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Im sanften Blick ihrer dunklen Augen fand Conn Trost, und für einen Augenblick schien es keinen Kampfplatz zu geben, keine Schaulustigen und keinen Gegner, der darauf wartete, Conn zu töten. Selbst über die Distanz hinweg fanden sie zueinander, und für einen kurzen Moment waren sie eins.

Mit einer Zuversicht, die er selbst nicht verspürte, nickte er ihr zu, dann trat er weiter vor. Ein Knecht hielt die Lanze aus Bambusholz, ein anderer hatte den Araberhengst am Zügel. Unter den Blicken der Schaulustigen stieg Conn in den Sattel und ließ sich die Lanze reichen. Dann erst richtete er seinen Blick zum entgegengesetzten Ende des Platzes, wo Guillaume de Rein ebenfalls sein Schlachtross bestiegen hatte, das von breiterem Wuchs war als der sehnige Orientale und dessen Hals und Stirnpartie mit Kettengeflecht gepanzert waren.

Auch sein Reiter bot einen furchterregenden Anblick.

Zur Verstärkung des Kettenhemdes trug Guillaume de Rein einen Harnisch aus Metallplatten, die an der Schulter mit Dornen versehen waren. Ein metallener Kragen schützte Hals und Genick, der Helm verfügte neben der Nasenspange auch über einen ledernen Nackenschutz. Guillaumes Schild reichte so weit herab, dass er nicht nur seine Seite, sondern auch sein linkes Bein schützte, und seine Lanze verfügte über eine mörderisch aussehende Spitze.

Conn versuchte, sich seine wachsende Unruhe nicht anmerken zu lassen. Mit der Lanze zu streiten, hatte Baldric ihm nie beigebracht. Seine einzige Chance bestand darin, den Kampf zu Pferd möglichst rasch zu beenden und sich dann auf das zu besinnen, was sein Adoptivvater ihn gelehrt hatte – und zu hoffen, dass es genügen würde.

Der Trommelschlag setzte aus, und ein Sprecher des Fürstenrats trat auf, der noch einmal Ursache und Anlass des Kampfes kundtat. Ihm folgte ein Priester, der um Gottes Beistand bei der Wahrheitsfindung bat und den Segen des Herrn für beide Kontrahenten herabrief.

Conn hörte weder dem einen noch dem anderen zu.

Seine Aufmerksamkeit gehörte allein dem Mann, der ihm auf der anderen Seite des Kampfplatzes gegenüberstand und mit dem er sich in wenigen Augenblicken ein Duell auf Leben und Tod liefern würde.

Guillaume de Rein.

Wie oft hatte Conn diesen Namen in Gedanken vor sich hergesagt, im Zorn, in Trauer, in beinahe grenzenlosem Hass. Nun würden beider Schicksale sich entscheiden.

Erneut erklang ein Hornsignal, und die Knechte räumten das Feld. Das Gemurmel der Menge legte sich, Stille legte sich schwer und drückend über die Senke, in der nur noch das Schnauben der beiden Pferde zu hören war – und dann das Schlagen der Hufe.

Ein Ruck durchlief Guillaumes gepanzertes Ross, als sein Reiter ihm die Sporen gab, und es warf sich nach vorn, galoppierte quer über das Feld. Conn brauchte einen Moment, um seinen unruhigen Araber unter Kontrolle zu bringen, dann setzte auch er vor, und die beiden Gegner jagten aufeinander zu.

Da Conn im Umgang mit der Lanze keine Erfahrung hatte, tat er es Guillaume gleich, der die Waffe senkte und in die Armbeuge nahm, um die ganze Wucht seinen Angriffs auf einen einzigen Punkt zu konzentrieren. Conn sah die Lanzenspitze auf sich zufliegen und hob den Schild, um seinen Körper zu schützen, während er gleichzeitig versuchte, seine eigene Waffe ins Ziel zu lenken.

Schon einen Lidschlag später hatten die Kontrahenten einander erreicht. Wirkungslos zersplitterte der Baumbusschaft an Guillaumes Schild, und Conn erwartete fast, von der Lanze des Feindes durchbohrt zu werden. Doch im nächsten Moment war Guillaume schon an ihm vorbei. Ein Raunen ging durch die Menge. Conns Araber trabte weiter, und fast glaubte Conn, den ersten Waffengang wie durch ein Wunder überstanden zu haben – als ihm auffiel, dass sein Pferd immer langsamer wurde.

Noch drei, vier Schritte ging das prächtige Tier, dann brach es wiehernd zusammen. Conn, der darauf nicht gefasst gewesen war, flog aus dem Sattel und überschlug sich. Er landete hart auf dem sandigen Boden und spürte jedes einzelne seiner schmerzenden Gelenke. Dennoch wälzte er sich herum und raffte sich wieder auf die Beine. Erst jetzt sah er, was geschehen war.

Der Araberhengst lag zuckend im Staub, die abgebrochene Spitze von Guillaumes Lanze ragte aus seiner Brust. Gezielt hatte der Normanne sie auf das Tier gelenkt. Offenbar wollte Guillaume Conn nicht nur besiegen. Er wollte über ihn triumphieren, ihn vor aller Augen demütigen und ihm dadurch jede Glaubwürdigkeit nehmen, ehe er ihn vernichtete.

Hufschlag und ein erneutes Raunen der Menge ließen Conn herumfahren. Erneut jagte sein Feind heran. Die Überreste der Lanze hatte er weggeworfen und stattdessen sein Schwert gezogen, das er seitlich führte, um Conn zu enthaupten. Schon war er heran, und Conn hob seinen Schild. Der metallene Orientalenschild war zwar leichter als sein aus Holz gefertigtes normannisches Gegenstück, dafür aber auch weniger widerstandsfähig. Unter dem furchtbaren Hieb, in den Guillaume die ganze Kraft seines Angriffs legte, verformte er sich an Conns Arm. Zwar durchdrang die Klinge das dünne Metall nicht, jedoch war die Wucht des Aufpralls so groß, dass Conn davon zu Boden geschmettert wurde und sich abermals im Staub liegend wiederfand.

Erneut ging ein Raunen durch die Menge, entsetzte Schreie vermischten sich mit Rufen der Begeisterung – und schon wieder griff Guillaume an.

Conn hörte das Blut in seinem Kopf rauschen. Er wusste, dass er in Bewegung bleiben musste, wollte er nicht in Stücke gehauen werden, also brachte er mit eisernem Willen die Beine unter den Körper und riss den Schild empor, den er inzwischen mit beiden Händen hielt. Das Schlachtross stampfte heran, Conn musste aufpassen, nicht unter seinen Hufen zermalmt zu werden. Dann erneut ein vernichtender Hieb, den Conn zwar abwehren konnte, jedoch nicht zur Gänze. Die Klinge drang durch die Deckung und traf seine linke Schulter, wo sie die Lederplatte durchschlug, aber nicht das Kettengeflecht.

Conn konnte hören, wie Guillaume vor Enttäuschung aufschrie. Mit einer geschickten Bewegung brachte er sein Pferd dazu, sich auf der Hinterhand umzudrehen, um sogleich zu einem neuerlichen Angriff anzusetzen.

Und diesmal brachte Conn den Schild zu spät empor.

Der Schwerthieb traf seinen Helm. Die Schaulustigen schrien auf, teils vor Entsetzen, teils vor Vergnügen, als Conn zu Boden ging. Blut rann ihm an den Schläfen und über das Gesicht herab, sodass es aussehen musste, als hätte sein Gegner ihn tödlich getroffen. Doch der Hieb hatte nur dafür gesorgt, dass der Rand des Helmes in Conns Kopfhaut eingeschnitten hatte, sodass die Blutung zwar stark, aber nicht lebensgefährlich war.

Auf dem Boden kniend, löste Conn den Kinnriemen und warf den Helm vor sich, wischte sich mit dem Ärmel seines Übergewandes das Blut aus den Augen. Verzweiflung packte ihn, und erstmals seit Beginn des Kampfes fühlte er Todesangst. Seine Vermutung, dass de Rein ihm hoffnungslos überlegen wäre, war zur schrecklichen Gewissheit geworden. Nicht die Wahrheit würde an diesem Tag siegen, sondern die Lüge, und es gab nichts, was Conn dagegen unternehmen konnte.

Einem Impuls folgend, schaute er an den Felsen empor, dorthin, wo er Chaya wusste. Er entdeckte sie in der Menge und sah das Entsetzen in ihrem Gesicht – und neuer Überlebenswille flammte in ihm auf.

Er sprang auf die Beine, und keinen Augenblick zu früh – denn erneut fegte Guillaume auf seinem Schlachtross heran.

Wieder ein harter Schlag auf den Schild, der Conns noch immer schmerzende Gelenke erzittern ließ. Zudem zeigte das Metall, das nie dafür gedacht gewesen war, den wuchtigen Hieben eines Breitschwerts zu trotzen, erste Risse. Sein wieherndes Ross herumreißend, griff Guillaume abermals an. Conn, der keinen Helm mehr trug, duckte sich, worauf die Klinge seinen Scheitel nur um Haaresbreite verfehlte. Hastig wischte Conn das Blut ab, das ihm immer wieder in Gesicht und Augen rann. Er wusste, dass er etwas unternehmen musste, oder er würde in wenigen Augenblicken tot sein, und Guillaume würde triumphieren.