Ihr hübsches Gesicht, ihre fröhliche Stimme und ihr perfektes Lächeln konnten die Befürchtungen des Richters auch nicht zerstreuen. Viel zu viele richtige Verbrecher verfügten ebenfalls über solche Kennzeichen.
«Stimmt etwas nicht mit meinem Paß, junge Dame?«
«Nicht, daß ich wüßte, Sir.«
«Warum also der Aufschub? Warum können Sie ihn nicht einfach stempeln und mich durchlassen?«
«Oh, er ist gestempelt, und die Einreiseerlaubnis haben Sie. Das ist kein Problem.«
«Warum dann also…?«
«Kommen Sie bitte mit mir, Sir.«
Sie näherten sich einem großen gläsernen Bürowürfel mit der Aufschrift» Stellvertretender Direktor für den Grenzverkehr «auf dem linken Fenster. Die attraktive Angestellte öffnete die Tür und machte dem älteren Herrn lächelnd ein Zeichen einzutreten. Prefontaine tat, wie ihm geheißen, wobei er maßlose Angst bekam, daß er untersucht werden könnte, daß man das Geld finden und alle möglichen Anklagen gegen ihn erheben würde. Er wußte nicht, welche Inseln am Drogenhandel beteiligt waren, aber wenn diese dazugehörte, dann wären mehrere tausend Dollar natürlich gleich suspekt. Erklärungen rasten durch sein Gehirn, während die Angestellte zu einem Tisch ging und dem kurzen, untersetzten stellvertretenden Direktor seinen Paß überreichte. Die Frau lächelte Brendan nochmals gewinnend an, ging zur Tür hinaus und schloß sie hinter sich.
«Mr. Brendan Patrick Pierre Prefontaine«, begann der Beamte, während er im Paß las.
«Nicht, daß es darauf ankäme«, sagte Brendan freundlich mit aller Autorität.»Das >Mr.< wird jedoch gewöhnlich durch >Richter< ersetzt — wie ich schon sagte, ich glaube nicht, daß es unter diesen Umständen von Wichtigkeit wäre, oder vielleicht doch, ich weiß es nicht. Hat einer meiner Angestellten einen Fehler gemacht? Sollte das der Fall sein, fliege ich das ganze Büro ein, um sich zu entschuldigen.«
«Keineswegs, Sir — Richter«, antwortete der uniformierte, weißgegürtete schwarze Mann, als er sich vom Stuhl erhob und seine Hand über den Tisch ausstreckte.»Vielleicht habe ich sogar einen Fehler gemacht.«
«Und wenn schon, Oberst, das tun wir alle mal. «Brendan ergriff die Hand des Beamten.»Dann kann ich vielleicht gehen? Es gibt jemanden, den ich treffen muß.«
«Das hat er auch gesagt.«
Brendan ließ die Hand los.»Verzeihung?«
«Vielleicht muß ich Sie darum bitten… Die Vertraulichkeit natürlich.«
«Die was? Können wir vielleicht auf den Punkt kommen? Bitte?«
«Ich bin mir der Geheimhaltung bewußt«, fuhr der Beamte fort,»sie ist von äußerster Wichtigkeit — so ist es uns erklärt worden —, aber wann immer wir behilflich sein können, versuchen wir, uns der Krone erkenntlich zu zeigen.«
«Außerordentlich löblich, Brigadegeneral, aber ich fürchte, ich verstehe nicht.«
Der Beamte senkte unnötigerweise die Stimme.»Ein großer Mann ist heute früh hier angekommen, wußten Sie das?«
«Ich bin sicher, daß viele bedeutende Männer auf Ihre wunderschöne Insel kommen. Auch mir ist sie aufs wärmste empfohlen worden.«
«Ah, ja, die Abgeschiedenheit und Geheimhaltung.«
«Natürlich die Geheimhaltung«, stimmte der Richter zu und fragte sich, ob der Beamte wohl alle Tassen im Schrank hatte.»Könnten Sie sich deutlicher ausdrücken?«
«Nun gut, er sagte, daß er hier jemanden treffen wolle, einen Geschäftsfreund, mit dem er konferieren müsse, aber nach dem sehr bescheidenen Empfang, ohne Presse, versteht sich, wurde er direkt zu einem Charterflugzeug gebracht, das ihn auf eine der äußeren Inseln geflogen hat, so daß er die Person offenbar nicht treffen konnte, wie er wollte. Ist das jetzt klar genug?«
«Wie der Hafen von Boston im Nebel, General.«
«Sehr gut, ich verstehe. Geheimhaltung. Deshalb wurde unser ganzes Personal darüber informiert, daß der Freund des großen Mannes ihn hier auf dem Flughafen suchen könnte — vertraulich natürlich.«
«Natürlich. «Nicht eine Tasse, dachte Brendan.»Dann habe ich an eine andere Möglichkeit gedacht«, sagte der Beamte und kostete seinen Triumph aus.»Angenommen, der Freund des großen Mannes fliegt auch hierher auf die Insel zu einem Rendezvous mit ihm.«
«Brillant.«
«Nicht ohne Logik. Dann hatte ich die Idee, die Passagierlisten aller ankommenden Flüge durchzugehen, wobei ich mich natürlich auf die der ersten Klasse konzentriert habe, wo die Freunde eines großen Mannes zu vermuten sind.«
«Hellsichtig«, murmelte der ehemalige Richter.»Und da haben Sie mich ausgesucht?«
«Der Name, Sir! Pierre Prefontaine!«
«Meine fromme verstorbene Mutter wäre sicher beleidigt, weil Sie >Brendan Patrick< weggelassen haben. Wie die Franzosen sind auch die Iren in diesen Dingen sehr empfindlich.«
«Aber es war eine Familie. Das hatte ich sofort begriffen!«
«Haben Sie?«
«Pierre Prefontaine! Jean Pierre Fontaine. Ich bin Experte in Grenzformalitäten und habe die Methoden in vielen Ländern studiert. Ihr eigener Name ist ein faszinierendes Beispiel, sehr verehrter Richter. Welle auf Welle von Einwanderern flutete in die Vereinigten Staaten, den Schmelztiegel der Nationen, Rassen und Sprachen. Bei diesem Prozeß haben die Namen sich verändert, wurden zusammengezogen oder einfach mißverstanden von zahllosen unbedarften und überarbeiteten Schreibern. Aber die Wurzeln haben häufig überlebt, und so war es auch bei Ihnen. Die Familie Fontaine wurde zu Prefontaine in Amerika, und der Freund des großen Mannes war in Wirklichkeit ein geschätztes Mitglied des amerikanischen Zweiges!«
«Gewiß beeindruckend«, murmelte Brendan und schaute den Beamten an, als befürchtete er, daß gleich eine Horde Pfleger mit Zwangsjacken hereinstürmen würde.»Aber ist es nicht möglich, daß es sich um einen bloßen Zufall handelt? Fontaine ist in Frankreich ein häufiger Name, und soweit ich herausgefunden habe, waren die Prefontaines besonders in Elsaß-Lothringen zu Hause.«
«Ja, natürlich«, sagte der Stellvertreter und senkte die Stimme, statt einfach zu flüstern.»Aber ohne vorherige Warnung ruft plötzlich der Quai d'Orsay aus Paris an, dann das Außenministerium von Großbritannien mit näheren Instruktionen, daß bald ein großer Mann vom Himmel herabgleiten werde. Beachtet ihn, ehrt ihn, bringt ihn auf eine entfernte Insel, die für ihre Zurückgezogenheit bekannt ist. Denn das sei wichtig — der große Mann wünsche totale Zurückgezogenheit… Aber gleichzeitig ist der große Krieger ängstlich und möchte sich vertraulich mit einem Freund treffen, den er nicht findet. Vielleicht hat der große Mann Geheimnisse. Das haben alle großen Männer, wissen Sie.«
Plötzlich fühlten sich die vielen Dollars in Prefontaines Taschen sehr schwer an. Washingtons Four-Zero-Abfertigung in Boston, der Quai d'Orsay in Paris, das Außenministerium in London — Randolph Gates, der ohne Grund aus reiner Panik eine große Summe Geldes rausrückte. Da gab es ein Muster seltsamer Übereinstimmungen, deren seltsamste der verschreckte skrupellose Staatsanwalt mit Namen Gates war. Gehörte er dazu, oder war es ein Irrtum? Was hatte das alles zu bedeuten?
«Sie sind ein außergewöhnlicher Mann«, sagte Brendan schnell und verdrängte seine Gedanken, indem er schnell sprach.»Ihre Beobachtungen sind geradezu brillant. Aber Sie verstehen doch, daß Geheimhaltung das allerwichtigste ist?«