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»Warum versuchen, wie die anderen zu sein, wenn du verdammt bist, du selbst zu sein? Warum lachen, wenn deine aufrichtige Freude falsch ist, denn sie kommt aus deinem Selbstvergessen? Wozu weinen, wenn du spürst, daß weinen unnütz ist, und du weinst, nicht weil deine Tränen dich trösten, sondern sie dich nicht trösten?«

»Bist du glücklich, wenn du lachst, ist dein Lachen mein Sieg; bist du glücklich, weil du vergessen hast, wer du bist, wie glücklich dann erst wirst du dort mit mir sein, wo du alles vergessen hast? Findest du wirkliche Ruhe nur im traumlosen Schlaf, welche Ruhe erst wirst du finden in meinem Bett, in dem aller Schlaf traumlos ist! Erhebst du dich bisweilen, weil du Schönheit siehst und dich und das Leben vergißt, wie hoch hinaus erst wirst du dich in meinem Palast erheben, dessen nächtliche Schönheit keinen Mißklang kennt, kein Alter und keinen Verfall; in meinen Gemächern, in denen kein Wind in die Vorhänge fährt, kein Staub sich über die Sessel legt, kein Licht Samt und Polster bleicht und keine Zeit das leere Weiß der Wände gilbt!«

»Komm in meine Zärtlichkeit, die unverbrüchliche; in meine Liebe, die immerwährende! Trink aus meinem Kelch, dem immervollen, jenen erlesenen Nektar, der weder müde noch trunken macht. Und betrachte vom Fenster meines Schlosses nicht Mondschein und Meer, die schön und daher unvollkommen sind, sondern die weite, mütterliche Nacht, den ungeteilten Glanz des tiefen Abgrunds!

In meinen Armen wirst du den Schmerzensweg vergessen, der dich zu ihnen führte. An meiner Brust wird die Liebe vergehen, die dich sie hat suchen lassen! Komm an meine Seite, nimm Platz auf meinem Thron, und sei auf ewig Herrscher über das Mysterium, Hüter des Grals, unentthronbar sollst du bestehen neben Göttern und Schicksal, im Nichts-Sein, ohne Diesseits und ohne Jenseits, ohne Mangel und ohne Überfluß, nichts wirst du brauchen.«

»Ich werde dein väterlicher Gefährte[81]   sein, dein wiedergefundener Zwillingsbruder. Und sind mir all deine Ängste verbunden, und ist alles, wonach du vergeblich in dir suchtest, mir anvertraut, wirst du selbst dich in meinem mystischen Wesen verlieren, in meiner geleugneten Existenz, an meiner Brust, an der die Dinge verlöschen, die Seelen versinken und selbst die Götter vergehen.«

O König der Loslösung und des Verzichts, Herrscher des Todes und des Scheiterns, lebender Traum, strahlender Wanderer zwischen der Welt Ruinen und Straßen!

O König der Verzweiflung inmitten aller Pracht, schmerzensreicher Herr von Palästen, die nicht genügen, Meister feierlicher Gefolge und glänzender Feste, die das Leben nicht auszulöschen vermögen! …

O König, auferstanden aus Gräbern, der du kamst in Nacht und Mondlicht, dein Leben den Lebenden zu erzählen, Page entblätterter Lilien, kaiserlicher Herold beinerner Kälte!

O König, Hüter der Schlaflosigkeit, Ritter der Ängste, ruhmlos und unbeweibt Reisender auf Mondlichtstraßen, Herr über Wälder und Schluchten, stummer Schattenriß mit geschlossenem Visier, durch Täler ziehend, unverstanden in den Dörfern, verspottet auf den Märkten, verachtet in den Städten!

O König, vom Tod zu seinesgleichen erhoben, bleich und absurd, vergessen und verkannt, herrschend zwischen mattem Marmor und verblichenem Samt, auf seinem Thron an der Grenze des Möglichen, umgeben von seinem unwirklichen Hofstaat, ein Kreis aus Schatten, beschützt von seiner wundersamen Garde, geheimnisvoll und nicht vorhanden.

Bringt, ihr Pagen, Jungfrauen, Diener und Dienerinnen, bringt herbei die Pokale, Teller und Girlanden, bringt sie herbei für das Festmahl, zu dem der Tod lädt! Bringt sie, und kommt in Schwarz und mit Myrthen bekränzt!

Bringt Mandragora in den Pokalen, […] auf den Tellern, und Girlanden aus Veilchen, aus allen Blumen, die an Trauer gemahnen.

Der König begibt sich zum Gastmahl mit dem Tod in seinen alten Palast am See, in den Bergen, fern des Lebens und abgewandt der Welt.

Laßt Orchester aufspielen mit seltenen Instrumenten, deren bloßer Klang weinen macht. Kleidet die Diener in Livreen unbekannter Farbe, prächtig und schlicht wie die Katafalke der Helden.

Und ehe das Gastmahl beginnt, laßt durch die Alleen der weiten Gärten den langen mittelalterlichen Zug toten Purpurs ziehen, das große, stille Zeremoniell, wie Schönheit durch einen Alptraum.

Der Tod ist der Triumph des Lebens!

Durch den Tod leben wir, denn wir sind heute nur, weil wir für das Gestern gestorben sind. Durch den Tod hoffen wir, denn wir können an das Morgen nur glauben, weil uns der Tod des Heute sicher ist. Durch den Tod leben wir, wenn wir träumen, denn träumen heißt das Leben verneinen! Durch den Tod sterben wir, wenn wir leben, denn leben heißt die Ewigkeit verneinen! Der Tod leitet uns, der Tod sucht uns, der Tod begleitet uns. Alles, was wir haben, ist der Tod, alles, wonach uns verlangt, ist der Tod, der Tod ist alles, wonach uns sehnsüchtig verlangt.

Ein Hauch Aufmerksamkeit weht durch die Flügel des Palastes.

Schon naht er, mit dem Tod, den keiner sieht, und mit […], der nie eintrifft.

Herolde, stoßt in eure Hörner! Habt acht!

Deine Liebe zu geträumten Dingen war Verachtung für gelebte Dinge.

Jungfräulicher König, der die Liebe verachtete,Schattenkönig, der das Licht verschmähte,Traumkönig, der das Leben nicht wollte!

Unter dem ohrenbetäubenden Lärm der Zimbeln und Pauken ruft die Finsternis dich zum Herrscher aus!

Maximen

Feste, eindeutige Meinungen, Instinkte, Leidenschaften und einen zuverlässigen, erkennbaren Charakter haben – all dies macht aus unserer Seele schrecklicherweise etwas Reales, Materielles und Äußerliches. Ein wohliger, fließender Zustand der Unkenntnis aller Dinge und der eigenen Person ist der einzige Zustand, in dem es sich für einen Wissenden angemessen und herzerwärmend leben läßt.

Wer sich fortwährend zwischen sich selbst und die Dinge zu stellen vermag, hat die höchste Stufe der Weisheit und Umsicht erreicht.

Unsere Persönlichkeit sollte unergründbar sein, auch für uns selbst. Träumen wir also und beziehen uns ein in unsere Träume, damit wir uns keine Meinung über uns selbst bilden können.

Insbesondere aber sollten wir unsere Persönlichkeit vor einer Inbesitznahme durch andere schützen. Jedes fremde Interesse an uns ist eine beispiellose Taktlosigkeit. Wäre der banale Gruß »Wie geht es Ihnen?« für gewöhnlich nicht durch und durch unaufrichtig und hohl, wäre er unverzeihlich und geschmacklos.

Lieben heißt der Einsamkeit müde sein, mit anderen Worten, Liebe ist Feigheit, Verrat an uns selbst. (Somit ist es höchst wichtig, nicht zu lieben.)

Einen guten Rat geben heißt, der Fähigkeit zum Irrtum hohnsprechen, die Gott anderen gegeben hat. Im übrigen sollten wir einen Vorteil darin sehen, daß die anderen anders handeln als wir. Es ist nur sinnvoll, andere um Rat zu fragen, um – indem wir genau entgegengesetzt handeln – sicher zu sein, daß wir ganz wir selbst sind, in völligem Mißklang mit allem Anderssein.

Der einzige Vorteil des Lernens liegt in der Freude über all das von anderen nicht Gesagte.

Kunst ist Einsamkeit. Jeder Künstler sollte versuchen, anderen zur Einsamkeit zu verhelfen, in ihren Seelen den Wunsch nach Alleinsein zu wecken. Der höchste Triumph für einen Dichter ist, wenn die Leser seine Werke lieber besitzen als lesen. Solches widerfährt berühmten Dichtern zwar nicht zwangsläufig, doch ist es der höchste Tribut […]

Klar sehen heißt uneins sein mit sich selbst. Der richtige Geisteszustand für die nach innen gerichtete Beobachtung ist der […], den man beim Beobachten der eigenen Nerven und Unschlüssigkeiten empfindet.

Die einzige eines überlegenen Menschen würdige Geisteshaltung ist ein ruhiges, kaltes Mitgefühl für alles, was nicht er selbst ist. Zwar ist diese Haltung nicht im geringsten berechtigt und richtig, doch immerhin so beneidenswert, daß man sie unbedingt einnehmen sollte.