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Das Pferd, Conwulf! Das Pferd!

Conn vermochte nicht zu sagen, woher die Stimme kam, die er zu hören glaubte, aber er handelte. Neben ihm im Sand lag ein Bruchstück seiner Lanze, etwa zwei Ellen lang und noch mit der Spitze versehen. Kurzerhand hob Conn es vom Boden auf und wartete ab, bis Guillaume erneut angriff.

Sein Erzfeind umkreiste ihn auf seinem Ross, lauernd wie ein Aasfresser, um vor allen Zuschauern seine Überlegenheit zu demonstrieren. Je eindeutiger sein Sieg ausfallen würde, desto eindeutiger würde auch der Freispruch sein, den das Gottesgericht fällte. Erst als seine Anhänger, die sich inzwischen in Scharen hinter seinem Zelt drängten, ihn lautstark dazu aufforderten, schickte Guillaume sich an, den Kampf zu beenden.

Auf donnernden Hufen jagte er auf die Mitte der Arena zu, wo Conn stand, den Schild in der einen, das Lanzenbruchstück in der anderen Hand, die Spitze nach unten gesenkt.

Es geschah innerhalb von Augenblicken.

Guillaume fegte heran, und Conn erwartete ihn, das Gewicht deutlich auf das rechte Bein verlagert, so als hätte er allen Ernstes vor, dem Angriff seines Gegners mit einer abgebrochenen Lanzenspitze zu begegnen – ein Ansinnen, das ebenso lächerlich wie verzweifelt wirken musste, Guillaume jedoch dazu verleitete, sein Pferd in diese Richtung zu lenken. Erst im letzten Moment, als sein Gegner schon fast heran war, verlagerte Conn das Gewicht auf das andere Bein, und während er sich nach links zur Seite fallen ließ, rammte er das Bruchstück der Lanze mit aller Kraft in den Boden.

Die Ereignisse überstürzten sich.

Guillaumes Schlachtross, dessen Panzerung zu durchdringen Conn niemals hätte hoffen können, folgte seinem natürlichen Instinkt und scheute vor dem plötzlichen Hindernis. Wiehernd stellte es sich auf die Hinterhand – und Conn, der bereits wieder auf den Beinen war, ging zum Gegenangriff über.

Unter lautem Geschrei, den verbeulten Schild vor sich haltend, sprang er gegen das sich aufbäumende Pferd, das panisch schnaubte und zur Seite tänzelte, während sich sein Reiter im Sattel zu halten versuchte. Indem es jedoch zur Seite auswich, prallte Guillaumes Pferd gegen den Kadaver von Conns Araberhengst und verlor endgültig das Gleichgewicht. Mit den Hufen schlagend ging es nieder, und wie zuvor Conn stürzte nun auch Guillaume de Rein aus dem Sattel.

Er fiel zur linken Seite und stürzte auf den Schildarm. Der Aufprall war so heftig, dass die untere Hälfte des Schildes zu Bruch ging. Das Gurtzeug verhinderte jedoch, dass Guillaume ihn abstreifen konnte, und so schrie er gellend auf, als ihm der Arm beim Sturz unnatürlich verdreht wurde und mit einem berstenden Laut aus dem Schultergelenk brach.

Sein Ross hatte sich herumgewälzt und stand längst wieder auf den Beinen, Guillaume jedoch lag rücklings am Boden. Jammernd wälzte er sich herum und wollte sein Schwert heben, das er noch immer umklammert hielt – doch Conn war bereits über ihm.

Ihre Blicke begegneten sich, und zum allerersten Mal konnte Conn seinem Peiniger tief in die Augen sehen. Er sah die Fassungslosigkeit darin, die unausgesprochene Furcht und den Hass. Und dann, für einen kurzen Moment, Nias zerschundenes Antlitz – und in einem jähen Entschluss stieß er die Klinge senkrecht hinab.

Die Spitze drang zwischen den Metallplatten des Harnischs hindurch. Das Kettengeflecht bot kurzen Widerstand, dann fuhr der Stahl tief in Guillaumes Brust und durchbohrte sein Herz. Ein gellender Laut entfuhr dem Normannen, der von irgendwo aus den Reihen der Zuschauer von einem entsetzten Aufschrei beantwortet wurde.

»Mutter …!« Guillaumes Züge verzerrten sich vor Schmerz und Entsetzen, während er verzweifelt nach Atem rang, den harten Stahl in der Brust. Verzweifelt schaute er sich um, suchte mit fliehenden Blicken die Reihen der Zuschauer ab, während ihm Tränen in die Augen traten und das kalte Feuer darin zu löschen schienen. »Es tut weh«, ächzte er hilflos. »So weh …«

»Das ist für Nia«, flüsterte Conn.

Guillaume keuchte, Blut trat ihm über die Lippen, während seine Anhänger über das Feld eilten, um ihm zu Hilfe zu kommen. Als sie ihn erreichten, war er bereits tot.

Schwer atmend stand Conn über seinem besiegten Feind – und empfand nicht den geringsten Triumph. Die Mundwinkel vor Abscheu herabgezogen, packte er das Schwert und zog es aus de Reins Brust, eine entsetzliche Leere in seinem Inneren.

Suchend schaute er an den Felsen empor, blickte in teils verwunderte, teils entsetzte Gesichter, die verrieten, dass der Kampf anders ausgegangen war, als sie vermutet hatten. Conn atmete erleichtert auf, als er inmitten jener fassungslosen Mienen Chaya entdeckte.

Plötzlich hatte alles wieder einen Sinn.

Guillaume de Rein war tot.

Nias Tod war gerächt.

Und Chaya war frei.

Wankend vor Erschöpfung setzte er sich in Bewegung, auf die Felsenterrasse zu, von der aus die Fürsten und Edlen den Kampf verfolgt hatten. Die ungläubigen Blicke der noch immer schweigenden Menge verfolgten ihn, bis Conn stehen blieb und die noch blutige Klinge demonstrativ in die Höhe reckte.

»Ist der Wahrheit damit Genüge getan?«, rief er so laut, dass es vom schroffen Gestein widerhallte.

Herzog Robert war der Erste, der antwortete. »Ihr habt mit dem Mut eines Adlers und dem Herzen eines Löwen gefochten, Conwulf. Gott war auf Eurer Seite und hat Sein Urteil gefällt – wer möchte jetzt noch anzweifeln, dass Ihr die Wahrheit gesprochen habt?«

Niemand, auch keiner der Edlen widersprach. Jene Ritter, die Guillaumes Gefolge angehörten oder Mitglieder der Bruderschaft waren, hatten noch immer Mühe zu begreifen, was geschehen war. Ungläubig starrten sie auf den blutbesudelten Körper ihres Anführers, der leblos auf dem Kampfplatz lag.

»Ich und jeder, der sich dem Urteil dieses Gottesgerichts unterworfen hat, muss es damit als erwiesen ansehen, dass Guillaume de Rein plante, mich im Auftrag meines Bruders zu ermorden. In Dankbarkeit erkenne ich den treuen Dienst an, den Ihr mir erwiesen habt, indem Ihr den gedungenen Mörder erschlugt. Sein Leichnam soll verbrannt und sein Name aus den Aufzeichnungen gelöscht werden – Ihr aber, der Ihr der Wahrheit zum Sieg verholfen habt, sollt fortan einen festen Platz unter meinen Rittern haben.«

»Aber Sire!«, wandte einer der normannischen Edlen ein. »Bitte bedenkt, dass er ein Angelsachse ist, noch dazu ohne Namen und Besitz!«

»Und? Soll ich ich einen Streiter, der mein Leben gerettet und meine Herrschaft bewahrt hat, nicht belohnen, nur weil Euch seine Herkunft nicht passt, Lanfranc?« Der Herzog schüttelte das Haupt. »Bischof Adhémar mag Euch zum Ritter ernannt haben«, fuhr er dann an Conn gewandt fort. »Jedoch erst heute, auf diesem Feld, seid Ihr dazu geworden, Conwulf von Nakura!«

Das Lager, das man ihm zugewiesen hatte, war weich. Dennoch hatte Conn das Gefühl, dass jeder einzelne Muskel und jeder Knochen in seinem Körper schmerzte.

Der Kampf war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Sein Schildarm und sein Oberkörper waren von Blutergüssen übersät, von den Schnittwunden an Stirn und Schläfen ganz zu schweigen. Und Conn war müde, unendlich müde.

Dennoch wäre er noch am selben Tag zurück nach Acre geritten, um Chaya zurückzubringen und über Baldrics Auslösung zu verhandeln. Doch Herzog Robert hatte darauf bestanden, dass er zumindest eine Nacht blieb und seine Wunden versorgen ließ, und Conn hatte nicht mehr über die Kraft verfügt, ihm zu widersprechen.

Schweigend lag er in seinem Zelt und starrte hinauf zur kreisrunden, spitz geformten Decke. Da jede Bewegung weh tat, versuchte er sich nicht zu rühren und lauschte dem warmen Wind, der von Osten wehte und die Zeltbahnen flattern ließ, durch die das Licht der umliegenden Feuer schimmerte.