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Jeder von uns stellt eine Gemeinschaft dar, ein Stadtviertel des Mysteriums, daher sollten wir das Leben dieses Stadtviertels zumindest so fein und vornehm gestalten, daß die Feste unserer Empfindungen ziemlich und würdig sind und die Höflichkeit auf den Festmählern unserer Gedanken ungekünstelt. Andere Seelen mögen um uns herum ihre schmutzigen Armenviertel errichten, wir sollten das unsere klar umreißen. Alles, von den Fassaden unserer Gefühle bis hin zu den Nischen unserer Schüchternheit, möge vornehm und heiter sein, ein Ausdruck von Mäßigung, Schlichtheit, fern jeder Zurschaustellung.

Für jede Empfindung eine heitere Art und Weise der Verwirklichung finden. Die Liebe auf den Schatten eines Liebestraumes reduzieren, auf einen blassen, bebenden Augenblick zwischen den Kämmen zweier kleiner Wellen im Mondlicht. Das Verlangen vergeblich und harmlos werden lassen, gleichsam zu einem zarten Lächeln der Seele, allein mit sich; aus ihr etwas machen, das nie daran denkt, sich zu verwirklichen oder zu äußern. Den Haß einschläfern wie eine gefangene Schlange und der Furcht bedeuten, von all ihren Äußerungen nur die Angst im Auge zu behalten, im Auge unserer Seele, da nur diese Haltung als ästhetisch betrachtet werden kann.

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In allen Bereichen des Lebens, in allen Situationen, wann immer ich mit anderen zusammen war, betrachteten mich alle stets als Eindringling. Zumindest als Fremden. Unter Verwandten wie unter Bekannten sah man in mir stets den Außenseiter. Ich sage nicht, daß dies auch nur ein einziges Mal bewußt geschah. Ich denke, es war stets eher eine spontane Reaktion der fremden Temperamente meiner Umgebung.

Alle behandelten mich immer und überall freundlich. Ich glaube, es gibt kaum jemanden, dem gegenüber so wenige je laut wurden, die Stirn runzelten oder Streit suchten. Doch die Freundlichkeit, die ich erfuhr, entbehrte stets der Zuneigung. Für jene, die mir von Natur aus am nächsten standen, war ich immer nur Gast und wurde als solcher gut behandelt, doch mit einer Aufmerksamkeit, wie man sie Fremden zuteil werden läßt, und jenem Mangel an Zuneigung, wie sie einem Eindringling gebührt.

Ich bezweifle nicht, daß dieses Verhalten meiner Mitmenschen zum Großteil auf obskure Weise mit meinem eigenen Verhalten zu tun hat. Vielleicht bin ich im Umgang mit anderen derart kühl, daß ich sie, ohne es zu wollen, veranlasse, über meine Gefühlskälte nachzudenken.

Ich bin jemand, der rasch Bekanntschaften schließt. Und so läßt die fremde Freundlichkeit nicht auf sich warten. Doch die Zuneigung bleibt aus. Hingabe habe ich nie erfahren. Daß man mich lieben könnte, hielt ich stets für ebenso unmöglich, wie von einem Fremden geduzt zu werden.

Ich weiß nicht, ob ich darunter leide oder es gleichgültig wie ein Schicksal hinnehme, das es weder zu erleiden noch hinzunehmen gilt.

Ich habe immer gefallen wollen. Es schmerzte mich immer, wenn man mir gegenüber gleichgültig blieb. Ein Waisenkind des Glücks, verlangt es mich wie alle Waisen, das Objekt der Zuneigung eines anderen Menschen zu sein. Ein Verlangen, ein Hunger, der nie gestillt wurde. Und ich habe mich so sehr an diesen unvermeidlichen Hunger gewöhnt, daß ich zuweilen nicht weiß, ob mich wirklich nach Nahrung verlangt.

Wie dem auch sei, das Leben schmerzt mich.

Andere haben jemanden, der ganz für sie da ist. Ich hatte nie jemanden, der auch nur im Traum daran gedacht hätte, ganz für mich dazusein. Anderen tut man alles: Mich behandelt man gut.

Ich weiß, ich vermag Achtung zu erregen, nicht aber Zuneigung. Unglücklicherweise habe ich nie etwas getan, das diese Achtung in den Augen derer, die sie anfänglich empfanden, rechtfertigen könnte, daher achten sie mich nie wirklich.

Bisweilen denke ich, Leid sei für mich eine Lust. Doch in Wahrheit hätte ich es gern anders.

Ich habe weder die Begabung zum Chef noch die zum Untergebenen. Ja, nicht einmal Talent zur satten Zufriedenheit, das, in Ermangelung anderer Talente, durchaus seinen Wert hat.

Andere, mit weniger Verstand als ich, sind stärker.

Sie richten ihr Leben besser ein unter den Menschen; sie verwalten ihre Intelligenz geschickter. Ich besitze alle Voraussetzungen, um Einfluß auszuüben, bis auf die Kunstfertigkeit, dies auch zu tun, und den Willen, es auch nur zu wollen.

Sollte ich je lieben, ich würde nicht wiedergeliebt.

Ich muß nur etwas wollen, und schon ist es todgeweiht. Mein Schicksal jedoch hat im allgemeinen keinerlei tödliche Kraft, wohl aber die Schwäche, in allem, was mich betrifft, tödlich zu sein.

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Nachdem ich gesehen habe, wie geistig klar und logisch stimmig manche Verrückte vor sich und anderen ihre wirren Vorstellungen rechtfertigen, kann ich mir der Klarheit meiner Geistesklarheit nie mehr gewiß sein.

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Eine der großen Tragödien meines Lebens – wenn auch eine jener heimlichen, die sich im Schatten abspielen – besteht darin, nichts auf natürliche Weise empfinden zu können. Ich bin fähig, wie jedermann zu lieben und zu hassen, mich wie jedermann zu ängstigen und zu begeistern; doch weder meine Liebe noch mein Haß, weder meine Angst noch meine Begeisterung sind genau das, was sie sind. Entweder fehlt ihnen etwas, oder aber sie haben etwas, das nicht zu ihnen gehört. Sicher ist nur, daß sie etwas anderes sind und daß, was ich empfinde, nicht mit dem Leben übereinstimmt.

Bei den sogenannten berechnenden Naturen – das Wort ist überaus treffend – sind die Gefühle eingeschränkt durch Berechnung und egoistisch motiviertes Bedenken und wirken anders als sie sind. Bei als bedenklos angesehenen Naturen wird man die gleiche Verlagerung der natürlichen Instinkte feststellen. Mein Empfindungsvermögen ist zwar ebenso gestört, doch bin ich weder berechnend noch bedenkenlos. Ich habe keine Entschuldigung dafür, daß ich nicht normal empfinde. Instinktiv beraube ich die Instinkte ihrer eigentlichen Natur. Ohne es zu wollen, will ich falsch.

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Sklave meines Temperaments wie äußerer Umstände, gekränkt durch die Gleichmut der Menschen wie durch ihre Zuneigung zu dem, für den sie mich halten –

die Kränkungen, die mir das Schicksal durch die Menschen auferlegt.

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Ich war ein Fremder in ihrer Mitte, dennoch bemerkte es keiner. Ich lebte als Spion unter ihnen, und keiner, nicht einmal ich, schöpfte Verdacht. Alle hielten mich für einen Verwandten: Keiner wußte, daß man mich bei meiner Geburt vertauscht hatte. So war ich den anderen gleich, ohne ihnen ähnlich zu sein, war ihr aller Bruder, ohne zur Familie zu gehören.

Ich kam aus wunderbaren Ländern, aus Landschaften, schöner als das Leben, doch von den Ländern habe ich keinem je erzählt, außer mir selbst, und die Landschaften aus meinen Träumen habe ich keinem je beschrieben. Meine Schritte klangen wie die ihren auf Dielen und Fliesen, doch mein Herz war fern, auch wenn es nahe schlug, falscher Herr über einen Körper, verstoßen und fremd.

Keiner erkannte mich unter der Maske der Gleichheit, keiner erfuhr je, daß ich eine Maske trug, denn keiner wußte, daß es in dieser Welt Menschen mit Masken gibt; keiner ahnte, daß neben mir stets ein anderer stand, der letztlich ich selber war. Sie hielten mich immer für mich.