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Karitas für alle, Intimität mit niemandem. So interpretiert Fitzgerald, der englische Übersetzer, in seinen Anmerkungen einen Aspekt in Khayyams Ethik.

Das Evangelium empfiehlt zwar die Liebe zum Nächsten, sagt aber nichts von der Liebe zum Menschen oder zur Menschheit, der in der Tat niemand helfen kann.

Man wird sich vielleicht fragen, ob ich mir die Philosophie Khayyams zu eigen mache, so wie ich sie hier, ich glaube zutreffend, von neuem darstelle und auslege. Dazu kann ich nur sagen, ich weiß es nicht. An manchen Tagen halte ich sie für die beste, ja sogar die einzige aller praktischen Philosophien. An anderen Tagen wieder kommt sie mir nichtig, tot und nutzlos vor wie ein leeres Glas. Ich kenne mich nicht, weil ich denke. Und weiß daher nicht, was ich wirklich denke. Wäre ich ein gläubiger Mensch, wäre ich anders, aber auch wenn ich verrückt wäre, wäre ich anders. Oder besser: Wenn ich ein Anderer wäre, wäre ich anders.

Außer diesen Dingen der profanen Welt gibt es fraglos noch die Geheimlehren der esoterischen Orden, die offenkundigen Mysterien, die geheimgehalten, und die verschleierten Mysterien, die in öffentlichen Ritualen versinnbildlicht werden. Aber auch in den großen katholischen Riten, im Marienkult der Römischen Kirche oder in der Zeremonie des Geistes der Freimaurerei gibt es Okkultes und Halbokkultes.

Doch wer sagt uns letztlich, ob der Initiierte, wenn er sich in den Herzkammern des Mysteriums auskennt, nicht nur die schmähliche Beute einer neuen Facette der Illusion ist? Was hat er schon für eine Gewißheit, wenn ein Verrückter sich seiner eigenen Verrücktheit gewisser ist als er sich der seinen? Spencer sagte, unser Wissen sei eine Sphäre, die, je mehr sie sich erweitere, um so mehr an unser Unwissen rühre. Auch gehen mir bei diesem Kapitel über Initiationsriten die schrecklichen Worte eines Meisters der Magie nicht aus dem Sinn: »Ich habe Isis gesehen«, sagte er, »ich habe Isis berührt und weiß dennoch nicht, ob sie existiert.«

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Omar Khayyam

Omar Khayyam besaß Persönlichkeit; ich hingegen besitze – zu meinem Glück oder Unglück – keine. Einmal bin ich dies, ein andermal bin ich jenes; was ich heute bin, habe ich morgen vergessen. Wer, wie Omar, ist, wer er ist, lebt in einer einzigen Welt, der äußeren Welt; wer, wie ich, nicht ist, wer er ist, lebt nicht nur in einer äußeren Welt, sondern auch in einer vielschichtigen, wechselhaften inneren Welt. Sosehr er auch danach trachtet, seine Philosophie wird nie der Omar Khayyams gleichkommen. Daher trage ich, gleich ungewollten Seelen, genau jene Philosophien in mir, die ich kritisiere; Omar konnte sie allesamt verwerfen, da sie außerhalb von ihm waren; ich hingegen kann dies nicht: sie sind ich.

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Es gibt ein so subtiles, diffuses inneres Leid, daß sich nicht feststellen läßt, ob es von der Seele oder vom Körper herrührt oder ein Unwohlsein ist, weil man die Nichtigkeit des Lebens spürt, oder aber die schlechte Laune, die aus irgendeinem organischen Abgrund aufsteigt – aus Magen, Leber oder Gehirn. Wie oft trübt sich das normale Bewußtsein meiner selbst durch den aufgewühlten Bodensatz einer unruhigen Stagnation! Wie oft schmerzt es mich, mit einem so unbestimmten Gefühl des Ekels existieren zu müssen, daß ich nicht weiß, ob es Überdruß ist oder ein beginnendes Erbrechen! Wie oft …

Meine Seele ist heute traurig bis in den Körper. Mein ganzes Ich schmerzt mich, Erinnerung, Augen, Arme. Es zieht wie ein Rheumaschmerz in allem, was ich bin. Auch die durchsichtige Klarheit des Tages, ein Himmel, groß, rein und blau, eine stehengebliebene Flut verschwommenen Lichts hat auf mein Wesen keinen Einfluß. Er stimmt mich nicht heiterer, der leichte, frische Hauch – herbstlich und doch an den Sommer erinnernd –, der der Luft Persönlichkeit verleiht. Nichts bedeutet mir etwas. Ich bin traurig, aber meine Traurigkeit ist keine bestimmte, geschweige denn eine unbestimmte. Ich bin traurig draußen, auf der von Kisten verstellten Straße.

Diese Worte geben nicht genau wieder, was ich empfinde, da zweifellos keine Empfindung genau wiedergegeben werden kann. Doch irgendwie versuche ich den Eindruck dessen, was ich empfinde, zu vermitteln, eine Mischung verschiedener Arten von Ichs und der fremden Straße, die mir, weil ich sie sehe, ebenfalls auf eine innere Art und Weise, die ich nicht zu analysieren vermag, gehört und ein Teil von mir ist.

Ich hätte als verschiedene Menschen in entfernten Ländern leben wollen. Ich hätte als ein anderer unter unbekannten Bannern sterben wollen. Ich hätte in anderen Epochen zum Imperator ausgerufen werden wollen, Epochen, die mir heute besser erscheinen, da sie nicht von heute sind: schillernd, bunt und mit nie gesehenen Sphinxen. Ich hätte alles gewollt, was den lächerlich machen kann, der ich bin, und weil es lächerlich macht, was ich bin. Ich hätte gewollt, ich hätte gewollt … Aber die Sonne ist immer da, wenn die Sonne scheint, und die Nacht, wenn die Nacht anbricht. Immer ist der Kummer da, wenn der Kummer uns drückt, und der Traum, wenn der Traum uns einwiegt. Immer ist das Vorhandene vorhanden und nie das, was eigentlich vorhanden sein müßte, nicht, weil es besser oder schlechter wäre, sondern weil es etwas anderes ist. Immer ist […]

Die Lastenträger räumen die Kisten von der Straße. Stapeln sie eine um die andere unter Scherzen und Gelächter auf die Fuhrwerke. Oben, von meinem Bürofenster aus, sehe ich ihnen zu, mit langsamen Augen und schlafschweren Lidern. Und etwas Subtiles, Unverständliches verbindet, was ich empfinde, mit den Verladearbeiten, irgendeine unbekannte Empfindung verwandelt all meinen Überdruß, meine Angst, meinen Ekel in eine Kiste und hebt sie auf die Schultern eines Mannes, der laut Witze reißt, auf ein nicht vorhandenes Fuhrwerk. Und das Tageslicht, heiter wie immer, fällt, da die Straße eng ist, schräg auf die Stelle mit den Kisten – doch nicht auf die Kisten, die im Schatten stehen, sondern weiter hinten hin, da, wo die Transportarbeiter mit ihrem Nichtstun beschäftigt sind, und das auf unabsehbare Zeit.

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Wie eine schwarze Hoffnung lag eine Art Vorankündigung in der Luft; der Regen selbst schien eingeschüchtert; ein taubes Schwarz schwieg sich über der Umgebung aus. Plötzlich, wie ein Schrei, zersplitterte ein wundervoller Tag. Kaltes Höllenlicht durchzuckte alles, drang in Gehirne wie letzte Winkel. Alles erstarrte. Eine Last fiel ab von allem, als der Donnerschlag verklungen war. Der traurige Regen klang heiter mit seinem rauhen, schlichten Rauschen. Unwillkürlich spürte man das Herz, und alles Denken war Betäubung. Eine unklare Religion entstand im Büro. Niemand war er selbst, und Chef Vasques erschien an der Tür seines Arbeitszimmers, um daran zu denken, daß er etwas sagen wollte. Moreira lächelte, sein Gesicht war noch umflort vom Gelb plötzlicher Angst. Sein Lächeln besagte, daß der nächste Donnerschlag zweifellos schon aus größerer Ferne käme. Ein schnelles Fuhrwerk übertönte laut die Geräusche der Straße. Das Telefon begann hemmungslos zu klingeln. Chef Vasques ging, statt zurück in sein Zimmer, auf den Apparat im großen Arbeitsraum zu. Ruhe stellte sich ein, Stille, und der Regen fiel nieder wie ein Alptraum. Chef Vasques vergaß das Telefon, das aufgehört hatte zu läuten. Im Hintergrund des Raumes bewegte sich der Dienstmann wie etwas Unbequemes.