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»Dies sind beides Eigenschaften, die für eine Frau gefährlich sind«, erwiderte sie ohne Zögern, »weshalb ich früh damit begonnen habe, Männer das tun zu lassen, was ich für richtig hielt.«

Sie trat an den langen Tisch, der die eine Hälfte der Halle einnahm, und griff nach den mit Wein gefüllten Bechern, die dort standen. Einen behielt sie selbst, den anderen reichte sie Eustace.

»Ich gestehe, dass ich beeindruckt bin von Eurer Offenheit, Mylady«, gestand dieser, nachdem sie getrunken hatten.

»Und ich will auch weiter offen mit Euch sein. Denn für die Pläne, die ich gefasst habe, ist es überaus wichtig, dass wir Jerusalem erreichen. Und da die Fürsten unter sich uneins sind, brauchen wir etwas, das ihren Streit beendet und sie dazu veranlasst, den Feldzug fortzuführen.«

»Ich ahne, worauf Ihr hinauswollt«, versicherte Eustace zwischen zwei Schlucken Wein, »und ich beginne außerdem zu mutmaßen, dass es nicht Guillaumes, sondern in Wahrheit Euer Plan gewesen ist, der die Wende vor Antiochia herbeigeführt hat.«

»Das steht Euch frei«, erwiderte Eleanor lächelnd.

»Aber ich verwehre mich entschieden dagegen, Peter Bartholomaios wieder für unsere Zwecke einzusetzen. Einmal ist es gutgegangen. Ein zweites Mal werde weder ich noch die Bruderschaft dieses Risiko eingehen.«

»Weshalb nicht? Was fürchtet Ihr?«

»Was ich fürchte?« Eustace lachte freudlos auf. »Entdeckung natürlich, was sonst? Was, glaubt Ihr wohl, geschieht, wenn die Täuschung bekannt würde?«

»Wir würden brennen«, entgegnete Eleanor ungerührt. »Aber ich glaube nicht, dass es das ist, was Euch daran hindert. Ihr fürchtet vielmehr, dass Guillaume Euch an Einfluss überflügeln könnte, nicht wahr? Und hier ist es nun, wo seine und Eure Zukunft und die der Bruderschaft einander berühren.«

»Bei allem, was Ihr sagt, solltet Ihr nicht vergessen, dass ich die Bruderschaft der Suchenden gegründet habe, Mylady. Ich bin ihre Zukunft!«

»Meint Ihr?« Sie nahm einen Schluck Wein, und der Blick, den sie ihm über den Becher hinweg sandte, hatte etwas Herausforderndes. »Ich würde Euren Standpunkt teilen, wenn Ihr bereit wärt, Euch für die hohen Ziele einzusetzen, die Ihr Euch gegeben habt – aber das seid Ihr nicht. Letzten Endes ist Euch an Eurem eigenen Wohl mehr gelegen als an der Bruderschaft, das habt Ihr schon einmal bewiesen.«

»Mylady!« Zorn schoss Eustace in die Adern. Geräuschvoll stellte er den halb geleerten Becher auf den Tisch zurück. »Viele Ritter, auch die tapfersten, haben während der Belagerung Antiochias Schwäche gezeigt, das könnt Ihr mir nicht vorwerfen. Und was Bartholomaios’ Glaubwürdigkeit betrifft, so traue ich ihr nicht mehr.«

»Weshalb nicht? Adhémar von Le Puy kann sie nicht mehr untergraben.«

»Der Bischof ist tot, das ist wahr. Aber sagt Euch der Name Arnulf von Rohes etwas?«

Eleanor hob die schmalen Brauen. »Der Prediger Herzog Roberts von der Normandie?«

»Ebenjener. Im Gegensatz zu Le Puy erfreut er sich bester Gesundheit, und er lässt keine Gelegenheit aus, an der Echtheit der Lanze zu zweifeln und den Herzog gegen uns aufzubringen. Wie wird er wohl auf neue Voraussagen von Bartholomaios reagieren?«

»Darüber zerbrecht Euch nicht den Kopf«, beschwichtigte Eleanor und leerte ihren Becher. »Wie leicht könnte auch ihm etwas zustoßen, ebenso wie seinem Herzog?«

»Mylady!«

»Was denn, das erschreckt Euch?« Sie lächelte. »Gedanken wie diese sollten Euch aber nicht erschrecken, denn genau sie sind es, die den Anführer vom Untertan unterscheiden. Und Ihr, mein Freund, seid nichts als ein Untertan. Ein edler Untertan, gewiss. Aber dennoch nur ein Untertan.«

»Glaubt Ihr …?«

Eustace wollte etwas erwidern, aber noch während er sprach, vergaß er, was er hatte sagen wollen. Er merkte, wie sich etwas bleischwer auf ihn senkte, und er brauchte den Tisch als Stütze, um nicht von den Beinen zu kippen. Verwirrt starrte er auf den halb leeren Becher, von dessen Inhalt er doch nur wenige Schlucke getrunken hatte.

»Sieh mich an, Eustace«, verlangte Eleanor.

Er kam ihrer Aufforderung nach und stellte zu seiner Verblüffung fest, dass sie sich verändert hatte. Das Gebende um ihr Haupt hatte sie gelöst, sodass er ihren schlanken Hals sehen konnte und das grauweiße Haar, das einst strahlend blond gewesen sein mochte. Von Nadel und Stoff befreit, lag es eng an ihrem Kopf an und reichte ihr bis zu den Schultern.

»Was … was tut Ihr?«, stammelte Eustace, der sich kaum noch aufrecht halten konnte. Der Boden der Halle schien zu kippen.

»Was ich immer zu tun pflege, wenn ich etwas haben will«, erwiderte sie mit ruhiger Gelassenheit, während sie dazu überging, ihren Mantel und das darunterliegende Gewand abzulegen. »Ich nehme es mir.«

Eustace wollte fort, nur fort.

Er löste sich vom Tisch und wollte hinaus, aber er kam keine zwei Schritte weit. Mit einem dumpfen Aufschrei ging er nieder und fand sich am Boden wieder. Neben ihm lag der Becher, den er versehentlich mitgerissen hatte. Der restliche Wein rann aus und versickerte in den Fugen zwischen den Steinplatten, rot wie Blut.

»Ich will, dass du deinen Platz an der Spitze der Bruderschaft für Guillaume frei machst«, hörte er Eleanor sagen.

»Nie-niemals.«

»Du bist am Ende deiner Kräfte, Eustace. Was die Bruderschaft braucht, ist Führung – und dazu bist du nicht in der Lage. Oder willst du das ernstlich anzweifeln? Wenn sogar eine schwache Frau in der Lage ist, dich zu bezwingen?«

»Bezwingen«, echote er und starrte sie verständnislos an. Sie hatte ihr Gewand abgelegt und trug nur noch ein dünnes Hemd, das ihre knochige Gestalt durchscheinen ließ und ihre gespenstische Erscheinung noch verstärkte.

»Du wirst tun, was ich von dir verlange, nicht wahr?«, fragte sie, während sie den Saum langsam hob. Der Schein der Öllampen tauchte ihre Gestalt in dämonisch anmutendes Licht, ein spinnengleiches Wesen, das nur aus Knochen und dürrer Haut zu bestehen schien.

Und Eustace merkte, wie sein Widerstand schwand und er nicht anders konnte, als sich ihrem Willen zu fügen.

14.

Antiochia

Oktober 1098

»Wer ist es?«

»Sein Name ist Berengar, Sire. Er ist ein Benediktinermönch.«

»Und er verlangt mich zu sprechen?«

»Ja, Sire.«

»Warum schickt Ihr ihn nicht einfach weg?«

»Weil er sagt, dass Ihr das sicher bereuen würdet.«

Durch die halb geöffnete Tür konnte Berengar jedes Wort hören, das im Gemach Hugo von Monteils gesprochen wurde. Er ließ sich nichts anmerken und stand unbewegt unter den misstrauischen Blicken der beiden Leibwächter. Ganz offenbar war Hugo von Monteil kein Mann, der sein Vertrauen verschenkte – und nach allem, was seinem Bruder widerfahren war, konnte Berengar ihn gut verstehen.

Es hatte ihn einige Mühe gekostet, zum Grafen vorgelassen zu werden. Nicht nur, dass Hugo von Monteil durch den Tod seines Bruders Adhémar dessen Titel und Besitzungen geerbt und dadurch ein beschäftigter Mann geworden war; es hatte auch den Anschein, als zöge sich der Graf absichtlich zurück, was Berengar wiederum in seiner Annahme bestärkte, dass Hugo und er womöglich dieselben Ziele hegten.

Endlich kehrte der Diener, der den Besuch des Mönchs angekündigt hatte, zurück. Mit einem knappen Nicken gab er Berengar zu verstehen, dass er sich nähern durfte. Gesenkten Hauptes trat der Mönch ein und verbeugte sich so tief, dass es in seinen Knochen schmerzte. Zur Schau gestellte Demut, das hatte ihn die Erfahrung gelehrt, pflegte die Mächtigen milde zu stimmen.

Zumindest äußerlich war Hugo von Monteil Bischof Adhémar nicht sehr ähnlich. Er entbehrte sowohl dessen eindrucksvolle Statur als auch sein prachtvolles Haar, und obgleich er einen samtenen Umhang über dem Gambeson trug, bot er eine eher schlichte Erscheinung. Die energische Stirn jedoch und die Wachsamkeit seiner Augen erinnerten sehr an seinen verstorbenen Bruder.