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»Lügner!«, rief Conn.

»Willst du einen Mann der Kirche der Lüge bezichtigen,

noch dazu, wenn er bei seiner Seele schwört?«, fragte Guillaume, der nun seinerseits nach dem Schwert griff. »Du nichtswürdiger kleiner Cretin hast meine Kreise zum letzten Mal gestört! Ich werde dich bei lebendigem Leibe aufschlitzen und deine Gedärme an die Hunde verfüttern, und deine Judenbraut werde ich durchs Lager treiben, damit jedermann sein Vergnügen mit ihr hat, ehe ich sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen lasse!«

»Mit mir mach, was du willst, aber sie lass gehen«, erwiderte Conn und legte schützend den Arm um Chayas vor Furcht bebende Gestalt – auch wenn ihm klar war, dass die Geste angesichts der Bedrohung geradezu lächerlich wirken musste.

»Angelsächsischer Bauer, du hast mir nichts zu befehlen. Den Idioten, der sich mein Vater nannte, magst du mit deinem erbärmlichen Edelmut beeindruckt haben, mich nicht. Deine Judenbraut wird genau wie du für ihre Frechheit bezahlen!«

»Nein!«, schrie Conn. »Du wirst ihr nichts antun!«

Guillaume, der jetzt unmittelbar vor ihm stand, das Schwert stoßbereit erhoben, grinste. »Willst du mir etwa drohen?«

»Ich werde kein zweites Mal dabeistehen und zusehen, wie du jemanden umbringst, Guillaume de Rein.«

»Kein zweites Mal?« Guillaume hob eine schmale Braue.

»Ihr Name war Nia«, stieß Conn hervor. »Du hast sie vergewaltigt und so schwer misshandelt, dass sie daran starb.«

»Wann und wo soll das gewesen sein?«

»In London, vor drei Jahren.«

Guillaume hob auch noch die andere Braue. »Und du erwartest, dass ich mich daran erinnere?«

»Du solltest dich erinnern, elender Bastard«, antwortete Conn in dem Wissen, dass es die letzten Worte sein würden, die er im Leben sprach. »Denn sie war die Frau, die ich liebte und mit der ich eine Familie gründen wollte.«

»Tatsächlich? Du scheinst in der Wahl deiner Weiber nicht sehr wählerisch zu sein.«

Conn kam es vor, als verlöre er den Boden unter den Füßen.

Alles was er sah, waren die blassen, von blondem Haar umrahmten Gesichtszüge seines Feindes, aus denen ihm Hohngelächter entgegenschlug, und der überwältigende Wunsch, sie zum Verstummen zu bringen, ergriff von ihm Besitz.

Ein Ruck durchlief ihn, mit bloßen Fäusten wollte er sich auf seinen Erzfeind stürzen – und wäre geradewegs in dessen offene Klinge gerannt. Dass es nicht dazu kam, lag an Chaya, die sich an ihn klammerte und ihn mit aller Kraft zurückhielt.

»Nicht!«, schrie sie, während Guillaume weiterlachte und Conn versuchte, sich aus ihrer Umklammerung zu befreien, rasend vor Wut und Schmerz. Dann plötzlich änderte sich die Situation.

Das Reißen von Stoff war zu hören, helles Tageslicht fiel ins Zelt. Nicht nur Conn und Chaya, auch Guillaume de Rein und seine Leute fuhren verblüfft herum und sahen, wie die Seitenwände des Zeltes mit blanken Klingen aufgeschnitten und heruntergerissen wurden.

Die Soldaten, die dies taten, waren provenzalische Kämpfer. Ihnen zu Füßen lagen die mit Pfeilen gespickten Leichen von Guillaume de Reins Wachen, im Hintergrund lauerten noch mehr bis an die Zähne bewaffnete Streiter, zu Fuß und zu Pferde, die das Zelt umzingelt zu haben schienen.

»Was, in aller Welt, hat das zu bedeuten?«, begehrte der Baron auf. »Seid ihr von Sinnen?«

Einige der Reiter lösten sich aus dem Kordon und lenkten ihre Tiere auf das Zelt zu. Ihr Anführer war ein Mann, dessen Gesichtszüge Conn entfernt bekannt vorkamen. Er war von mittlerer Größe und hatte kurz geschnittenes Haar, ein wattiertes Gewand und ein weiter Umhang bildeten seine Kleidung.

»Das will ich Euch sagen, Guillaume de Rein«, erhob der Fremde die Stimme. »Ich bin Hugo, Graf von Monteil – und bezichtige Euch des Mordes an meinem Bruder Adhémar!«

Hätte ein Blitz in das karge Gestrüpp eingeschlagen, das die Lagerstätte umgab, und es in helle Flammen gesetzt, die Reaktionen hätten nicht heftiger ausfallen können. Guillaume de Rein erbleichte, was bei seinen ohnehin schon farblosen Zügen geradezu grotesk wirkte, während sich seine Gefolgsleute lautstark empörten. Mit blanken Waffen scharten sie sich schützend um ihren Anführer, dessen Gesicht allmählich wieder an Farbe gewann.

»Was Ihr da behauptet, Monsieur, ist unerhört und entbehrt jeder Grundlage!«

Hugo von Monteil – immerhin wusste Conn nun, warum dessen Miene ihm vertraut erschienen war – zügelte sein Pferd. »Es gibt Beweise, die meinen Verdacht erhärten. Sie sollen vor dem Fürstenrat gehört werden.«

»Ihr wollt mich vor ein Gericht schleppen?« Guillaumes Augen weiteten sich, dass es den Anschein hatte, als wollten sie herausfallen. »Mich, einen Baron von vornehmem normannischem Geblüt?«

»Nicht der Baron ist es, den ich zur Rechenschaft ziehen will, sondern der Mörder.«

»Schöne Worte. Und wo sind die Beweise, von denen Ihr so vollmundig sprecht? Habt Ihr einen Zeugen, der gesehen haben will, wie ich Euren werten Bruder erstach?«

Die Mundwinkel des Herrn von Monteil fielen vor Abscheu nach unten. Zu Conns Überraschung blieb Graf Hugo jedoch eine Antwort schuldig. Stattdessen spähte er verstohlen und – so schien es jedenfalls – hilfesuchend zu Berengar, der sich bislang auffallend zurückgehalten hatte. Und wie ein Geschoss, das er von sich ablenkte, schickte der Mönch den Blick des Grafen an Conn weiter.

»Wohlan«, sagte Hugo daraufhin und nickte beruhigt. »Zwar kann ich nicht beweisen, dass Ihr, Guillaume, meinen Bruder eigenhändig gemeuchelt habt …«

»Sieh an«, tönte der Beschuldigte.

»… jedoch kenne ich einen Zeugen, der vor Gott und aller Welt beschwören kann, dass Ihr kein Mann von Ehre seid und vor keiner noch so verwerflichen Untat zurückschreckt, um Eure Macht und Euren Einfluss zu mehren. Nicht wahr, Conwulf?«

Conn stand, als hätte ihn ein Schwertstreich getroffen.

Nun erst begriff er, worauf all dies hinauslief und dass Guillaume de Rein offenbar nicht der Einzige gewesen war, der einen Köder ausgelegt und eine Falle gestellt hatte. Auch Hugo von Monteil war auf Vergeltung aus, und Conn sollte sein Werkzeug sein.

Woher der Graf von den Ereignissen von London wusste, vermochte Conn nicht zu sagen, aber die Anspielung war zu eindeutig gewesen, als dass etwas anderes damit gemeint sein konnte. Irgendwie hatte er davon erfahren, und Berengar schien dabei zumindest eine Rolle gespielt zu haben, auch wenn Conn keine Ahnung hatte, wie …

»Schon wieder du?« Mit geringschätzigem Blick wandte sich Guillaume zu ihm um. »Was hast du zu sagen, Angelsachse? Was, das dich nicht vor aller Welt als Lügner entlarvt?«

»Sprecht, Conwulf«, forderte auch Hugo ihn auf. »Seid ehrlich und offen und Ihr habt nichts zu befürchten.«

Verblüfft schaute Conn von einem zum anderen, und er begriff, dass dies der Augenblick war, auf den er drei lange Jahre gewartet hatte.

Der Augenblick der Wahrheit.

Mit pochendem Herzen löste er sich aus Chayas Umarmung und trat einen Schritt vor, um deutlich zu machen, dass sie mit dem, was folgen würde, nichts zu tun hatte.

»Es war vor drei Jahren«, begann er, und es klang in seinen Ohren so seltsam, dass er das Gefühl hatte, einem Fremden zuzuhören. »Ich liebte eine junge Frau, eine walisische Leib­eigene, die dieser Mann« – er deutete auf Guillaume – »so brutal vergewaltigt hat, dass sie in meinen Armen starb. Daraufhin schwor ich ihm bittere Rache, und ich schlich mich in den Turm von London mit dem festen Vorsatz, ihn in dieser Nacht zu töten. Doch was ich stattdessen erfuhr, änderte alles.«

Guillaume zuckte zusammen.

Es war unmöglich festzustellen, ob ihm in diesem Augenblick dämmerte, von welcher Nacht in London Conn sprach, aber seine anfängliche Selbstsicherheit schien zumindest Risse zu bekommen.