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»Hier sind wir für uns«, sagte Flambard schließlich in das von Donnergrollen unterlegte Schweigen. »Nichts von dem, was hier gesprochen wird, darf diese Mauern jemals verlassen. Wollt Ihr das schwören?«

Der Baron, seine Gemahlin und auch sein Sohn beschworen es, und noch viel mehr als zuvor hatte Guillaume das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun und einem Kreis von Verschwörern anzugehören.

»Bedauerlicherweise«, fügte Flambard erklärend hinzu, »sind wir auf solche Vorsichtsmaßnahmen angewiesen, denn ich habe allen Grund zu der Annahme, dass unserem geliebten Herrscher Ungemach droht.«

»Von welcher Seite?«, wollte Renald grimmig wissen.

»Von jener Seite, die ihm seine Macht von Anbeginn geneidet hat und es auch weiterhin tut, auch wenn sie vordergründig Brüderlichkeit heuchelt«, erwiderte der königliche Berater unumwunden. Obwohl er keine Namen nannte, war allen Versammelten klar, wer damit gemeint war: kein anderer als Robert, Herzog der Normandie und des Königs leiblicher Bruder, der noch zu Lebzeiten des alten William Revolten angeführt hatte, um die Macht an sich zu reißen, und noch immer nach der englischen Krone dürstete.

»Habt Ihr gehört, was sich im vergangenen November in Clermont zugetragen hat, Baron?«, erkundigte sich Ranulf Flambard unvermittelt.

»Nur am Rande. Ich weiß, dass seine Heiligkeit der Papst dazu aufgerufen hat, die heiligen Pilgerstätten von den Heiden zu befreien.«

»Genauso ist es. Viele Christenmenschen haben seinen Ruf gehört und sind bereit, ihm zu folgen. Auch unser geliebter Herrscher würde gehen, wenn seine Pflichten ihn nicht an den Thron binden würden.«

»Das ist nur zu wahr«, bestätigte der Monarch, der neben Flambard stand und im Vergleich zu diesem geradezu harmlos und unscheinbar wirkte. Obwohl er fast doppelt so alt war wie Guillaume, hatte der König von England etwas Knabenhaftes an sich. »Nach den Unruhen der vergangenen Jahre hat sich die Lage im Land nun endlich gefestigt. Kehrte ich England nun jedoch den Rücken zu, würde alles von vorn beginnen.«

»Das ist anzunehmen, Sire«, gab der Baron zu.

»Robert hingegen«, fuhr Ranulf Flambard fort, »ist bereit, das Wagnis einzugehen. Er ist gegenwärtig dabei, in Caen und Rouen Truppen zusammenzuziehen und eine Armee auszurüsten, die ihn auf seiner Pilgerfahrt begleiten soll.«

»Mein Bruder ist schon immer ein sentimentaler Hund gewesen«, bemerkte der König wenig schmeichelhaft. »Vielleicht aber«, setzte er bissig hinzu, wobei seine verschiedenfarbigen Augen angriffslustig blitzten, »will er auch nur sein Seelenheil zurückerlangen, das er noch zu Lebzeiten unseres Vaters so leichtfertig verspielt hat.«

»Um das Unternehmen zu finanzieren, hat Robert seine Besitztümer in der Normandie für eine Summe von zehntausend Silbermark an uns verpfändet«, erläuterte Flambard.

»Wozu zweifellos Ihr ihm geraten habt«, folgerte Renald. Es war bekannt, dass Ranulf als anerkannter Spezialist in Fragen der Staatsfinanzen galt. Nicht von ungefähr hatte er an der Erstellung jener Steuerlisten gearbeitet, die als Domesday Book, als »Buch vom Jüngsten Tage« in die Annalen des Reiches eingegangen waren.

»Ich habe meinen bescheidenen Beitrag zur Ausarbeitung des Vertrags geleistet, das ist wahr«, gab der königliche Berater sich bescheiden, »von weit größerer Wichtigkeit aber ist Folgendes: Sollte Robert von seiner Fahrt ins Heilige Land nicht zurückkehren, so würden seine Besitztümer mit allem, was sich darauf befindet, an seinen Bruder zurückfallen. Und das würde nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als dass das Reich des Eroberers erstmals nach seinem Tod wieder unter einer Krone vereint wäre.«

»Und?«, wollte Renald wissen, obwohl sein düsterer Ausdruck vermuten ließ, dass er die Antwort bereits ahnte.

»Es wäre also von bedeutendem Vorteil für die Krone, wenn Robert angesichts der unzähligen Unwägbarkeiten, die im Zuge einer solch gefahrvollen Unternehmung lauern, in der Ferne etwas zustoßen würde«, ließ Ranulf die Katze aus dem Sack, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken – und Guillaume verstand jäh, weshalb der königliche Berater den Beinamen »Brandstifter« erhalten hatte.

»Was?«, fragte der Baron. Angesichts der Beiläufigkeit, mit der Flambard gesprochen hatte, hatte er wohl das Gefühl, nicht recht gehört zu haben.

»Es ist ganz einfach«, wurde Rufus deutlicher, »kehrt mein Bruder nicht zurück, so werde ich Herrscher über England und die Normandie, genau wie mein Vater vor mir. Und dafür, mein treuer Freund, sollt Ihr sorgen.«

»Sire! Ihr … Ihr erwartet von mir, dass ich für Euch zum Mörder werde? Zum Assassinen?« Wieder erhellte ein Blitz das Innere der Kapelle und beleuchtete das Gesicht des Barons. Die Farbe war aus seinen fleischigen Zügen gewichen, sein Blick verriet ehrliches Entsetzen.

»Ihr solltet Eure Worte mit mehr Bedacht wählen«, wies Flambard ihn zurecht, zischend wie eine Schlange kurz vor dem Biss. »Was der König von Euch verlangt, ist nicht mehr und nicht weniger als treue Pflichterfüllung.«

»Aber Sire!« Renalds Blick glitt hilflos zwischen seinem Lehnsherren und dessen oberstem Berater hin und her. »Ich habe einst Eurem Vater die Treue geschworen! Ich kann mich nicht gegen sein eigen Fleisch und Blut wenden!«

»Warum nicht?«, fragte Rufus. »Habt Ihr nicht auch gegen Roberts Truppen gekämpft, als ich Euch dazu aufrief?«

»Natürlich, aber …«

»Und hat mein Vater zu seinen Lebzeiten nicht selbst gegen Robert gefochten?«

»Und ihm auf dem Totenbett verziehen«, fügte der Baron hinzu. »Ich selbst war dabei, als der König seinen letzten Atemzug tat, als er den Allmächtigen um Ablass bat für seine Sünden und sich nichts sehnlicher wünschte als Frieden mit dem abtrünnigen Sohn. Verlangt Ihr, dass ich mich darüber hinwegsetze?«

»Nicht ohne Gegenleistung«, versicherte Flambard. »Ihr dürft Euch sicher sein, Baron, dass Euch der König diesen treuen Dienst nicht vergessen und Euch reich dafür belohnen wird. Beispielsweise, indem Ihr zusätzlich zu Eurem Lehen in Northumbria Eure ehemaligen Besitzungen auf dem Festland zurückerhaltet, zuzüglich einiger neuer Gebiete, die Euch binnen kürzester Zeit zu einem der mächtigsten und wohlhabendsten Männer des Reiches machen werden.«

»Und wenn ich dennoch ablehne?«

»Nun«, gestand Flambard steif, »als guter Christenmensch seid Ihr freilich Eurem Gewissen verpflichtet und müsst wissen, was Ihr tut. Allerdings sehe ich mich genötigt, Euch darauf hinzuweisen, dass Eure Verweigerung der Gefolgschaft nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Für Euch, Eure Familie und Euren Besitz …«

Renald de Rein bebte innerlich. Seine kleinen Augen blitzten den königlichen Berater in unverhohlener Ablehnung an, seine breite Brust hob und senkte sich heftig, seine Hände waren zu Fäusten geballt.

»Wie es den Anschein hat, Mylady«, wandte Flambard sich unvermittelt an Eleanor, »ist Euer Gemahl bei Weitem nicht so klug und vorausschauend, wie wir alle gehofft hatten.«

»Offenkundig«, erwiderte sie nur, und ihre Geringschätzigkeit überraschte selbst Guillaume. Verwundert spähte er zu seiner Mutter hinüber – und erntete ein ermunterndes ­Lächeln. Für ihren Gemahl schien Eleanor de Rein nichts als Verachtung übrigzuhaben, ihrem Sohn jedoch war sie nach wie vor zugetan und sandte ihm ein aufforderndes Nicken.