Выбрать главу

»Fertig«, verkündete sie. »Diese Salbe«, fügte sie hinzu, wobei sie Conn den Tiegel reichte, »solltest du zweimal täglich auf die Wunde auftragen.«

»Und – das ist alles?«, fragte Conn.

»Das ist alles.«

Er nickte mit dankbarem Blick auf den Verband. »Schon jetzt ist es sehr viel besser als zuvor«, meinte er und bewegte abermals die linke Hand. »Ganz erstaunlich.«

»Nicht wahr?« Ihr Lächeln entbehrte jeder Freude. »Das hättet Ihr mir nicht zugetraut, oder? Wo ich doch nur eine Heidin bin …«

»Warum sagt Ihr so etwas? Haben wir Euch und Euren Vater nicht vor den Räubern gerettet?«

»Das habt Ihr. Aber hättet Ihr es auch getan, wenn Ihr gewusst hättet, wer wir sind? Was wir sind?«

Erneut schaute sie ihn unverwandt an, und jetzt, da Empörung ihre blassen Wangen färbte und ihre dunklen Augen lodern ließ, ging Conn auf, wie schön sie war. Nur einmal zuvor in seinem Leben hatte er solche Anmut und solches Temperament in einer Frau vereint gefunden, und es schmerzte ihn zu erkennen, dass sie ihn in mancher Weise an Nia erinnerte. Nicht so sehr ihrem Äußeren als vielmehr ihrem Wesen nach, das nicht weniger freiheitsliebend und unbeugsam schien als das seiner Geliebten.

Als er eine Antwort schuldig blieb, missdeutete Chaya sein Zögern. Ihre Züge, eben noch weich und anmutig, verhärteten sich, ihr Blick wurde kühl. »Eure Wunde ist jetzt versorgt, junger Herr«, gab sie steif bekannt. Dann erhob sie sich, packte ihre Utensilien zusammen und schickte sich an, die Kammer zu verlassen.

»Chaya!«, rief Conn sie zurück.

»Ja?« Sie blieb unter dem niedrigen Türsturz stehen.

»Ich danke Euch«, sagte er leise. »Von ganzem Herzen.«

Sie nickte. Dann drehte sie sich um und ging nach draußen.

Conn blickte ihr nach.

Dankbar, weil sie seine Wunde versorgt und damit vermutlich seinen Arm, womöglich sogar sein Leben gerettet hatte.

Aber auch mit einer Spur von Reue.

Denn für einen kurzen, wenn auch winzigen Moment, als ihre Blicke einander begegnet waren und er ihr tief in die Augen gesehen hatte, da hatte er seine Trauer und sogar seine Rachegedanken vergessen.

Dabei – und dafür schämte er sich vor sich selbst – war auch seine Erinnerung an Nia einen Herzschlag lang verblasst.

20.

Kalabrien

Winter 1096

Der Marsch Richtung Süden ging weiter. Hatte sich Conn auf dem Weg durch Ligurien von Tag zu Tag schlechter gefühlt, so besserte sich sein Zustand nun zusehends.

Chayas Ratschlag folgend, trug er zweimal täglich die übelriechende, jedoch äußerst wirksame Paste auf, die sie ihm gegeben hatte. Wie die Kaufmannstochter vorausgesagt hatte, klang die Schwellung vollends ab und die Wunde schloss sich. Die schwarz verrottete Haut fiel ab, neues Gewebe kam darunter zum Vorschein, und schon bald war zu erkennen, dass von jener Verletzung lediglich Narben zurückbleiben würden.

Sobald Conn seinen Arm wieder uneingeschränkt bewegen konnte, unterzog Baldric ihn einem harten Training, um all das nachzuholen, was er in den vergangenen Wochen notgedrungen versäumt hatte. Die Waffenlektionen wurden intensiviert ebenso wie die Reitübungen, und um seine zuletzt arg vernachlässigten Muskeln zu kräftigen, ließ der Normanne Conn unzählige Wassereimer schleppen. Auch der schweigsame Remy setzte alles daran, seinen Schützling zu einem stählernen Kämpfer zu machen. Die Holzschwerter, mit denen sie anfangs gefochten hatten, wurden durch Übungswaffen ersetzt, die doppelt so schwer waren wie gewöhnliche Klingen, sodass es Nächte gab, in denen Conn kaum ein Auge zutun konnte, weil seine Muskeln und Knochen so schmerzten.

In der Gegend um Lucca schlug das Heer für mehrere Tage sein Lager auf, weil die Anführer mit dem Heiligen Vater zusammentrafen, der den Kreuzfahrern freudig entgegengezogen war.

Während dieser Zwangspause wurde Conn erstmals darin unterwiesen, vom Pferderücken aus zu kämpfen, und wie sich zeigte, erwies er sich als überaus gelehriger Schüler. Hatte es ihm zunächst noch Mühe bereitet, das Pferd nur durch den Druck seiner Schenkel und den Stich der Sporen zu dirigieren, waren ihm die Bewegungen inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. Und während Papst Urban den fürstlichen Heerführern persönlich für ihren Einsatz für die Christenheit dankte und sie mit flammenden Worten in ihrem Vorhaben bestärkte, lernte Conn, was es bedeutete, ein berittener Kämpfer zu sein und sich mit Lanze und Schild eines Angreifers zu erwehren. Immerzu schärfte Baldric ihm ein, dass seine Gegner ihm an Kampferfahrung weit überlegen sein würden, dass er mit Geschick und Schnelligkeit das ausgleichen musste, was er an Übung entbehrte – und Conn gab sein Bestes. An dem Tag, an dem die Anführer des Feldzugs den päpstlichen Segen erhielten, gelang es ihm zum ersten Mal, Remy durch ein gewitztes Manöver aus dem Sattel zu heben. Obwohl er bei dieser Gelegenheit einen Zahn verlor, hörte Conn den Normannen an diesem Abend zum ersten Mal lauthals lachen.

Zwar ließ Baldric auch weiterhin keine Gelegenheit aus, um Conn auf seine Schwächen und auf all das aufmerksam zu machen, was er noch zu lernen hatte; als der Heereszug jedoch Rom erreichte, unterbrach er die Übungen für einige Tage und nahm Conn auf eine Exkursion mit, damit er, wie er sich ausdrückte, die Wunder der Ewigen Stadt mit eigenen Augen schauen könnte. Baldric selbst, so erfuhr Conn, hatte schon vor vielen Jahren eine Pilgerfahrt dorthin unternommen, dabei jedoch nicht die Vergebung gefunden, die er sich von der Teilnahme am Feldzug erhoffte.

War Conn zunächst noch skeptisch, was die angeblichen Wunder von Rom betraf, so wurde er rasch eines Besseren belehrt. Die Befestigungen von London, das wurde ihm jetzt klar, waren nur ein schwacher Abglanz jener Macht und Größe, die das Römerreich einst besessen haben musste und von denen die trutzigen Türme und Mauern, die die Stadt in weitem Rund umgaben, noch immer kündeten.

Von Bertrand wurde er in groben Zügen über die bewegte Geschichte der urbs aeterna unterrichtet. Es versetzte sein unbedarftes Gemüt in atemloses Erstaunen, die Hinterlassenschaften jener Zeit zu erblicken: die Ruinen der Kaiserpaläste und von alten Tempeln, in denen heidnischen Gottheiten gehuldigt worden war; das Kolosseum, dessen schiere Größe den Turm von London schlicht verblassen ließ; die steinernen Gebäude, die wie graues Unkraut über den Hügeln wucherten; und schließlich die zahllosen Gotteshäuser, die ihre Türme in den wolkenlosen Himmel über der Stadt Petri reckten und von der irdischen wie der himmlischen Macht der Kirche Christi kündeten.

Vergangenheit und Gegenwart schienen in Rom zur gleichen Zeit zu existieren, ein Ort voller Überraschungen und, so kam es Conn vor, unbegreiflicher Mysterien. Wehmut erfasste ihn, als sie abends auf dem Palatin standen und auf das steinerne Meer zu ihren Füßen blickten, das im Licht der untergehenden Sonne zu glühen schien.

»Woran denkst du?«, wollte Baldric wissen, dem Conns Stimmung nicht verborgen blieb.

»An jemanden, den ich einst kannte«, erwiderte Conn.