Eine Schotterstraße! Das Tor zum amerikanischen Lager war weniger als hundert Meter entfernt… Eine Schotterstraße? Benzingetränkt! Die Plastikbomben hatten nicht gezündet — aber in wenigen Augenblicken würden sie es tun, eine Feuerwand aufbauen, den Jeep und seinen Fahrer umschlingen! Mit durchgetretenem Gaspedal raste Jason zum Tor. Es war verlassen, und die Eisenschranke war unten! Er stieg auf die Bremsen, kam schlingernd zum Stehen, hoffte abseits jeder vernünftigen Hoffnung, daß keine Funken auffliegen und den Schotter entzünden würden.
Er legte die sprühende Fackel auf den Metallboden, nahm hastig zwei Granaten aus seiner Tasche, Granaten, von denen er sich nur widerwillig trennte, zog die Stifte und schleuderte sie zum Tor. Die gewaltige Explosion sprengte die Barrikaden beiseite und entzündete im gleichen Augenblick die Straße, sofort schlugen die Flammen hoch, umfaßten ihn! Er hatte keine Wahl, er warf die heiße Fackel weg und raste durch den Feuertunnel in Nowgorods letztes und größtes Lager. In diesem Moment explodierte das Wachlokal an der» englischen «Grenze. Glas, Stein und Metallteile schössen hervor und waren überall in die Luft.
Er war auf dem Weg zum Eingang nach» Spanien «derart von Angst erfüllt gewesen, daß er sich kaum an die winzigen Repliken der» amerikanischen «Städte und Dörfer erinnerte und noch viel weniger an die schnellsten Wege, die zum Tunnel führten. Er war nur den scharfen Kommandos des jungen Benjamin gefolgt, aber er erinnerte sich daran, daß der in
Kalifornien aufgewachsene Trainer von der» Küstenstraße «gesprochen hatte —»wie die Route One, Mann, rauf nach Carmel«! Es war natürlich die Straße, die dem Wolchow am nächsten lag.
Der Wahnsinn hatte» Amerika «erreicht. Polizeiwagen mit heulenden Sirenen jagten durch die Straßen, Männer riefen in Funkgeräte hinein, während Leute in verschiedenen Stadien der Be- und Entkleidung aus Häusern und Läden gerannt kamen, schrien von einem schrecklichen Erdbeben, das diesen Teil des Wolchow erschüttert habe, eines, das sogar noch schlimmer sei als die Katastrophe in Armenien. Selbst bei dem sichersten Wissen um eine verheerende Infiltration konnten die Führer von Nowgorod die Wahrheit nicht zugeben. Es war, als wäre alle Geologie vergessen, wären ihre Entdeckungen gegenstandslos. Doch wer stellt in der Panik des Überlebenskampfes schon die Obrigkeit in Frage? Jeder in» Amerika «wurde instruiert, auf etwas vorbereitet, worauf, wußte niemand.
Knapp zehn Minuten später, nach der Zerstörung des größten Teils vom kleinen» Großbritannien«, fanden sie es heraus. Borowski er reichte die zusammengedrängten, verkleinerten Umrisse von» Washington D.C.«, als der Großbrand einsetzte. Als erstes stürzte das hölzerne Duplikat des kuppelförmigen Kapitols in die Flammen, wobei das Geräusch seiner Detonation nur um Millisekunden verzögert zu hören war. Es flog in den gelblichen Himmel, und Augenblicke später — nur Augenblicke — brach das Washington Monument, das in der Mitte des Rasens in seinem Park stand, mit einem entfernten Krachen zusammen, als wäre sein falsches Fundament von einer donnernden Planierraupe weggeschaufelt worden. Sekunden danach stürzten die künstlichen Aufbauten, die das Weiße Haus darstellten, brennend in sich zusammen. Die Explosionen betäubten die Ohren wie die Augen, denn die Pennsylvania Avenue war vom Feuer überflutet.
Borowski wußte, wo er jetzt war. Der Tunnel lag zwischen» Washington «und» New London, Connecticut«! Das war nicht mehr als fünf Minuten entfernt! Er fuhr den Jeep zu der Straße hinunter, die parallel zum Fluß verlief, und wieder waren da erschreckte, hysterische Massen. Die Polizei rief mit Lautsprechern, zuerst auf englisch, dann auf russisch, und erklärte die entsetzlichen Folgen, falls jemand übers Wasser zu schwimmen versuchte, die Suchscheinwerfer schwangen vor und zurück, zeigten die treibenden Leichen von denen, die es in den nördlichen Lagern versucht hatten.
«Der Tunnel, der Tunnel! Macht den Tunnel auf!«
Die Schreie der aufgebrachten Menge wurden zu einem Sprechchor, den man physisch nicht ignorieren konnte. Bald würden sie die unterirdische Verbindung angreifen. Jason sprang aus dem umlagerten Jeep, stopfte die drei noch übrigen Fackeln in die Tasche und bahnte sich einen Weg durch die schiebenden und stoßenden Körper, arbeitete wütend, oft ergebnislos, mit Armen und Schultern. Es gab keine andere Möglichkeit. Er zog eine Fackel hervor und riß den Zünder aus seiner Vertiefung. Die sprühende Flamme tat ihre Wirkung. Hitze und Feuer waren Katalysatoren. Er rannte durch die Menge, trommelte auf jeden ein, der vor ihm war, schob die blendende, sprühende Fackel in entsetzte Gesichter, bis er vorn angekommen war und einem Spalier von Wachen in Uniformen der United States Army gegenüb erstand. Es war verrückt, wahnwitzig! Die ganze Welt war übergeschnappt!
Nein! Da! Auf dem abgezäunten Parkplatz stand der Tanklaster! Er durchbrach das Spalier der Wachen, hielt seinen computerisierten Ausweis hoch und rannte zu dem Soldaten mit den hochrangigsten Abzeichen an seiner Uniform, einem Colonel mit einer AK-47 am Schultergurt, der so panisch war, wie Jason es seit Saigon bei keinem hochrangigen Offizier mehr erlebt hatte.
«Meine Identifikation ist der Name Archie, und meinetwegen können Sie ihn gleich überprüfen. Selbst jetzt weigere ich mich, unsere Sprache zu sprechen, nur Englisch! Haben Sie das verstanden? Disziplin ist Disziplin!«
«Kogda?« schrie der Offizier, zweifelte einen Moment lang, dann kehrte er mit einem entsetzlichen Bostoner Akzent zum Englischen zurück.»Natürlich kennen wir Sie«, rief er.»Aber was kann ich tun? Das hier ist ein unkontrollierbarer Aufruhr!«
«Ist in der letzten, sagen wir, halben Stunde irgend jemand durch diesen Tunnel gekommen?«
«Niemand, absolut niemand! Unsere Befehle heißen, den Tunnel um jeden Preis geschlossen zu halten!«
«Gut… Gehen Sie an die Lautsprecher und zerstreuen Sie die Menge. Sagen Sie ihnen, die Krise ist vorbei und somit auch die Gefahr.«
«Wie kann ich das? Feuer überall, Explosionen überall!«
«Die werden bald aufhören.«
«Woher wissen Sie das?«
«Ich weiß es! Tun Sie, was ich sage!«
«Tun Sie, was er sagt!«brüllte eine Stimme hinter Borowski. Es war Benjamin, sein Gesicht und Hemd waren schweißüberströmt.»Und ich hoffe höllisch, Archie, daß Sie wissen, wovon Sie reden!«
«Wo kommen Sie denn her?«
«Woher, wissen Sie. Wie, ist eine andere Frage. Versuchen Sie mal, dem Hauptquartier so zu drohen, daß ein apoplektischer Krupkin von einem Krankenhausbett in Moskau aus einen Helikopter anfordern kann.«
>»Apoplektisch< — nicht schlecht für einen Russen…«
«Wer gibt mir solche Befehle?«schrie der Wachoffizier.»Sie sind nur ein junger Mann!«
«Überprüfen Sie mich, Freundchen, aber tun Sie es schnell«, antwortete Benjamin und hielt ihm seine Karte hin.»Sonst werde ich Sie, glaube ich, sonstwohin versetzen lassen. Irgend 'ne hübsche Gegend ohne Privattoiletten… Bewegung, Sie Arsch!«
«Cal-if-fornia, here I…«
«Halten Sie den Mund!«
«Er ist hier! Da ist der Tanker. Da drüben. «Jason deutete auf das riesige Fahrzeug, das die verstreuten Autos und Transporter auf dem eingezäunten Parkplatz zwergenhaft aussehen ließ.
«Ein Tanklaster? Wie haben Sie das rausgefunden?«fragte der erstaunte Benjamin.
«Dieser Tanker muß knapp fünfzigtausend Liter fassen.
In Verbindung mit den Plastikbomben, wenn sie strategisch angebracht sind, reicht das für die Straßen und die falschen Bauten aus altem, trockenem Holz.«
«Sluschajte!« plärrten die zahllosen Lautsprecher um den Tunnel und zogen die Aufmerksamkeit auf sich, als die Explosionen tatsächlich nachzulassen begannen. Der Colonel stieg auf das Dach des niedrigen Betonhäuschens, ein Mikrofon in der Hand, seine Gestalt umrissen vom harten Strahl der kräftigen Suchscheinwerfer.