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»Und ich danke dir«, entgegnete Conn. »Und ich bitte dich um Verzeihung dafür, dass ich nicht auf deinen Rat gehört habe.«

»Nein, Junge.« Baldric schüttelte das ergraute Haupt. »Ich bin es, der um Verzeihung zu bitten hat, denn ich wollte dich nicht verstehen. Mir war nicht klar, was du an der Jüdin findest.«

»Und nun weißt du es?«

»Ich verstehe nicht viel von solchen Dingen. Ein Weib habe ich nie gehabt, und mein Zuhause ist stets das Schlachtfeld gewesen. Aber ich habe gesehen, wie Chaya sich um dich gekümmert hat, ohne Zögern und ohne Rücksicht auf sich selbst. Nacht für Nacht sah ich sie an deinem Lager sitzen, und da wurde mir klar, was ich für ein Narr gewesen bin. Du konntest in jener Nacht nicht anders, als zu ihr zu gehen und sie mit deinem Leben zu beschützen, das weiß ich jetzt.«

»Und ich weiß, dass ich mir niemals einen besseren Vater hätte wünschen können als dich.«

Baldric schien etwas erwidern zu wollen. Die Unterlippe des alten Recken bebte, und sein verbliebenes Auge schwamm in Tränen, während er nach passenden Worten suchte – als der Vorhang der Kammer zurückgeschlagen wurde und eine schlanke Gestalt in einem fließenden Kleid erschien.

Obwohl Conn zunächst nur ihre Silhouette erkennen konnte, wusste er, dass es Chaya war. In ihrer Anwesenheit schien sich sein Befinden noch ein Stück zu bessern, und er richtete sich weiter auf, ein dankbares Lächeln im Gesicht. Chaya trat ein, dicht gefolgt von Bertrand, der in der Schlacht am Tag zuvor einige Schrammen davongetragen hatte.

»Sieh an, wer aus dem Totenreich zurückgekehrt ist!«, rief er aus. »Wenn das nicht unser starrsinniger Angelsachse ist! Leider bist du einen Tag zu spät dran, um bei unserem großen Sieg dabei zu sein. Was war los? Du wolltest dich doch nicht etwa drücken?«

Conn nahm dem Freund die Worte nicht übel – die Erleichterung in Bertrands Stimme überwog den Spott bei Weitem. Eine Antwort blieb er dennoch schuldig, denn seine ganze Aufmerksamkeit galt Chaya, die wie eine Erscheinung am Fußende seines Lagers stand, den Blick ihrer dunklen Augen auf ihn gerichtet.

»Ich denke, wir sollten gehen«, meinte Baldric, und noch ehe Bertrand widersprechen konnte, hatte der Ältere ihn bereits am Kragen gepackt und nach draußen gezerrt, sodass Conn und Chaya allein waren.

»Bitte«, sagte er. »Setz dich zu mir.«

Wortlos leistete sie der Aufforderung Folge und setzte sich auf Baldrics frei gewordenen Schemel. Conn konnte sich nicht sattsehen an ihrer zarten Gestalt, die von dem schlichten hellen Kleid umflossen wurde und ihm der Inbegriff von Licht und Leben schien.

»Du musst dich noch schonen.« Der weiche Klang ihrer Stimme war vertraut und beruhigend zugleich. »Ich konnte die Wunde schließen, und mithilfe einer Arznei, die mir einst ein Arzt aus Alexandria gab, konnte ich das Fieber beseitigen. Aber die Verwundung reichte tief, und ich bin mir nicht sicher, ob …«

»Es geht mir gut. Und das verdanke ich nur dir.«

»Du hast auch mein Leben gerettet in jener Nacht«, erwiderte sie mit einer Distanz, die ihn überraschte. »Es war nur recht.«

»Nur recht? Nur deshalb hast du es getan? Weil es recht gewesen ist? Weil du das Gefühl hattest, mir etwas schuldig zu sein?«

»Warum sonst?«, fragte sie kühl.

»Weil du mich liebst«, erwiderte er leise. »Und weil ich der Vater deines Kindes bin.«

»Conn …«

»Du willst es nicht eingestehen?«, fuhr er fort, als sie zögerte. »Schön, dann werde ich es tun. Ich liebe dich, Chaya, schon seit unserer ersten Begegnung. Du hast mich dazu gebracht, den Schmerz hinter mir zu lassen, und mir neue Hoffnung gegeben.«

»Hoffnung? Worauf?« Sie schüttelte den Kopf. »Du bist ein Träumer, Conn, der eben erst aus seinem Schlaf erwacht ist. Du weißt noch nicht, wie sich die Welt in den letzten Tagen verändert hat.«

»Ich weiß es, und ich weiß auch, warum du dir deine Gefühle nicht eingestehen willst. Was auch immer Caleb dir über mich erzählt hat, du darfst ihm nicht glauben, Chaya. Ich habe das Buch deines Vaters nicht an mich genommen, hörst du? Wenn es das ist, was uns voneinander trennt …«

»Du glaubst, das wäre alles, was uns trennt?« Ihr Lachen war so freudlos, dass es ihn verletzte. Zynismus passte nicht zu ihr. »Um die Wahrheit zu sagen, ist es mir gleichgültig, wer das Buch an sich genommen hat. Es existiert nicht mehr, und mit ihm ist auch sein Geheimnis verloren gegangen. Vielleicht ist das auch besser so. Die Menschen würden es doch nur nutzen, um einander immer neuen Schaden zuzufügen. Nach allem, was sich am gestrigen Tag ereignet hat, ist mir das endlich klar geworden.«

»Was meinst du?«, fragte Conn, der ihren Gedanken nicht zu folgen vermochte. »Den Sieg der Kreuzfahrer?«

»Was du einen Sieg nennst und was für deinesgleichen ein Triumph sein mag, ist für uns Juden eine Tragödie ohnegleichen. Die Welt, wie wir sie kannten, existiert nicht mehr. Über Jahrhunderte hinweg hat uns das Morgenland eine sichere Zuflucht gewährt, aber sie existiert nicht mehr. Derselbe Hass, der meinen Vater und mich aus der alten Heimat vertrieb, ist nun auch hierher vorgedrungen und wird sich immer weiter ausbreiten. Noch vor einigen Wochen erschien es undenkbar, dass eure Streiter jemals bis nach Jerusalem vordringen könnten, aber nun hat sich alles geändert, und das macht mir Angst, Conn.«

»Es macht dir Angst?«, fragte Conn nicht ohne Vorwurf. »Wäre es dir denn lieber gewesen, die Muselmanen hätten uns überrannt und bis auf den letzten Mann getötet?«

Chaya blieb eine Antwort schuldig, aber ihrem Mienenspiel war der Zwiespalt zu entnehmen, in den seine Frage sie stürzte. Conn biss sich auf die Lippen und schalt sich einen Narren. Was für eine Antwort hatte er denn erwartet? Dass sie sich um sein Wohlergehen sorgte, hatte sie bewiesen, indem sie an seinem Lager gewacht und ihn den Klauen des Todes entrissen hatte – aber weshalb sollte sie sich um das Leben von Kämpfern scheren, deren erklärtes Ziel es war, all jene, die aus ihrer Sicht den falschen Glauben hatten, mit Feuer und Schwert aus Palästina zu vertreiben?

Die Situation hatte etwas unfreiwillig Komisches. Sein Leben lang war Conn auf der Seite der Schwachen gewesen, hatte er mit jenen gefühlt, die unterdrückt und verfolgt wurden – doch in diesem Augenblick ertappte er sich dabei, dass er sich selbst zu den Siegern zählte und nicht zu jenen, die geschlagen worden waren. Ein Teil von ihm, so erkannte er erschrocken, war zum Normannen geworden.

»Chaya, bitte verzeih. Ich weiß selbst nicht, was in mich gefahren ist.«

»Aber ich weiß es«, entgegnete sie, und die Sanftheit in ihrer Stimme traf ihn härter, als es jeder offene Vorwurf getan hätte. »Du bist, was du bist, Conwulf, und ich bin, was ich bin. Die Gräben zwischen unseren Völkern sind tiefer als je zuvor. So viel Blut ist geflossen, so viel Unrecht ist geschehen, und es geht immer noch weiter, denn Gewalt bringt nur immer neue Gewalt hervor. Ein Christ und eine Jüdin können nicht zueinander finden.«

»Aber es ist bereits geschehen. Denk an das Kind, Chaya. An unser Kind. Das Kind einer Jüdin und eines Christen.«