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»Gut, Herluin.« Kur-Bagha nickte großmütig. »Dann sag deinem Herrn, dass ich über seinen Vorschlag nachgedacht habe.«

Der Franke wandte sich an den anderen Gesandten, der von großer Statur war und dessen blondes Haar ihn wie einen bunten Hund unter den Emiren und Unterführern hervorstechen ließ, die der bizarren Zusammenkunft beiwohnten. Die Übersetzung schien den Blonden noch ein wenig blasser werden zu lassen. Er sprach einige Worte, die Herluin wiederum ins Arabische brachte: »Mein Herr Peter von Amiens dankt dem Wächter von Mossul für seine Offenheit und ist begierig darauf, den Ausgang seiner Entscheidung zu erfahren.«

»Das glaube ich gern. Ihr schlagt vor, dass, um Blutvergießen auf beiden Seiten zu vermeiden, die besten Kämpfer beider Heere in einem Duell aufeinandertreffen und so darüber entscheiden sollen, wem Antiochia für alle Zeit gehört.«

»So ist es«, bestätigte Herluin.

»Und Ihr glaubt, dass ich auf ein solches Angebot eingehe? Auf das Angebot eines Gegners, der schon halb besiegt am Boden liegt?«

Herluin übersetzte, worauf sich ein bekümmerter Ausdruck über Peter von Amiens’ blasse Züge legte.

»Sagt Euren Führern Folgendes«, fuhr Kur-Bagha fort und beugte sich auf seinem Sitz drohend nach vorn. »Ich weiß, was sie mit ihrem Angebot bezwecken – und ich werde keinesfalls darauf eingehen. Dafür hört nun mein Angebot, Peter von Amiens: Ich, Kur-Bagha, Statthalter des Sultans und Wächter von Mossul, verspreche den Kämpfern des Kreuzes freies Geleit, wenn sie die Waffen strecken und Antiochia verlassen. Andernfalls werde ich sie mit der Übermacht meiner Krieger zerschmettern und nicht einen von ihnen am Leben lassen. Habt Ihr das verstanden?«

Herluin übersetzte, und es bereitete dem Atabeg sichtliches Vergnügen zu beobachten, was seine Worte im Gesicht des fränkischen Unterhändlers anrichteten. Peter von Amiens knirschte nervös mit den Zähnen, und sein Blick flackerte gehetzt. Wie es hieß, hatte er vor einiger Zeit bereits einmal versucht, sich nächtens davonzuschleichen, indem er sich von den Mauern Antiochias abseilte. Man hatte ihn jedoch wieder eingefangen, und die Gesandtschaft in Kur-Baghas Lager war ganz offenbar seine Bestrafung.

»Und richtet Euren Fürsten aus«, fügte der Atabeg genüsslich hinzu, »dass ich die Übergabe der Stadt nur aus der Hand eines ihrer Anführer entgegennehme – und nicht aus der eines Feiglings, der zu seiner Pflicht gezwungen werden muss.«

Auch diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, Peter von Amiens zuckte wie unter Peitschenhieben.

»Und nun geht und bestellt Euren Anführern, was ich gesagt habe. Bis zum Morgengrauen gebe ich ihnen Bedenkzeit. Danach werden sie für ihre Dummheit mit dem Leben bezahlen.«

Herluin übersetzte auch noch diese Worte, dann wandten sein Herr und er sich ab und verließen das große Zelt. Schweigen breitete sich aus, nachdem sie gegangen waren. Der erste, der die Sprache wiederfand, war Suqman von Diyarbakir.

»Denkt Ihr, diese Entscheidung war klug, großer Kur-Bagha?«, fragte er vorsichtig. »Ein Kampf der Besten hätte diesen Konflikt rasch und unter geringen Opfern entscheiden können.«

»Was fürchtet Ihr, Suqman?«, erwiderte der Atabeg mit beißendem Spott. »Dass Ihr in der Schlacht selbst den Tod finden könntet?«

»Darum geht es nicht. Aber wir alle wissen, dass man die Franken nicht unterschätzen darf. Sultan Kilidj Arslan musste dies erfahren und auch Emir Duqaq, den wir alle als ebenso tapferen wie klugen Führer anerkennen«, fügte er mit einem Seitenblick auf den Herrn von Damaskus hinzu, der sich mit einem Nicken für das Lob erkenntlich zeigte. »Wir hätten die Herausforderung immerhin annehmen können. Wäre uns im Duell der Besten kein Sieg beschieden gewesen, hätten wir das Heer noch immer zu den Waffen rufen können.«

»Und unser Wort brechen? Durch Verrat einen Sieg erringen, den wir bereits in den Händen halten?«

»Bedenkt, dass die Stärke unserer Truppen nicht ausreicht, um Antiochia im Sturm zu nehmen«, wandte der Emir von Membidj ein, worauf dessen erbitterter Rivale Janah al-Dawlas in lautes Gelächter verfiel und wieder auf seinen alten Plan zu sprechen kam, die Westmauer anzugreifen und über das Brückentor in die Stadt einzudringen. Auch Suqman beteiligte sich lautstark an dem neuerlichen Meinungswechsel, unterstützt von Duqaq und seinen Verbündeten aus Hama, die über die meiste Erfahrung im Kampf mit den Kreuzfahrern verfügten.

Kur-Bagha hörte sich den Streit der Emire eine Weile lang an. »Ihr seid Narren, alle zusammen«, sagte er dann. »Warum wollt ihr euch mit Gewalt etwas nehmen, was euch bereits gehört? Ich habe es euch schon einmal gesagt, und ich sage es wieder: Wir brauchen nur abzuwarten, und die Christen werden sich von ganz allein ans Messer liefern. Habt ihr die Augen dieser beiden Franken gesehen? Habt ihr gesehen, wie müde sie sind? Wie viel Furcht und Verzagtheit darin liegen?« Der Atabeg schüttelte das von dem großen Turban gekrönte Haupt. »Nein, meine Freunde, wir müssen uns nicht in die Höhle des Löwen begeben, um ihm seine Beute zu entreißen. Ich habe euch vorausgesagt, dass er sein Versteck freiwillig verlassen wird – und nun endlich ist es so weit.«

»Wie das?«, fragte Suqman skeptisch.

»Die beiden, die hier gewesen sind, werden ihren Fürsten berichten, was ich ihnen aufgegeben habe, und natürlich werden ihre Anführer daraufhin der Überzeugung sein, dass unser Angriff kurz bevorsteht. Und da sie wissen, dass sie uns an Zahl und Kräften weit unterlegen sind …«

»… werden sie alles unternehmen, um uns von den Toren und Mauern fernzuhalten«, vervollständigte Janah al-Dawlas die Überlegung des Atabegs. »Sie werden einen Ausfall unternehmen, und zwar mit allem, was ihnen noch zur Verfügung steht.«

»Und wir werden sie erwarten«, bestätigte Kur-Bagha nickend. »Natürlich werden diese Narren nicht ahnen, dass ich ihren Angriff vorausgesehen habe, und so werden sie geradewegs in die Falle laufen. Zuerst in den Pfeilhagel unserer Bogenschützen. Dann in die Masse unseres Fußvolks. Zuletzt werden unsere gepanzerten Reiter ihre Reste hinwegfegen und in die Stadt eindringen – und dann wird Antiochia wieder uns gehören.«

»Und das habt Ihr bezweckt, indem Ihr die Gesandtschaft der Christen abgewiesen habt?«, fragte Suqman von Diyarbakir.

»Das und nichts anderes.«

»Fürwahr ein guter Plan«, kam Suqman nicht umhin zuzugeben, und selbst Duqaq, der sich zuletzt immer wieder mit Kur-Bagha überworfen hatte, weil dieser die Nähe seines Bruders Ridwan suchte, konnte nur beipflichten.

»Im Morgengrauen«, erklärte der Atabeg siegesgewiss, »werde ich euch zeigen, wie man mit diesen Kreuzfahrern verfährt. Die Franken werden eine blutige Niederlage erleiden und ein für alle Mal ihre frevlerischen Hände von unserem Boden lassen.«

Beifall wurde laut. Nicht nur die Emire, auch die Unterführer bekundeten lautstark ihre Zustimmung zu diesem vollendeten Plan. Einzig Bahram al-Armeni, der die Beratung schweigend verfolgt, sich jedoch nicht daran beteiligt hatte, stimmte nicht in den Jubel ein, was den anderen Offizieren nicht verborgen blieb.

»Was ist los, Armenier?«, fragte ihn ein Araber aus Kur-Baghas Reihen. »Gefällt dir der Gedanke nicht, dass deine Glaubensbrüder niedergemetzelt werden sollen? Hast du am Plan des Atabegs etwas auszusetzen?«

Bahram biss sich auf die Lippen. Zu gerne hätte er den Einwurf übergangen und seine Aufmerksamkeit wieder dem Atabeg zugewandt – doch wie er feststellen musste, verhielt es sich genau umgekehrt. Der Araber war nicht der Einzige, der eine Antwort wollte, auch die anderen Offiziere schauten ihn fragend an, und ihre Wissbegier griff auch auf die Emire und Fürsten über. Es wurde still im Zelt. Eine Gasse bildete sich zwischen Bahram, der sich bewusst im Hintergrund gehalten hatte, und dem auf seinem eindrucksvollen Kamelsitz thronenden Kur-Bagha.

»Was sagst du zu meinem Plan, Armenier?«, erkundigte sich der Atabeg in einem Tonfall, der klar erkennen ließ, dass er die Zustimmung eines einfachen Offiziers weder wollte noch brauchte. »Findet er in deinen Augen Gefallen?«