Für meine Eltern, die besten,
die ich mir wünschen konnte.
HANDELNDE PERSONEN
(in alphabetischer Reihenfolge)
Adhémar von Monteil
Bischof und päpstlicher Legat
Akiba Bar Akiba
Rabbiner der Kölner Gemeinde
Bahram al-Armeni
armenischer Offizier
Baldric
normannischer Ritter
Berengar
ein Benediktinermönch
Bernier de Castre
provenzalischer Ritter
Bertrand
normannischer Vasall
Bohemund von Tarent
normannischer Heerführer
Bovo
lothringischer Soldat
Brian de Villefort
provenzalischer Ritter
Caleb
Sohn Ezra Ben Salomons
Chaya
eine junge Jüdin
Conwulf, genannt Conn
ein junger Angelsachse
Daniel Bar Levi
Parnes von Köln
Dov Ben Amos
Tuchhändler, Parnes von Acre
Duqaq, Abu Nasr al-Muluk
Emir von Damaskus
Eleanor de Rein
Gattin des Barons de Rein
Eustace de Privas
ein Edler aus der Provence
Ezra Ben Salomon
Kaufmann in Antiochia, Bruder von Isaac Ben Salomon
Godefroy de Bouillon
lothringischer Heerführer
Guillaume de Rein
Sohn des Barons de Rein
Hassan al-Kubh
Kommandant der Garnison von Acre
Hernaut
lothringischer Bogenschütze
Hugh le Chasseur
lothringischer Ritter
Hugo von Monteil
Bruder Adhémars
Jakob Lachisch
Gabbai der Kölner Gemeinde
Jamal Ibn Khallik
Gelehrter und Sterndeuter
Isaac Ben Salomon
jüdischer Kaufmann
Kalonymos Ben Meschullam
Oberrabbiner von Mainz
Kur-Bagha
Atabeg von Mossul
Lethold de Tournaye
lothringischer Ritter
Mordechai Ben Neri
Kaufmann aus Köln
Nia
walisische Sklavin
Ranulf Flambard
Berater von William II.
Remy
normannischer Vasall
Renald de Rein
normannischer Baron
Robert, Herzog der Normandie
Bruder von William II.
Stephen de Blois
sein Schwager
William II. Rufus
König von England
Yaghi Siyan
Emir von Antiochia
PROLOG
Der Schein einer Kerze, die fast herabgebrannt war, spendete nur spärliche Helligkeit. Längst reichte seine Kraft nicht mehr aus, um die ganze Kammer zu beleuchten. Das Zeichen jedoch schien das noch vorhandene Licht auf sich zu ziehen wie süßer Nektar, der die Bienen lockte. Zwei Dreiecke von vollendeter Gleichmäßigkeit und Form. Das eine einer Pyramide gleich, das andere auf dem Kopf stehend, beide ineinander verschlungen, verbunden im Licht der Ewigkeit.
»Nun, da mein Ende naht«, sagte die Stimme, die kraftlos geworden war und ihre einstige Autorität und Stärke nur mehr erahnen ließ, »begreife ich, was einst Abraham fühlen musste, als der Herr ihm auftrug, sein Liebstes zu geben. Denket nicht, dass ich nicht um die Bürde wüsste. In den Jahren, die kommen, werdet ihr oft an sie denken. Ihr werdet euch an diesen Augenblick erinnern und an die Pflicht, die ihr übernommen habt, und ihr werdet euch fragen, wann der Tag kommen wird, da der Herr sein Recht von euch fordert. Ihr werdet euer Leben leben, so wie ich das meine gelebt habe, werdet Familien gründen und Kinder haben. Über den Geschäften und Sorgen des Alltags werdet ihr bisweilen vergessen, was einst gewesen ist, und womöglich, wenn es dem Herrn gefällt, wird euer Leben zu Ende gehen, so wie das meine nun zu Ende geht, ohne dass er diese große Pflicht von euch gefordert hat. Vielleicht aber«, fügte die Stimme hinzu, schwach und kaum noch vernehmbar, »werden einst auch Zeiten kommen, die alles verändern, und auf diese Zeiten müsst ihr vorbereitet sein. Dies sollt ihr nie vergessen. Adonai segne und behüte euch, meine Nachkommen und Erben. Er lasse sein Angesicht über euch leuchten und sei euch gnädig. Er wende sein Angesicht euch zu und gebe euch …«
Der Segenswunsch erstarb auf den dünnen, blutleer gewordenen Lippen. Im selben Augenblick erlosch die Kerze, und die Kammer fiel in Dunkelheit.
East Sussex, England
Im Jahr der Eroberung, Oktober 1066
Der junge Ritter hatte aufgehört zu zählen. Das wievielte Dorf war es, dessen strohgedeckte Hütten in Flammen standen und dessen Bewohner in heller Panik umherrannten, schreiend und heulend, bis die Klingen oder die Pfeile der Angreifer ihrem Leben ein grausames Ende setzten? Er konnte es nicht sagen. Es war auch nicht seine Aufgabe, darüber nachzudenken oder gar den Befehl des Herzogs anzuzweifeln. Doch war ihm klar, dass sich alles, was seine Augen in diesen Tagen und Nächten erblickten, unauslöschlich in sein Gedächtnis einbrennen würde.
Er sah das Schwein, das quiekend über den Dorfplatz rannte und dabei lichterloh brannte; den Greis, der mit zitternden Händen versuchte, die blutigen Eingeweide, die aus seinem aufgeschlitzten Leib quollen, wieder zurückzustopfen; die blonde Frau, die wie von Sinnen schrie, während ein normannischer Kämpfer sie an den Haaren über den Boden schleifte; den Jüngling, der kaum den Kinderschuhen entwachsen war und sich dennoch mit einer Mistforke widersetzte, ehe ein Schwerthieb ihm den Kopf halb von den Schultern schlug.
Tod und Sterben war überall. Der herbstfeuchte Boden war getränkt von Blut, die kalte Luft erfüllt vom Brausen der Feuer und dem Geschrei derer, die dahingeschlachtet wurden. Bei Sonnenaufgang würden nur noch schwelende Trümmer und verwesende Leichen an das Dorf erinnern, dessen Namen der Ritter noch nicht einmal kannte.
Das Schwert umklammernd, an dessen Schneide das Blut Unschuldiger klebte und das wie Blei in seinen Händen wog, stand er am östlichen Ende des Dorfes, wo es einen schmalen Flusslauf und eine Mühle gab. Ihr Strohdach brannte ebenfalls. Der Müller, dessen Frau und Kinder lagen erschlagen in ihrem Blut. Das Lodern der Flammen warf lange Schatten, die die Angreifer auf ihren schnaubenden Pferden wie Reiter der Apokalypse erschienen ließen, die Tod und Untergang brachten.
Tränen stiegen ihm in die Augen, und dies lag nicht nur am beißenden Rauch, der von den Häusern herüberzog. Trauer überkam den Ritter, als er das Elend der Dorfbewohner sah, über die so unvermittelt das Verderben hereingebrochen war. Trotz der Tränenschleier, die seinen Blick trübten, bemerkte er plötzlich, dass jemand auf ihn zurannte.