Выбрать главу

»Seid Ihr einer seiner Spitzel?«, wurde der Mönch noch deutlicher. Sein Zorn auf Guillaume schien die Furcht zu überwiegen.

»Spitzel?« Conn horchte auf.

»Gewiss doch. Jeder weiß, dass Guillaume de Rein seine Ohren überall hat, er und dieser Bastard von Privas.«

»Anselmo«, rief Antonius seinen Mitbruder zur Ordnung. »Du versündigst dich.«

»Und wenn schon. Jeder weiß, dass de Privas und de Rein unter einer Decke stecken. Der eine sorgt dafür, dass die wenigen Nahrungsmittel, die noch im Umlauf sind, nicht die erreichen, die ihrer am nötigsten bedürfen, der andere verschachert sie an jene, die in klingender Münze dafür bezahlen. Manche behaupten sogar, dass die beiden jener Bande vorstehen, die marodierend durch die Lande zieht und friedliche Karawanen überfällt.«

»Ihr meint – die Tafur?«, fragte Conn. Seine Fäuste ballten sich, sein Blut geriet in Wallung. De Rein, de Rein und immer wieder de Rein. Konnte er keinen Schritt tun, ohne auf diese grässliche Sippe zu stoßen? Aus seiner Sicht war es Guillaume durchaus zuzutrauen, dass er hinter den feigen Überfällen steckte, die die Tafur zu verüben pflegten, was seiner langen Liste von Vergehen noch einen weiteren Mord hinzufügte, nämlich den an Chayas Vater.

»Habt Ihr Beweise für Eure Vermutung?«, wollte er wissen.

»Nein«, antwortete Antonius. »Es gibt auch Stimmen, die behaupten, dass die Tafur Ritter aus Flandern seien, die sich von ihrem Grafen Robert losgesagt haben. Oder fränkische Söldner.«

»Ich verstehe.« Conn war enttäuscht. Guillaume de Rein schien tatsächlich zu jenen Menschen zu gehören, die sich im Mist wälzen konnten, ohne dass ihnen auch nur der geringste Geruch anhaftete. Seine Verbindungen zu den Tafur waren ihm ebensowenig nachzuweisen wie jene zu dem feigen Mordkomplott, das er geschmiedet hatte – und den Worten zweier Mönche würde man kaum mehr Glauben schenken als dem eines angelsächsischen Diebes.

»Normannen oder Flamen, was gilt es mir?«, knurrte Anselmo verdrießlich. »Strauchdiebe sind sie, und sie nehmen es billigend in Kauf, dass uns die armen Teufel hier hungers sterben.«

»Gibt es denn keine andere Möglichkeit, Proviant heranzuschaffen?«, erkundigte sich Conn. »Ihr erwähntet Rugia.«

»Die Stadt liegt südöstlich von hier, mit Mauleseln lässt sie sich in einem Tag erreichen. Allerdings fehlt es uns an den entsprechenden Mitteln«, gestand der Prior ein. »Getreide ist teuer, von Fleisch ganz zu schweigen. Andererseits, wenn es uns nicht gelingt, etwas heranzuschaffen, werden die wenigsten unserer Verwundeten das Ende der Woche erleben.«

Conn nickte.

Er brauchte nicht lange zu überlegen, die Antwort auf das Problem drängte sich förmlich auf. Mit den Fingern tastete er nach dem Saum seiner Tunika und bekam den goldenen Ring von Renald de Rein zu fassen. Seine Rüstung und sein Schwert hatten die Räuber ihm in jener Nacht genommen – den Ring jedoch hatten sie nicht gefunden, und es erschien Conn passend, dass das Geschenk des alten de Rein die Vergehen seines Sohnes wiedergutmachen half. Entschlossen zerriss er den Saum der Tunika, fing den Ring mit dem Rubin auf und hielt ihn den verblüfften Mönchen hin.

»Was ist das?«, fragte Antonius verwundert.

»Werdet Ihr dafür Proviant erhalten?«, fragte Conn nur.

»Natürlich, das ist mehr als genug. Aber …«

»Dann nehmt das Ding, ich habe keine Verwendung dafür.« Damit die beiden sein Geschenk nicht ablehnen konnten, warf Conn es ihnen kurzerhand zu – und hatte zum ersten Mal nach langer Zeit das Gefühl, genau das Richtige zu tun.

10.

Antiochia

18. Juli 1098

»Conwulf, Sohn des Normannen Baldric!«

Conn fuhr herum, als jemand seinen Namen nannte. Auf einer hölzernen Bahre hatte er den Leichnam des jungen lothringischen Knappen hinausgeschleppt, der am frühen Morgen der Schwere seiner Verletzungen erlegen war.

Die Verschwendung unschuldiger junger Menschenleben, die er täglich erleben musste, hatte Conn wütend werden lassen. Wütend auf jene, die den Feldzug noch immer als von Gott gewollt bezeichneten, wütend auf sich selbst, weil er daran teilgenommen hatte, wütend auf eine Welt, die einen Christen und eine Jüdin nicht zueinanderfinden ließ.

»Was wollt Ihr?«, fragte er entsprechend barsch und wandte sich um – vor ihm stand eine in einen Kapuzenmantel gehüllte Gestalt, die er nicht einzuordnen wusste. Als sie jedoch die Kapuze zurückschlug und ein samtblauer Überwurf mit einem goldenen Kreuz darauf zum Vorschein kam, fuhr Conn erschrocken zusammen.

Obwohl sie einander noch nie persönlich gegenübergetreten waren, erkannte er den Mann augenblicklich, der zu Weihnachten die Christmesse gelesen und der in der Entscheidungsschlacht um Antiochia die Heilige Lanze getragen hatte – es war Adhémar von Monteil, der Bischof von Le Puy und persönliche Legat des Papstes.

Trotz seines Zorns wusste Conn, was er der Obrigkeit schuldig war, um sich keinen Ärger einzuhandeln. Er sank auf die Knie und senkte das Haupt, worauf Adhémar ihm gestattete, dem Siegelring zu huldigen. Dabei fragte Conn sich fieberhaft, was der Bischof wohl von ihm wollte. Woher kannte er überhaupt seinen Namen? War etwas vorgefallen? Hatte er sich etwas zuschulden kommen lassen?

»Erhebe dich, Sohn«, forderte der päpstliche Gesandte. Conn stand auf und hob den Blick. Zum ersten Mal kam er dazu, den Bischof, den er stets nur von weitem gesehen hatte, genauer zu betrachten.

Der Vertreter von Papst Clemens bot einen beeindruckenden Anblick. Seine Gestalt war hochgewachsen, blondes Haar wallte auf die Schultern herab. Unter der energisch gefalteten Stirn blickte ein aufmerksames Augenpaar hervor, dem so leicht nichts zu entgehen schien. Entbehrung und Strapazen hatten allerdings auch in den Zügen des Bischofs Spuren hinterlassen und seine Wangen gehöhlt. Adhémars Hand ruhte auf dem Knauf seines Schwertes – der Bischof war bekannt dafür, das Schlachtfeld nicht zu scheuen und in vorderster Reihe zu fechten. Sein Alter schätzte Conn auf Mitte vierzig.

»Was kann ich für Euch tun, Herr?«, fragte Conn vorsichtig. Seine Vernunft sagte ihm, dass es nichts Gutes zu bedeuten hatte, wenn sich der päpstliche Legat nach ihm erkundigte. Hatte es womöglich mit den de Reins zu tun? Mit der Verschwörung, von der er Kenntnis erlangt hatte?

Der Bischof schnupperte und warf einen missbilligenden Blick in Richtung der Leichen, die sich am Boden aneinanderreihten und darauf warteten, aus der Stadt gebracht und begraben zu werden. »Lass uns einen anderen Ort aufsuchen, Sohn, denn dieser ist weder meiner noch deiner würdig.«

Damit schlug er die Kapuze wieder hoch und schloss den Mantel vor der Brust, so als wünschte er, nicht erkannt zu werden. Dann wandte er sich um und verließ die Kammer. Conn blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Zu seiner Überraschung wartete Berengar vor dem Eingang, den Conn schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Der Benediktinermönch verbeugte sich tief, als der Bischof sich näherte, und schloss sich ihnen dann wortlos an. Der Blick, den er Conn dabei sandte, war unmöglich zu deuten.

Sie verließen das Badehaus und überquerten den Vorhof, suchten einen der Lagerräume auf, die die Innenseite der Ummauerung säumten. Kaum hatten sie die Kammer betreten, schloss Berengar die Tür und stellte sich einem Wächter gleich davor. Bischof Adhémar wies Conn an, sich auf eine leere Kiste zu setzen, während er selbst auf und ab schritt.

»Ich bedaure«, erklärte er mit Blick auf die schäbigen Wände und das Stroh am Boden, »dass diese Unterredung nicht unter weniger ärmlichen Bedingungen stattfinden kann, jedoch muss ich fürchten, dass die Wände meines Hauses in diesen Tagen Ohren haben. Aber lehrt uns unser Glaube nicht, dass sich die größten Ereignisse der Geschichte stets an schlichten Orten zu ereignen pflegen?«