«Was?«fragte Gates, wobei er vom Papier aufschaute.»Welche Information?«
«Die Information, die weder Sleaze noch ich irgendwo niederschreiben würden. Der erste Hinweis kam am frühen Morgen vom Setup-Beamten bei den Pan American Airlines. Er erwähnte unserem Detektiv gegenüber, daß er am Tag zuvor das Problem gehabt hätte, einem hochrangigen Politiker, oder so jemandem in der Preislage, Windeln zu besorgen, und das, als er um 5.45 Uhr gerade seinen Dienst begonnen hatte. Wußtest du, daß da Windeln in verschiedenen Größen vorhanden sind und in einem speziellen Flugbedarfsladen verkauft werden?«
«Was willst du mir eigentlich sagen?«
«Alle Läden am Flughafen waren geschlossen. Sie öffnen erst um sieben Uhr.«
«So?«
«Also hat irgend jemand in der Eile etwas vergessen. Eine Frau mit einem fünfjährigen Kind und einem Baby verließen Boston in einem Privatjet, der auf der Runway für den Pan-Am-Pendelverkehr abhob. Der Beamte besorgte die Windeln, und die Mutter bedankte sich persönlich. Verstehst du, es war ein junger Vater, er verstand etwas von Windelgrößen. Er brachte drei verschiedene Größen… «
«In Gottes Namen, wirst du endlich zum Punkt kommen, Richter?«
«Richter?«Die Augen des Mannes mit dem grauen Gesicht weiteten sich.»Dank dir, Randy. Außer von meinen Freunden in verschiedenen Gin-Mühlen bin ich seit Jahren nicht mehr so genannt worden. Es muß meine Aura sein.«
«Es war eine Erinnerung an die langweiligen Ausführungen, die du sowohl im Gerichtssaal als auch an der Uni machtest!«
«Ungeduld war immer deine schwache Seite. Ich schrieb es deinem Gelangweiltsein zu, dich mit Gesichtspunkten anderer Leute auseinanderzusetzen, die mit deinen Schlußfolgerungen nicht übereinstimmten… Egal, unser Sleaze hat dem Hasen sofort Salz auf den Schwanz gestreut und eilte zum Kontrolltower, wo er einen bestechlichen Fluglotsen fand, der gerade seinen Dienst beendete und der die Flüge am Tag zuvor gecheckt hatte. Der in Frage kommende Jet hatte einen
Computerausdruck mit Vier-Null, was, wie unser Kapitän Sleaze zu seinem Erstaunen erfuhr, höchste Geheimhaltungsstufe und Regierungssache bedeutet. Kein Schriftstück, kein Name von irgend jemandem an Bord, nur eine Routenangabe, um kommerziellen Flugzeugen auszuweichen, und ein Zielflughafen.«»Welcher hieß?«»Blackburne, Montserrat.«»Was, zum Teufel, ist das?«
«Der Flughafen von Blackburne auf der karibischen Insel Montserrat.«»Dahin flogen sie? Ist es das?«
«Nicht unbedingt. Wie Feldwebel Sleaze sagt, der, wie ich sagen muß, sich wirklich kundig gemacht hat, gibt es von dort Flugverbindungen zu einem Dutzend kleinerer Inseln.«»Das war's?«
«Das war's, Professor. Und in Anbetracht der Tatsache, daß das fragliche Flugzeug eine Vier-Null-Regierungsklassifizierung hatte, was ich nebenbei in meinem Brief an den General staatsanwalt vermerkt habe, denke ich, daß ich meine zehntausend Dollar wohl verdient habe.«»Du betrunkener Abschaum.«
«Wieder liegst du falsch, Randy«, unterbrach der Richter.»Alkoholiker, gewiß, aber kaum jemals betrunken. Ich bleibe immer am Rand zur Nüchternheit. Ist einer der Gründe für mein Überleben. Und es ist auch ein Grund, daß ich mich immer amüsiere — über Männer wie dich zum Beispiel.«
«Mach, daß du rauskommst«, sagte der Professor drohend.
«Du bietest mir nicht einmal einen Drink an, um meine schlechte Angewohnheit zu unterstützen? Lieber Himmel, da drüben muß es mindestes ein halbes Dutzend ungeöffneter Flaschen geben.«»Nimm dir eine und verschwinde.«»Danke, ich glaube, das tu ich. «Der alte Richter ging zu dem Kirschholztisch an der Wand, wo auf zwei Tabletts verschiedene Whisky- und eine Brandyflasche standen.»Mal sehen«, fuhr er fort, nahm ein paar Leinenservietten und wickelte sie um zwei
Flaschen und um eine dritte.»Wenn ich die unter den Arm klemme, sieht das wie ein Wäschebündel für den Schnelldienst aus.«
«Nun hau endlich ab!«
«Machst du mir bitte die Tür auf? Ich würde es verdammt bereuen, wenn ich eine fallen ließe.«
«Raus jetzt«, wiederholte Gates und öffnete dem Alten die Tür.
«Dank dir, Randy«, sagte der Richter, als er auf den Flur trat.»Und vergiß nicht den Bankscheck an die Boston Five morgen früh. Fünfzehntausend.«
«Fünfzehn…?«
«Ehrenwort, kannst du dir vorstellen, was der Generalstaatsanwalt sagen würde, wüßte er, daß du mich überhaupt empfangen hast? Wiedersehen, Herr Rechtsberater.«
Kapitel 6
Randolph Gates schlug die Tür zu und rannte ins Schlafzimmer zum Telefon neben dem Bett. Der kleinere Raum schien ihm irgendwie sicherer, persönlicher. Der Anruf, den er tätigen mußte, entnervte ihn derart, daß er die Instruktionen für Überseetelefonate nicht begriff. Er rief die Zentrale an.
«Ich möchte eine Verbindung nach Paris«, sagte er.
Borowskis Augen waren müde, und er hatte leichte Kopfschmerzen, als er die auf dem Couchtisch verstreuten Computerausdrucke studierte. Nach vorne gebeugt, hatte er sie beinahe vier Stunden lang analysiert, wobei er die Zeit vergaß und ebenfalls, daß seine» Kontrolle «schon hätte dasein müssen. Er war nur mit dem Verbindungsmann des Schakals im Hotel Mayflower beschäftigt.
Die erste Gruppe, die er zeitweise erst einmal zur Seite gelegt hatte, bestand aus Nationalitäten wie Briten, Italienern, Schweden, Westdeutschen, Japanern und Taiwanesen. Jeder von ihnen war sorgfältig untersucht worden hinsichtlich der Papiere und der geschäftlichen oder persönlichen Gründe seines Aufenthalts im Land. Das Außenministerium und die CIA hatten ihre Hausaufgaben gemacht. Für jede Person wurde beruflich oder persönlich von mindestens fünf unbescholtenen Personen oder Unternehmen gebürgt. Alle hatten weit zurückreichende Beziehungen mit diesen Leuten und Firmen im Gebiet von Washington. Wenn der Mann des Schakals unter ihnen war — und das konnte durchaus sein —, waren weit mehr Informationen nötig, um ihn zu identifizieren. Es konnte notwendig sein, auf diese Gruppe zurückzukommen, aber für den Moment hatte Jason genug andere Lektüre.
Er hatte so wenig Zeit!
Von den etwa fünfhundert amerikanischen Gästen im Hotel hatten zweihundertundzwölf Eintragungen in mindestens einer der CIA-Datenbanken, die Mehrzahl deshalb, weil sie Geschäfte mit der Regierung tätigten. Achtundsiebzig jedoch hatten negative Bemerkungen. Einunddreißig davon bezogen sich auf Steuerangelegenheiten, was bedeutete, daß diese Personen verdächtigt wurden, finanzielle Unterlagen zu zerstören oder zu fälschen und/oder schwarze Gelder auf Bankkonten in der Schweiz oder auf den Cayman-Inseln zu haben. Sie zählten nicht, es waren reiche und nicht besonders geschickte Diebe: eine Sorte Mensch, die Carlos wie die Pest meiden würde.
Blieben siebenundvierzig Möglichkeiten. Männer und Frauen — in elf Fällen offenbar Ehepaare — mit ausgedehnten Beziehungen zu Europa, hauptsächlich zu technologischen Firmen, Atom- und Luftfahrtunternehmen, die alle unter sehr intensiver Geheimdienstüberwachung wegen möglicher Verkäufe von geschützten Informationen an Händler im Ostblock standen. Von diesen siebenundvierzig Möglichkeiten, darunter zwei der sieben Ehepaare, hatte ein gutes Dutzend kürzlich Besuche in der Sowjetunion gemacht. Konnten alle gestrichen werden. Der KGB hatte für den Schakal weniger Verwendung als der Papst. Ilich Ramirez Sanchez, später Carlos, der Killer, war zwar in der amerikanischen Sektion von Nowgorod ausgebildet worden, wo die Straßen mit amerikanischen Tankstellen, Kneipen, Burger Kings und Geschäften gesäumt waren und wo es von verschiedenen Dialekten nur so wimmelte — Russisch war verboten —, und Sanchez hatte diese Stufe der Ausbildung auch erfolgreich abgeschlossen, aber als der KGB entdeckte, daß die Lösung aller unangenehmen Dinge für den jungen venezolanischen Revolutionär und Spion in spe immer in ihrer gewaltsamen Beseitigung bestand, wurde es selbst den Erben der brutalen GPU zuviel. Sanchez wurde ausgestoßen und wurde zu Carlos, dem Schakal. Die zwölf Leute, die in die Sowjetunion gereist waren, konnte man demgemäß vergessen. Der Mörder würde sie nicht anrühren, denn es gab einen ständigen Befehl in allen Abteilungen des russischen Geheimdienstes, Carlos zu erschießen, falls er aufgespürt würde. Nowgorod mußte mit allen Mitteln geschützt werden.