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Wie häufig löst mein eigener belangloser Traum bei mir ein Gefühl des Entsetzens vor dem Innenleben aus, einen physischen Ekel vor Mystizismus und Kontemplation. Wie eilig laufe ich aus meinem Zimmer, wo ich dergestalt träume, ins Büro: Und kaum sehe ich Moreiras Gesicht, ist es, als hätte ich den rettenden Hafen erreicht. Wenn ich alles recht überdenke, ziehe ich Herrn Moreira der Welt der Gestirne vor, die Wirklichkeit der Wahrheit und das Leben im Grunde Gott selbst, seinem Schöpfer. Da er es mir denn so gegeben hat, werde ich es so leben. Ich träume, weil ich träume, aber ich tue mir weder die Schmach an, in meinen Träumen etwas anderes zu sehen als meine Privatbühne, noch betrachte ich den Wein, auf den ich gleichwohl nicht verzichte, als Nahrungsmittel oder Lebensnotwendigkeit.

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Seit dem frühen Morgen und entgegen der sonnigen Gewohnheit dieser hellen Stadt hatte der Nebel die Häuserreihen, die aufgehobenen Räume, die Unebenheiten von Boden und Gebäuden in einen leichten Mantel gehüllt, den die Sonne nach und nach vergoldete. Doch je näher die hohe Mittagsstunde kam, desto mehr löste sich der nachgiebige Nebel auf und wich unwägbar in hauchdünnen Schattenschleiern. Gegen zehn Uhr vormittags verriet nur noch das zarte, zögerliche Erblauen des Himmels, daß es neblig gewesen war.

Kaum verrutschte die verbergende Maske, erwachte das Gesicht der Stadt zu neuem Leben. Wie durch ein geöffnetes Fenster brach der bereits angebrochene Tag an. In den Geräuschen vollzog sich eine leichte Veränderung. Neue Geräusche kamen hinzu. Ein blauer Farbton schlich sich aufs Straßenpflaster und in die unpersönliche Aura der Passanten. Die Sonne wärmte, doch war ihre Wärme noch feucht, unsichtbar gefiltert von dem schon nicht mehr vorhandenen Nebel.

Das Erwachen einer Stadt – mit oder ohne Nebel – bewegt mich weit mehr als das anbrechende Morgenrot über Feldern. Es ist sehr viel mehr als ein Erwachen, es ist sehr viel mehr zu erwarten, wenn die Sonne – statt die Gräser, die Konturen der Sträucher, die offenen Flächen der Blätter nur mit ihrem anfangs noch diffusen, dann feuchten und zu guter Letzt leuchtenden Licht zu vergolden – ihre möglichen Effekte auf den Fensterscheiben spielen läßt, sich darin vielfach bricht, Mauern bunt bemalt, Dächer in die verschiedensten Farbtöne taucht und den Morgen groß macht und so anders als so viele andere Wirklichkeiten. Das Morgenrot auf dem Land tut mir wohl; das Morgenrot in der Stadt tut mir wohl und nicht wohl und daher mehr als nur wohl. Ja, denn die größere Hoffnung, die es in mir weckt, hat wie alle Hoffnung jenen leicht bitteren, wehmütigen Beigeschmack, nicht Wirklichkeit zu sein. Der Morgen auf dem Land existiert; der Morgen in der Stadt verheißt. Der eine läßt leben; der andere denken. Und wie alle großen Verfluchten werde ich immer fühlen, daß denken mehr wert ist als leben.

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Nach den ersten weniger heißen Tagen des endenden Sommers zeigten sich bisweilen am späten Nachmittag sanftere Farben am weiten Himmel, kaum erkennbare kalt-luftige Vorboten des Herbstes. Noch entgrünte das Laub nicht, noch lösten sich die Blätter nicht, und auch jene unbestimmte Angst war nicht da, die einhergeht mit unserer Wahrnehmung jenes äußeren Sterbens, das uns das eigene vor Augen hält. Es war wie ein Ermüden nach einer wirklichen Anstrengung, eine leichte Schläfrigkeit, die sich in den letzten Bewegungen unseres Tuns niederschlug. Ach, es sind Abende von einer so kummervollen Gleichgültigkeit, daß der Herbst, noch bevor er in den Dingen beginnt, in uns beginnt.

Jeder Herbst, der ins Land zieht, kommt unserem unwiederbringlich letzten näher, und dasselbe gilt für den Sommer; der Herbst erinnert durch das, was er ist, an das Vergehen von allem, im Sommer aber genügt ein Blick, und schon haben wir ihn vergessen. Noch ist nicht Herbst, noch liegt nicht das Gelb der fallenden Blätter in der Luft oder die feuchte Tristesse der Zeit, die bald Winter wird. Wohl aber liegt eine Spur vorzeitiger Traurigkeit, ein für die Reise gekleideter Kummer, in unserer zerstreuten Aufmerksamkeit für die farbige Auflösung der Dinge, den veränderten Ton des Windes, die ältere Stille, die sich, wenn Nacht wird, über die unvermeidliche Allgegenwart des Universums legt.

Ja, alle werden wir vergehen, ganz vergehen. Nichts wird bleiben von dem, was Gefühle und Handschuhe trug, von dem, was über den Tod und die Lokalpolitik sprach. So wie ein und dasselbe Licht die Gesichter der Heiligen und die Gamaschen der Fußgänger erhellt, wird das Fehlen dieses selben Lichtes das Nichts in Dunkel tauchen, das von den einen wie anderen übrigbleibt, ob sie Heilige waren oder Gamaschenträger. In dem weiten Wind, in dem die ganze Welt träge wie trockene Blätter wirbelt, zählen Königreiche soviel wie handgenähte Kleider und kreisen blonde Kinderzöpfe im gleichen tödlichen Kreislauf wie Zepter, Zeichen imperialer Macht. Alles ist nichts, und im Vorhof des Unsichtbaren, dessen offene Tür nur eine weitere, verschlossene erkennen läßt, tanzen – Sklavinnen dieses Windes, der sie ohne Hände aufwirbelt – all die kleinen und großen Dinge, die für uns und in uns das fühlbare System des Weltalls darstellten. Alles ist Schatten und aufgewirbelter Staub; und keine andere Stimme als das Geräusch dessen, was der Wind aufhebt und fortträgt, und keine andere Stille als die Stille dessen, was der Wind zurückläßt. Die einen, leichte Blätter und daher weniger erdverbunden, wirbeln hoch auf im Vorhof und fallen außerhalb des Kreises der schwereren nieder. Andere, nahezu unsichtbar, aber ebenfalls Staub und verschieden nur aus der Nähe, bilden im Wirbel des Windes ihre eigene Schicht. Wieder andere, winzige Baumstämme, werden umhergewirbelt und fallen da und dort nieder. Eines Tages – am Ende der Erkenntnis aller Dinge – wird jene verschlossene Tür aufgehen, und alles, was wir waren – Sternen- und Seelenmüll –, wird aus dem Haus gefegt, damit, was existiert, von neuem beginnen kann.

Mein Herz schmerzt mich wie ein Fremdkörper. Mein Gehirn schläft alles, was ich empfinde. Ja, der Herbstanfang, er bringt meiner Seele und der Luft jenes Licht ohne Lächeln, dessen lebloses Gelb das unregelmäßige Rund der wenigen Wolken des Sonnenuntergangs säumt. Ja, der Herbst beginnt, und mit ihm kommt in dieser klaren Stunde die klare Erkenntnis von der namenlosen Unzulänglichkeit aller Dinge. Herbst, ja, der Herbst, der beginnt oder schon begonnen hat und die vorweggenommene Müdigkeit aller Gesten, die vorweggenommene Enttäuschung aller Träume. Was kann ich erwarten, und woher nehme ich diese Erwartung? Schon in dem, was ich von mir denke, wirbele ich unter Blättern und Staub des Hofes auf der sinnlosen Umlaufbahn des Nichts und raschle als etwas Lebendiges auf den sauberen Fliesen, vergoldet von einer schräg einfallenden, ich weiß nicht wo verlöschenden Sonne.

Alles, was ich dachte, alles, was ich träumte, alles, was ich getan oder nicht getan habe – all das wird im Herbst davonwehen wie die abgebrannten, über den Boden verstreuten Streichhölzer oder das zu falschen Kugeln zusammengeknüllte Papier oder die großen Imperien, all die Religionen und Philosophien, welche die schläfrigen Kinder des Abgrunds zum Spaß erfanden. Alles, was meine Seele war, von allem, was ich erstrebte, bis hin zu dem bescheidenen Zimmer, in dem ich wohne, von den Göttern, die ich hatte, bis hin zu Chef Vasques, den ich ebenfalls hatte, alles geht im Herbst davon, alles im Herbst, in der milden Gleichgültigkeit des Herbstes. Alles im Herbst, ja, alles im Herbst …