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»Vorausgesetzt, Eustace gestattet es«, wandte Guillaume ein. »Obschon er nur noch ein Schatten seiner selbst ist, steht seine erbärmliche Rechtschaffenheit unseren Plänen im Weg. Ich hätte ihn erstechen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«

»Das ist nicht nötig«, versicherte Eleanor, während sie ihre dürren Arme um ihn wand und ihn an sich zog. Sie kannte ihren Sohn gut genug, um sich darüber klar zu sein, dass er nicht nur ihr berechnendes Wesen, sondern auch die Hitzköpfigkeit seines Vaters geerbt hatte.

»Sei unbesorgt, Guillaume«, hauchte sie ihm beruhigend ins Ohr, »ich werde mich um alles kümmern.«

12.

Antiochia

Ende Juli 1098

»Nun? Wie hast du dich entschieden?«

Diesmal waren sie nicht in einem Lagerhaus zusammengekommen, jedoch war die Örtlichkeit nicht weniger schäbig. Es war der Keller, den Berengar zu seinem Quartier erkoren und in dem er das Buch von Ascalon übersetzt hatte. Einige Folianten lagen auf dem behelfsmäßigen Tisch, dazu Pergamente, die mit Notizen beschrieben waren. Die Schriftrolle jedoch war nirgendwo zu entdecken, Conn nahm an, dass sie der Mönch an einem sicheren Ort verwahrte.

Vier Tage Bedenkzeit hatte der Bischof von Le Puy ihm gegeben, und Conn hatte sie bis zur Neige ausgenutzt. Keine Stunde war vergangen, da er nicht über den Inhalt des Buches und jene eigenartige Verkettung von Ereignissen nachgedacht hatte, die ihn, einen angelsächsischen Dieb, zum Ritter der Kirche werden lassen sollte. Anderseits war ihm irgendwann aufgegangen, dass ein Dieb wohl genau das war, was Bischof Adhémar brauchte.

Die Sache gefiel Conn noch immer nicht. Gewiss, es war bitter zu erfahren, dass Chaya von all diesen Dingen gewusst hatte, ohne ihm auch nur ein Sterbenswort darüber zu sagen, und natürlich behagte ihm der Gedanke, sich endlich an Guillaume de Rein zu rächen. Dennoch kam es ihm falsch vor, nach der Lade zu suchen und sie für die Kirche in Besitz zu nehmen. Der Schrein des Bundes gehörte Chaya und ihren Leuten, und ganz gleich, wie sehr Conn versuchte, Notwendigkeit gegen Unrecht abzuwägen, sein schlechtes Gewissen wurde dadurch nicht besser.

Von Herzen wünschte er sich, mit jemandem darüber sprechen und sich austauschen zu können, aber zum einen war es ihm nicht gestattet, zum anderen waren Baldric und Bertrand noch immer nicht aus Acre zurückgekehrt. Was Berengar betraf, so war er Conn keine Hilfe. Der Mönch, den Conn stets wegen seiner Bildung und Weisheit bewundert hatte, hatte ihn bitter enttäuscht. Obwohl auch er dem Treffen beiwohnte, tat Conn so, als existiere er nicht mehr für ihn.

»Ich warte, Conwulf«, drängte Bischof Adhémar, der sich seit ihrer letzten Begegnung verändert hatte. Die Wangen des Legaten waren noch weiter eingefallen, seine Züge fahl und die Augen trüb.

»Verzeiht, Herr«, erwiderte Conn leise, »aber die Entscheidung fällt mir nicht leicht.«

»Es fällt dir nicht leicht, dich für Ruhm und Ehre zu entscheiden? Was für ein Mensch bist du?«

»Einer, der seinem Gewissen folgt. Deshalb habt Ihr mich ausgewählt, Herr.«

»Dennoch bist du nicht der einzige rechtschaffene Mann in dieser Stadt. Das solltest du bedenken, wenn du vorhast, meine Geduld noch länger auf die Probe zu stellen.«

Conn wandte sich ab. Der Bischof sollte nicht sehen, wie seine Worte ihn verunsicherten. Wenn er ablehnte oder versuchte, die Entscheidung noch hinauszuzögern, würde Adhémar einen anderen beauftragen, nach der Lade zu suchen, und nichts würde gewonnen sein, ganz im Gegenteil. Folglich war es wohl am besten, wenn Conn das Angebot annahm – auch wenn er sich der Aufgabe weder gewachsen fühlte noch den Eindruck hatte, auf der richtigen Seite zu stehen.

»Ich bin einverstanden«, erklärte er.

»Gut«, sagte der Bischof nur, als hätte er nichts anderes erwartet. »Sobald du vollständig genesen bist, wirst du aufbrechen. Bruder Berengar wird dich begleiten.«

»Nein«, sagte Conn schnell.

»Wie?« Adhémar schaute ihn verwundert an. »Du hast kaum eingewilligt und stellst schon Bedingungen?«

»Verzeiht, Herr«, erwiderte Conn und beugte entschuldigend das Haupt, »aber ich kann nicht mit Berengar ziehen.« Er streifte den Benediktiner mit einem Seitenblick. »Er hat mein Vertrauen missbraucht und mich hintergangen.«

»Zum Besten der Kirche. Ich erwarte nicht, dass dir gefällt, was Berengar getan hat. Aber du solltest bedenken, Conwulf, dass auch du gegen die Regeln der Kreuzfahrer verstoßen und Unzucht mit einer Ungläubigen getrieben hast.«

»Hätte ich es nicht getan, wärt Ihr nicht im Besitz des Buches.«

»Auch das ist wahr, weshalb ich den Herrn ersuchen werde, dir diese Sünde zu erlassen. Was jedoch Berengar betrifft, so fürchte ich, dass dir keine andere Wahl bleibt, zumal er …« Adhémar unterbrach sich, als ihn ein heftiger Hustenanfall schüttelte. Es kostete ihn einige Augenblicke, sich wieder davon zu erholen. »Zumal Berengar der Einzige ist, der den Text zu lesen und seine Rätsel zu deuten vermag. Ich kann folglich nicht dulden, dass er von der Suche ausgeschlossen wird. Wichtig ist in diesem Falle nur, was der Sache dient.«

»Und wenn er sich irgendwann entschließen sollte, auch Euch zu verraten?«, fragte Conn hilflos.

»Du bist kein Höfling und kein Intrigant, Conwulf. Ränkeschmieden steht dir schlecht zu Gesicht, zudem hast du kein Talent dafür. Ich für meinen Teil vertraue Berengar«, fügte er mit einem Nicken in Richtung des Mönchs hinzu, »ebenso wie ich deinem schlichten, aber rechtschaffenen Gemüt vertraue. Nun knie nieder.«

»Herr?« Conn starrte sein Gegenüber fragend an.

»Knie nieder«, forderte Adhémar ihn abermals auf und griff nach seinem Schwert.

Conn tat, was man von ihm verlangte, aber er kam sich vor, als würde er einen Traum durchleben – den Traum eines anderen.

Er hörte kaum, was der Bischof sagte. Von den Tugenden eines Ritters und von seinen Pflichten, von den besonderen Leistungen, die einem miles christianus abverlangt wurden, seiner unbedingten Tapferkeit, seiner Treue und seiner Opferbereitschaft. Conn erwachte erst aus seiner Trance, als Adhémars Schwert ihn an der Schulter berührte.

»Erhebt Euch, Conwulf von Antiochia, als Kämpfer der heiligen Kirche.«

Conn stand auf – und fühlte sich keinen Deut anders als zuvor.

Adhémar sprach indessen weiter. »Noch darf niemand erfahren, welche Ehre Euch zuteil wurde und in wessen Auftrag Ihr handelt. Ist Eurer Mission jedoch Erfolg beschieden, so wird Euer Name hell erstrahlen und Ihr werdet reichen Lohn empfangen. Darauf habt Ihr mein Wort, Conwulf – und dies als Unterpfand.«

Adhémar öffnete seine linke Hand, auf der ein silbernes Medaillon lag. Es war nur wenig größer als eine Münze, jedoch kunstvoll ziseliert. Ein sich aus vier Viertelkreisen zusammensetzendes Labyrinth war darauf zu erkennen, das in seiner Mitte ein Kreuz formte.

»Was ist das?«, wollte Conn wissen.

»Das Zeichen jener, die verborgen im Dienste Petri fechten.«

13.

Antiochia

1. August 1098

Das Feuer in der Esse war fast heruntergebrannt.

Funken stoben auf und verloschen, während Conn gedankenverloren in der Glut stocherte.

Vor zwei Tagen waren Baldric und Bertrand aus Acre zurückgekehrt. Sie hatten Chaya und das Kind sicher zu ihren Leuten gebracht, und auch die Rückreise war ohne Zwischenfälle verlaufen. Eigentlich hätte Conn erleichtert sein müssen, doch die Gedanken und Gefühle, die die Rückkehr seines Adoptivvaters bei ihm ausgelöst hatte, waren voller Widersprüche.