Behauptungen gegen die ranghöchsten Köpfe unserer wichtigsten Ministerien.«

«Er hat ganze Stahlkammern voll von diesem Schund. So kauft er sich in Kreise ein, in die er anders nicht einzudringen vermag.«

«Dann drücke ich mich falsch aus«, fuhr der KGB-Offizier fort.»Wenn ich >unsinnig< sage, meine ich genau das: unglaublich, irrsinnig.«

«Er trifft damit aber fast immer ins Ziel.«

«Der Großteil der Informationen ist irgendwelches Zeug aus Revolverblättern der untersten Kategorie, nichts Ungewöhnliches, und neben diesem Unsinn finden sich völlige Verzerrungen von Zeiten, Orten, Funktionen und sogar Identitäten. Zum Beispiel ist das Transportministerium gar nicht da, wo ein bestimmtes Dossier sagt, sondern einen Block weiter, und ein gewisser Genosse >Direktor< ist nicht mit der genannten Dame verheiratet, sondern mit jemand anderem — die erwähnte Frau ist ihre Tochter, und die lebt nicht in Moskau, sondern auf Kuba, schon seit sechs Jahren. Außerdem ist der Mann, der als Chef von Radio Moskau geführt wird und dem man außer Geschlechtsverkehr mit Hunden so ziemlich alles vorwirft, vor elf Monaten gestorben und war als heimlicher orthodoxer Katholik bekannt, der als Priester weit glücklicher gewesen wäre… Allein diese Fehler habe ich in wenigen Minuten entdeckt, und ich bin sicher, es gibt Dutzende mehr…«

«Du willst damit sagen, Carlos ist reingelegt worden?«fragte Conklin.»Alles ist so auffällig — wenn auch mit Sorgfalt zusammengestellt —, daß man vor Gericht darüber lachen würde. Derjenige, der ihm diese melodramatischen Exposes gegeben hat, wollte die Gegenbeweise gleich mitliefern.«

«Rodtschenko?«fragte Borowski.

«Mir fällt kein anderer ein. Grigorij — ich sage Grigorij, auch wenn ich ihn immer den >General< genannt habe war ein vollendeter Stratege und dazu ein zutiefst überzeugter Marxist. Kontrolle war sein Schlagwort, schon fast eine Sucht, und wenn er den berüchtigten Schakal im Interesse seines Vaterlandes unter Kontrolle halten konnte… was für eine Genugtuung für den alten Mann. Dennoch hat ihn der Schakal getötet.«

Das Telefon klingelte, Krupkins Hand fuhr nach unten und nahm ab. »Da?« Er wechselte ins Russische und bedeutete Conklin, während er sprach, sich fertig zu machen.»Jetzt hören Sie mir genau zu, Genosse. Die Polizei darf keine Maßnahmen treffen — vor allem sollen sie außer Sicht bleiben. Setzen Sie eins von unseren Zivilfahrzeugen ein, das den Streifenwagen ablösen soll. Drücke ich mich klar aus?… Gut. Wir gehen auf Frequenz Muräne.«

«Haben wir ihn?«fragte Borowski und trat vom Fenster weg, als Dimitrij den Hörer auf die Gabel knallte.

«Sein Wagen wurde auf der Nemtschinowak in Richtung Odintsowo gesehen.«

«Das sagt mir überhaupt nichts. Was ist in Odintsowo oder wie es heißt?«

«Ich weiß es nicht genau, aber ich nehme an, er weiß es. Denken Sie daran, daß er Moskau und Umgebung genau kennt. Man könnte Odintsowo als Industrievorstadt bezeichnen, fünfunddreißig Minuten von der Innenstadt entfernt…«

Alex kämpfte mit den Velcro-Riemen an seinem Stiefel.

«Laß mich das machen«, sagte Jason, und der Ton seiner Stimme erlaubte keinen Widerspruch.»Warum benutzt Carlos immer noch den Wagen vom Dserschinskij?«fuhr er, an Krupkin gewandt, fort.»Es sieht ihm nicht ähnlich, ein solches Risiko einzugehen.«

«Er hat keine Wahl. Er weiß, daß sämtliche Moskauer Taxis stille Helfer des Staates sind, und schließlich ist er schwer verwundet und inzwischen wohl auch ohne Waffe. Er ist nicht in der Lage, einen Fahrer zu bedrohen oder ein Auto zu stehlen… Außerdem war die Nemtschinowak schnell zu erreichen. Daß der Wagen überhaupt gesehen wurde, ist purer Zufall.«

«Laßt uns gehen!«rief Conklin, unangenehm berührt von Jasons Aufmerksamkeit und seiner eigenen Gebrechlichkeit. Er stand auf, schwankte, stieß Krupkins Hand wütend zurück und ging zur Tür.»Wir können im Wagen reden. Wir vergeuden Zeit.«

«Muräne, bitte kommen«, sagte Krupkin auf russisch, das Mikrofon an den Lippen, seine Hand am Frequenzschalter des Funkgeräts.»Muräne, antworten Sie, wenn Sie mich hören.«

«Was redet er?«fragte Borowski auf dem Rücksitz neben Alex.

«Er versucht, Kontakt zur zivilen KGB-Patrouille zu bekommen, die Carlos auf den Fersen ist. Er schaltet von einer UKW-Frequenz auf die andere. Bei uns heißt es Moray Code.«

«Was?«

«Das ist ein Aal, Jason«, erwiderte Krupkin mit einem Blick nach hinten.»Aus der Familie der Muraenidae mit porenähnlichen Kiemen und der Fähigkeit, in große Tiefen hinabzutauchen.«

«Danke, Peter Lorre«, sagte Borowski.

«Sehr gut«, lachte der KGB-Mann.»Aber Sie müssen zugeben, daß die Bezeichnung ausgesprochen anschaulich ist. Nur sehr wenige Funkgeräte taugen dazu.«

«Wann haben Sie es uns geklaut?«

«Oh, Ihnen nicht, Ihnen ganz und gar nicht. Den Briten, um die Wahrheit zu sagen. Wie üblich hält sich London in diesen Dingen zwar äußerst bedeckt, aber die Engländer sind Ihnen und den Japanern in manchen Bereichen weit voraus. Es ist das verdammte MI-Six. Sie dinieren in ihren Clubs in Knightsbridge, rauchen ihre abscheulichen Pfeifen, spielen die Unschuldigen und schicken uns Überläufer, die am Old Vic ausgebildet wurden.«