St. Jacques war an der Gegensprechanlage.
«Strandalarm!«schrie er.»Schnappt euch eure Waffen!«
«Mein Gott, der Schakal ist tot!«donnerte Conklin.
«Seine gottverfluchten Jünger nicht!«rief Jason Borowski — keine Spur mehr von David Webb —, als er Marie zu Boden stieß und eine Waffe aus seinem Gürtel zog, von der seine Frau nichts wußte.»Man hat ihnen gesagt, daß wir hier sind!«
«Es ist unglaublich!«
«Das ist Carlos!«entgegnete Jason und rannte zum Geländer des Balkons.»Er besitzt sie! Sie gehören ihm, ein Leben lang!«
«Scheiße!«brüllte Alex, als er seinen Stuhl wutentbrannt vorwärtsrollte und Panov vom Tisch mit den brennenden Kerzen wegstieß.
Plötzlich ließ ein Lautsprecher vom führenden Hubschrauber ein ohrenbetäubend lautes, statisches Knistern hören, worauf Worte des Piloten folgten.»Sie haben gesehen, was wir mit dem Strand gemacht haben! Wir schneiden Sie in zwei Teile, wenn Sie nicht Ihren Motor abstellen!.. So ist es besser. Treiben Sie an den Strand — treiben, nicht mit dem Motor, und kommen Sie beide nach oben, die Hände am Schandeck, nach vorn gebeugt! Sofort!«
Die Suchscheinwerfer der beiden Hubschrauber konzentrierten sich auf das Boot, während die führende Maschine am Strand landete, wo die Rotoren den Sand aufwirbelten. Vier Männer sprangen heraus, die Waffen auf das herantreibende Speedboat gerichtet, während die Bewohner von Villa achtzehn am Geländer standen und erstaunt auf die unglaubliche Szenerie unter sich hinabstarrten.
«Pritchard!«schrie St. Jacques.»Bringen Sie mir ein Fernglas!«
«Ich habe es bereits hier, Mr. St. Jacques. «Der stellvertretende Manager eilte mit dem Glas hinaus und reichte es seinem Arbeitgeber.»Ich habe extra die Linsen gereinigt, Sir!«
«Was siehst du?«fragte Borowski scharf.
«Ich weiß nicht. Zwei Männer.«
«Tolle Armee!«sagte Conklin.
«Gib es mir«, befahl Jason und entriß seinem Schwager das Fernglas.»Was ist, David?«rief Marie, als sie den Schock auf dem Gesicht ihres Mannes sah.
«Es ist Krupkin«, sagte er.
Dimitrij Krupkin saß mit blassem Gesicht an dem weißen, schmiedeeisernen Tisch und weigerte sich, mit irgend jemandem zu sprechen, bevor er nicht seinen dritten Brandy geleert hatte. Wie Panov, Conklin und David Webb war auch er ein verletzter Mann, ein verwundeter Mann, ein Mann mit erheblichen Schmerzen, der wie die anderen aber nicht näher darauf eingehen wollte, weil das, was vor ihm lag, so unendlich viel besser war als das, was er hinter sich gelassen hatte. Er hatte sich seinen Bart abrasiert, und seine bewußt minderwertige Kleidung schien ihn jedesmal zu stören, wenn er an sich herabsah. Seine ersten Worte waren an den alten Brendan Prefontaine gerichtet, da er den fein gestreiften, pfirsichfarbenen Guayabera über den königsblauen Hosen des ehemaligen Richters schätzte.»Ich mag diesen Aufzug«, sagte er bewundernd.»Sehr tropisch und geschmacklich gut dem Klima angepaßt.«
«Danke.«
Man stellte sich vor, und als die Begrüßungen vorbei waren, wurde der Russe mit Fragen geradezu überschüttet. Wie ein Papst von seinem Balkon am Petersplatz hob er beide Hände und sprach:»Ich werde Sie nicht mit den langweiligen Details meines Fluges aus Mütterchen Rußland langweilen oder belästigen, nur daß mich die Preise bestürzen, die man mittlerweile zu zahlen hat, will man unorthodox reisen. Die scheußliche Unterbringung, die ich für die exorbitante Geldsumme auf mich zu nehmen gezwungen war, werde ich niemals vergessen… Dabei lassen Sie mich Gott für die Credit Suisse und diese wunderbaren grünen Coupons danken, die sie ausgeben.«
«Erzählen Sie uns einfach, was passiert ist«, sagte Marie.
«Sie, verehrte Dame, sind sogar noch schöner, als ich Sie mir vorgestellt hatte. Hätten wir uns in Paris getroffen, hätte ich Sie Ihrem Mann, diesem zerlumpten Gassenjungen aus einem Dickens-Roman, schleunigst entrissen. Mein Gott, sehen Sie sich Ihre Haare an — prächtig.«
«Jetzt erzählen Sie uns endlich, was passiert ist«, sagte Mo Panov.
«Was passiert ist? Sie haben mich durchschaut, das ist passiert! Sie haben mein wunderhübsches Haus in Genf konfisziert! Es gehört jetzt zur sowjetischen Botschaft. Der Verlust bricht mir das Herz!«
«Sie waren in Moskau im Krankenhaus«, sagte Webb,»und haben herausgefunden, daß jemand etwas für mich vorgesehen hatte — um genau zu sein: meine Hinrichtung. Dann haben Sie Benjamin befohlen, mich aus Nowgorod rauszubringen.«
«Ich habe meine Quellen, Jason, und auch auf hohen Posten werden Fehler gemacht. Ich werde niemanden bezichtigen, indem ich Namen nenne. Es war einfach falsch. Wenn Nürnberg uns nichts anderes gelehrt hat, dann doch, daß man unmoralische Befehle nicht ausführen darf. Wir in Rußland haben viel gelitten, weit mehr als irgend jemand in Amerika im letzten Krieg. Einige von uns erinnern sich daran, und wir werden diesem Feind nicht nacheifern.«
«Gut gesagt«, bemerkte Prefontaine und hob sein Glas Perrier auf den Russen.»Letztlich sind wir alle Teil derselben denkenden, menschlichen Spezies, oder?«
«Na ja«, hustete Krupkin und stürzte seinen vierten Brandy.»Jenseits dieser äußerst reizvollen, wenn auch etwas abgegriffenen Beobachtung gibt es Unterschiede in den Verpflichtungen, Richter. Obwohl zum Beispiel mein Haus am Genfer See nicht mehr mir gehört, bleiben mir ohne Frage meine Konten auf den Cayman-Inseln. Übrigens, wie weit sind diese Inseln von hier entfernt?«
«Knapp zwölfhundert Meilen westlich«, entgegnete St. Jacques.»Eine Maschine von Antigua aus bringt Sie in etwas über drei Stunden hin.«
«Das habe ich mir gedacht«, sagte Krupkin.»Als wir in Moskau im Krankenhaus lagen, hat Alex immer wieder von Tranquility Island und Montserrat gesprochen, deshalb habe ich in der Krankenhausbücherei auf der Karte nachgesehen. Es scheint alles auf einem Kurs zu liegen… Übrigens, der Mann mit dem Boot, man wird doch nicht allzu hart mit ihm umspringen, oder? Meine schändlich teuren Ersatzpapiere sind unbedingt in Ordnung.«
«Sein Vergehen bestand in seinem Auftreten, nicht darin, daß er Sie hergebracht hat«, antwortete St. Jacques.
«Ich war in Eile, das kommt davon, wenn man um sein Leben rennt.«
«Ich habe dem Gouverneur bereits erklärt, daß Sie ein alter Freund meines Schwagers sind.«
«Gut. Sehr gut.«
«Was wollen Sie jetzt tun, Dimitrij?«fragte Marie.
«Ich fürchte, meine Möglichkeiten sind begrenzt. Unser russischer Bär hat nicht nur mehr Klauen als ein Tausendfüßler Beine, er ist außerdem mit einem weltweiten, computerisierten Nachrichtennetz ausgestattet. Ich werde eine ganze Zeit im Verborgenen bleiben und mir eine neue Existenz aufbauen müssen. Von Geburt an natürlich. «Krupkin wandte sich dem Besitzer des Tranquility Inn zu.»Wäre es wohl möglich, eines dieser hübschen Landhäuschen zu mieten, Mr. St. Jacques?«
«Nach allem, was Sie für David und meine Schwester getan haben, brauchen Sie kein zweites Mal darüber nachzudenken. Dieses Haus ist Ihr Haus, Mr. Krupkin. Alles, was Sie wollen.«
«Wie liebenswürdig. Zuerst muß ich natürlich eine Reise auf die Cayman-Inseln machen, wo es, wie man mir gesagt hat, ausgezeichnete Schneider gibt. Dann vielleicht eine praktische kleine Yacht und ein bescheidenes Chartergeschäft, mit dem man vorgeben kann, es von Tierra del Fuego oder den Malediven geholt zu haben, irgendeinem gottverlassenen Ort, an dem einem ein bißchen Geld eine neue Identität und eine höchst glaubhafte, wenn auch undurchsichtige Vergangenheit verschaffen kann. Wenn das alles einmal in Bewegung ist, dann gibt es einen Arzt in Buenos Aires, der mit Fingerabdrücken Wunder vollbringt, ziemlich schmerzlos, wie man mir sagte, und dann ein paar kleinere kosmetische Operationen — Rio hat die besten Möglichkeiten, wissen Sie, weit besser als New York —, gerade genug, um das Profil zu ändern und die Jahre vielleicht ein wenig zurückzudrehen… Die letzten fünf Tage und Nächte hatte ich nichts anderes zu tun, als nachzudenken und zu planen, da ich Sie, Mrs. Webb, noch nicht kannte.«