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»Könnt Ihr mich verstehen, edle Herren?«, erkundigte er sich und schaute zuerst Baldric, dann Conn fragend an.

»Wir verstehen Euch«, bestätigte Baldric. »Seid Ihr wohlauf?«

»Ich denke, es ist nur ein Kratzer«, erwiderte der Alte, auf die Wunde an seiner Schläfe deutend, »und das verdanken wir Euch.«

»Wir haben nur getan, was die Pflicht eines jeden Mannes von Ehre ist«, entgegnete Baldric mit der ihm eigenen Bescheidenheit, von der Conn inzwischen wusste, dass sie nicht geheuchelt, sondern tatsächlich Teil seines schlichten und bisweilen doch so undurchschaubaren Wesens war.

»Dennoch sind wir Euch zu tiefem Dank verpflichtet«, beharrte der Alte. »Wenn es eine Weise gibt, auf die wir uns erkenntlich …« Seine Rede stockte jäh, als würden ihm die Worte im Hals stecken bleiben. Seine Augen weiteten sich, als hätte er etwas erblickt, das ihn entsetzte. Verblüfft stellte Conn fest, dass es die Kreuze waren, die auf den Schulterpartien ihrer Umhänge prangten. »Ihr … seid Krieger des Kreuzes?«, erkundigte sich der Alte ängstlich.

»Streiter des Herrn«, drückte Baldric es anders aus. »Mein Name ist Baldric. Dies ist Conwulf, mein Diener und Knappe. Dürfen wir auch erfahren, wen wir mit Gottes Hilfe aus der Gewalt der Wegelagerer befreit haben?«

Der Alte zögerte kurz. »Den Kaufmann Isaac von Köln und seinen Diener Ilan«, entgegnete er dann leise. Das ängstliche Beben in seiner Stimme war unüberhörbar.

»Juden demnach?«, erkundigte sich Baldric.

»Ja, Herr«, antwortete der Weißhaarige und senkte das Haupt, anders als sein Diener. Zwar war die Kapuze seines Mantels hochgeschlagen, sodass nur die untere Gesichtshälfte zu sehen war, aber Conn glaubte trotzdem, eine Spur von Trotz darin zu erkennen.

»Seid unbesorgt, alter Mann«, sagte Baldric, während er das Schwert zurück in die Scheide fahren ließ. »Dies Zeichen macht uns nicht zu Feinden. Ihr habt nichts zu befürchten.«

»Wie das, Herr? Habt Ihr nicht feierlich geschworen, alle Heiden zu töten? Und sind wir nicht Heiden in Euren Augen?« Nicht der Kaufmann hatte gesprochen, sondern sein Diener, mit ebenjenem Trotz, der sich in seinen Zügen bereits angekündigt hatte.

Baldric wandte sich dem jungen Mann zu, dessen Französisch mit dem gleichen Akzent behaftet war wie das des Alten, jedoch gut verständlich. War schon der Herr von nicht gerade wohlgenährter Statur, war der Diener geradezu abgemagert. In seinem Gesicht spross noch kein Bart, sodass Conn sein Alter auf höchstens fünfzehn Winter schätzte. Sein Gewand schlotterte um dürre Beine, die Hände waren zart und fraglos nicht an harte Arbeit gewohnt. An Mut jedoch schien es ihm nicht zu fehlen, denn der Blick seiner dunklen Augen stach so herausfordernd unter der Kapuze hervor, dass Conn sich unwillkürlich darüber ärgerte.

»Ihr tätet gut daran, an Euch zu halten, Freund«, beschied er ihm im besten Französisch, zu dem er in der Lage war. »Schließlich hat Herr Baldric auch Euch gerade das Leben gerettet.«

»Bitte verzeiht meinem Diener seine unbedachten Worte«, sagte Isaac schnell und bedachte den Jungen mit einem strafenden Seitenblick. »Bisweilen ist seine Zunge schneller als sein Verstand.«

»Seine Frage war dennoch berechtigt«, erwiderte Baldric mit überraschender Ruhe. »Für andere Kämpfer Christi vermag ich nicht zu sprechen, aber ich für meinen Teil sehe meine Aufgabe nicht darin, Krieg und Zwist in christliche Länder zu tragen und jene zu Feinden zu erklären, die uns weder schaden noch uns bedrohen. Mein Kampf, junger Freund«, wandte er sich direkt an Ilan, »gilt allein den Ungläubigen, die die heiligen Stätten besetzen und das Leben unserer Pilger bedrohen. In Euch vermag ich weder das eine noch das andere zu erkennen.«

Der Diener blieb eine Antwort schuldig, aber Conn konnte sehen, dass sich die Gesichtszüge unter der Kapuze entspannten.

In diesem Moment kehrte der Schmerz zurück. Infolge der Aufregung war er für einige Augenblicke in den Hintergrund getreten. Nun jedoch brachte er sich wieder in Erinnerung, und das so heftig, dass Conn die Kontrolle über seine Gesichtszüge verlor und sich ihm eine leise Verwünschung entrang.

»Was habt Ihr da?«, fragte Isaac in seinem harten Akzent, auf die Schlinge deutend.

»Nichts weiter«, knurrte Conn zähneknirschend. »Nur eine alte Wunde, die mir hin und wieder zusetzt.«

»Soll mein Diener sich die Wunde ansehen?«, schlug der Alte vor. »Er besitzt einige Kenntnisse in der Heilkunst.«

Conn sah, wie Ilan seinem Herrn einen erschrockenen Blick zuwarf. Die beiden wechselten einige Worte in ihrer fremden Sprache und waren sich dabei offenbar uneins. Schließlich schien der alte Isaac sich jedoch durchzusetzen, und Ilan senkte das Haupt – wohl weniger in Unterwürfigkeit als vielmehr in wütender Enttäuschung.

»Wenn Ihr es wünscht«, wiederholte der Kaufmann, »wird Ilan Eure Wunde inspizieren. Vielleicht können wir Euch helfen und uns auf diese Weise für unsere Rettung bedanken.«

»Eine solche Hilfe wäre mehr als willkommen«, sagte Baldric. »Nicht wahr?«

Conn antwortete nicht. Natürlich bereitete ihm sein Arm Höllenqualen, und natürlich wäre er für jede Linderung dankbar gewesen. Aber die anmaßende Art des Dieners und die unverhohlene Abneigung, die der Jüngling an den Tag legte, gefielen ihm ganz und gar nicht. Außerdem hatte es auch in London Juden gegeben, und es war allenthalben von ihrem Hang zu dunklem Zauber und Giftmischerei zu hören gewesen. Sollte er sein Wohlbefinden in die Hände eines solchen Quacksalbers legen, der darüber hinaus noch ein halbes Kind war?

»Lass sehen«, verlangte der Junge und trat auf Conn zu. Der Blick seiner dunklen Augen traf ihn dabei so unvermittelt, dass es Conn eine Gänsehaut bereitete.

»Es ist nichts«, beteuerte er noch einmal.

»Komm schon«, forderte Baldric ihn auf. »Warum lässt du Ilan die Wunde nicht ansehen? Schlimmer kann’s schließlich nicht werden.«

Damit hatte der Normanne allerdings recht. Widerwillig zog Conn den Arm aus der Schlinge und zerrte den von Eiter und Blut durchnässten Verband herab. Den sengenden Schmerz, den er dabei verspürte, ignorierte er, so gut er es vermochte.

Ilan warf zuerst einen sorgsamen Blick auf die hässlich dunkle Öffnung, roch dann vorsichtig daran und bedachte Conn schließlich mit einem düsteren Blick.

»Das ist nicht gut«, stellte er fest.

»Was du nicht sagst.«

»Die Wunde ist stark entzündet und muss unbedingt versorgt werden. Andernfalls …«

»Was?«, hakte Conn nach.

»… wirst du den Arm bald nicht mehr gebrauchen können.«

Conn fühlte einen Kloß im Hals. Obwohl der Junge es nicht aussprach, war allen klar, was dies bedeutete. Ein Arm, der nicht mehr zu gebrauchen war und zudem die Gefahr barg, dass sich die Entzündung auf den gesamten Körper ausbreitete, musste amputiert werden. Und wer einen Arm verloren hatte, der war ein Krüppel, vom Herrn gezeichnet für seine Vergehen, und hatte daher weder Erbarmen noch Mitleid zu erwarten.

»Kannst … willst du mir helfen?«, erkundigte er sich leise. Für einen kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke, und Conn hatte nicht mehr das Gefühl, jene trotzige Feindseligkeit in den Augen des anderen zu sehen, sondern Mitgefühl und, was ihn zutiefst verwirrte, eine gewisse Anziehung …

»Ich werde es versuchen, aber nicht hier. In unserer Herberge habe ich eine Salbe aus Kräuterextrakten, die ich dir auflegen könnte. Und man müsste die Wunde aufschneiden und …«

»Aufschneiden?« Conn glaubte, nicht richtig zu hören.